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• J A C K S O N •

Völlig durcheinander laufe ich schnellen Schrittes durch die Schulflure, meine Sporttasche in der Hand.
Wütend trete ich gegen den erstbesten Mülleimer, der mir in die Quere kommt.
Wie kann Miles nur mit ein paar Worten auslösen, dass ich praktisch an meiner Existenz zweifle?
Ja verdammt, ich liebe ihn. Auch nachdem, was er getan hat. Die Gefühle verschwinden nunmal nicht einfach so.

Aber ich weiß nicht, ob ich mich je darauf einlassen könnte. Ich kann das einfach nicht. Zumindest jetzt gerade.
Ich kann nicht einfach nur Miles sehen, auch wenn ich das so gerne möchte. Etwas in mir drin ruft mir immer wieder ins Gedächtnis, was er ist, oder war. Jedes Mal, wenn ich ihn ansehe und mir wieder klar wird, wie wunderschön er ist.
Andererseits denke ich, dass es am Anfang vielleicht ein komisches Gefühl ist, aber solange ich ihn als Person sehe, ist es doch egal, was sein Körper ist, oder? Er war für mich da, hat mir gezeigt, wie es ist, wenn eine Person einen so akzeptiert, wie man ist. Und anstatt das selbe bei ihm zutun, habe ich ihn verstoßen, weil er die Person ist, die er immer sein wollte.
Diese Stimmungsschwankungen machen mich fertig.

Ich lasse mich an der Wand draußen vor dem Eingang runterrutschen und stütze meine Ellenbogen auf den Knien ab.
Auch wenn das zwischen Jordan und mir nicht echt ist, brauche ich es doch irgendwie. Es ist einfach eine Art Gewohnheit geworden und ich merke, dass es mir fehlt, wenn es nicht mehr da ist.
Außer in der Zeit, wo ich bei Miles war. Da hab ich es nicht vermisst. Dafür vermisse ich Miles jetzt.

"Jack?"
Na toll, jetzt bilde ich mir auch noch seine Stimme ein. Mein Kopf dreht wirklich durch.
Vielleicht ist auch die Erkältung dran schuld.
Jemand legt vorsichtig seine Hände um meine Arme, um sie von meinem Gesicht zu ziehen, da ich meinen Kopf in den Händen abgestützt hatte.
Ich schaue direkt in Miles graue Augen. Die Augen, in die ich mich verliebt habe.

An sich ist er doch immer noch die selbe Person, oder? Man, meine Stimmungsschwankungen bringen mich wirklich noch um. Könnt ihr bitte verschwinden?

"Können wir bitte reden? Ich will nicht, dass es zwischen uns noch länger so bleibt. Lass es mich dir in Ruhe erklären und hör mir zu, bitte."
Flehend schaut er mich an, deutet dann mit seinem Kopf auf das der Schule gegenüberliegende Café.
Ich nicke, lasse mich von ihm hochziehen und muss dann erstmal niesen.
Auf Miles fragenden Blick hin antworte ich ihm. "Ich bin bisschen erkältet, sorry."
"Und dann wolltest du wirklich Sport machen? Du weißt, dass das nicht gut ist oder? Meine Mum würde mich umbringen, wenn ich auch nur auf den Gedanken kommen würde, mit einer Erkältung Sport zu machen."
Er redet sich völlig in Rasche, scheint zu vergessen, wie angespannt es eigentlich zwischen uns ist und das gefällt mir.
Vielleicht versucht er auch einfach nur die Stimmung aufzulockern.
Ich bin ihm dankbar dafür.
Denn im Moment schäme ich mich einfach nur für mich selbst.

Wir setzen uns an einen Tisch und er bestellt sich sofort eine Eisschokolade, während ich mir einen Tee bestelle. Eis wäre zwar wahrscheinlich besser wegen den Halsschmerzen, aber ich habe einfach das Bedürfnis nach etwas Warmen.
Während wir auf unsere Bestellungen warten hängt jeder seinen Gedanken nach.
Ich blicke ihn von der Seite aus an und verfalle innerlich fast in eine Schwärmerei.

"Ich weiß nicht so ganz, wie ich anfangen soll", gibt er irgendwann peinlich berührt zu und schaut mir direkt in die Augen.
"Vielleicht von Anfang an", gebe ich zurück und lächle ihn dann leicht an, in der Hoffnung ihm dadurch etwas Mut zu geben.

Und dann beginnt er mir von seiner Vergangenheit zu erzählen. Man könnte meinen, er lässt wirklich kein Detail aus. Er erzählt mir davon, dass er sich als Mädchen einfach nicht wohlgefühlt hat, dass er Jungs bewundert hat und einfach wie sie sein wollte. Er war gefangen in dem Körper, in dem er nicht sein wollte. Vor 2 Jahren begann er dann Testosteron zu nehmen, musste es aber wegen der Operation zwischenzeitlich absetzen. Er erzählt mir von Nick und seiner Zeit als er als Hobby das Eiskunstlaufen hatte, aber trotzdem schon immer lieber Football spielen wollte. Das Nick dadurch angefangen hat ihn Sternchen zu nennen und wie er dann hierher kam. Es hatte sich auf seiner alten Schule breitgemacht, was er war und sie haben übler reagiert, als die Leute hier. Er erklärt mir, dass er bei meiner Mutter als Psychologin war, um das alles besser zu verarbeiten und einfach mal alles loswerden zu können. Und ich höre ihm zu.

"Und dann habe ich dich kennengelernt. Den größten, arrogantesten und heißesten Oberaffen, den ich je getroffen habe...", ich muss trotz allem leicht lachen und er ebenfalls, als er das sagt und ich denke daran, wie ich ihn am Anfang immer als Vogel bezeichnet habe.
"Du warst so furchtbar und ich konnte dich überhaupt nicht leiden und ich wette, von deiner Seite, sah es genau so aus. Aber dann habe ich dich besser kennengelernt, habe deine Ecken und Kanten zu spüren bekommen, aber auch alles perfekte an dir. Du hast dich mir mehr geöffnet, hast mir vertraut..."
Er nimmt meine Hände in seine und schaut mir wieder tief in die Augen.
"Jacks, ich weiß, dass ich dich so unglaublich schwer verletzt habe.
Ich wusste nicht, wie ich es dir und auch den anderen sagen soll. Ich habe als auf den richtigen Moment gewartet, aber er kam nicht. Das wäre er wahrscheinlich nie. Ich hatte solch eine große Angst, dich zu verlieren und auch die Anderen. Auch, wenn es jetzt nicht gerade anders aussieht. Ich wusste, dass es irgendwann rauskommen muss, aber ich hatte eben gehofft, dass es von meiner Seite aus kommt.
Ich habe mich in dich verliebt Jacks und ich weiß, dass du das selbe fühlst, auch wenn du es vielleicht nicht so offen zugibst. Verkriech dich nicht hinter Jordan, sondern komm aus dir raus und mach das, was du willst, was dir Spaß macht.
Sei wieder du. Der, in den ich mich verliebt habe.
Ich weiß wirklich, dass ich dich ungemein verletzte habe und ich hoffe, dass du mir irgendwann wieder vertrauen kannst und uns nicht komplett aufgibst, denn das werde ich nicht. Und ich weiß, es klingt schwer, aber versuche bitte nur mich zu sehen. Mich als Person und nicht meinen Körper, oder das Mädchen namens Briana, was ich mal war. Mir ist das wirklich bewusst, Jacks, es tut mir leid."

Nach seinem Redefluss herrscht erstmal Stille. Ich starre ihn an und er mich. Er mit Hoffnung und Liebe in den Augen und ich mit Verzweiflung und Rührung.
Er nimmt es mir nicht übel, dass ich erst all das Gesagte verarbeiten muss.
Gefühlt tausende Bilder ziehen in meinem Kopf an mir vorbei.
Bilder von ihm, wie er lacht, wie er mich anschaut, küsst, umarmt, einfach alles.

"Ich lasse dir so viel Zeit, wie du brauchst", flüstert er, lächelt mich dann wieder an. Er sieht erleichtert aus, wie als wäre eine tonnenschwere Last von seinen Schultern gefallen.
Ein Druck baut sich hinter meinen Augen auf, den ich am liebsten rauslassen würde.
Das erste Mal in meinem Leben spüre ich die wahre Liebe einer anderen Person und das alleine durch Miles Blick, der mich mit so einer Treue anschaut, dass ich mich einfach gegen ihn sinken lasse und meine Arme um ihn schlinge.
Er drückt mich ebenfalls fest an sich, während ich meinen Kopf auf seiner Schulter bette und diesen unverwechselbaren Geruch von ihm einatme, der ihn ebenfalls zu etwas Besonderem macht.

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now