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• J A C K S O N •

Nachdem ich Jordan erfolgreich abgehängt habe, schlage ich einen weg ein, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn nochmal freiwillig gehe.
Dieses ständige Gefühl unter Druck zu stehen. Die Angst vor Jordan, die Liebe zu Miles. Ich würde zu gern einfach an seiner Seite stehen, aber ich habe zu viel Angst. Die Sache mit der Treppe war schon schlimm genug. Ich will nicht erfahren, was Jordans nächster Schritt wäre.

Als ich vor der Tür des Gebäudes stehe, baut sich wieder dieser Druck hinter meinen Augen auf, doch ich dränge ihn zurück. Ich klingle, hoffe, dass jemand da ist. Der Türsummer bestätigt mir dies und ich trete ein, laufe die Treppen nach oben in den fünften Stock und betrete die Praxis meiner Mutter.

Ich steure auf Olivia zu, die leicht erschrickt, als sie den Kopf hebt und mich erkennt. Sie schaut sich suchend um und richtet dann die Worte an mich. ''Miles ist nicht hier, er müsste eigentlich in der Schule sein. Du doch auch?'' Der letzte Satz klingt eher wie eine Frage.
''Es geht nicht um Miles. Ich-'' Durch die klackernden Schuhe meiner Mutter werde ich unterbrochen. Sie kommt gerade mit einem ihrer Klienten aus einem der Zimmer. Es ist ein junges Mädchen, etwa im Grundschulalter, das ziemlich mitgenommen aussieht, aber ihrer Mutter, welche im Wartezimmer gewartet hat, lächelnd in die Arme springt.

Meine eigene Mutter stockt ebenfalls kurz, als sie mich sieht, verabschiedet sich dann aber von den beiden.
''Du kannst gehen Olivia, ich mache den Rest'', verkündet Mum ihr. Heute hat ihre Praxis wohl nur bis kurz nach Mittag geöffnet. Das ist einer der Vorteile, wenn man seine eigene Praxis hat.
Olivia packt ihre Sachen zusammen und verabschiedet sich dann ebenfalls von uns.

Das erste, was meine Mutter macht, ist die Akte des Patienten auf den Tresen zu knallen und mich in ihre Arme zu schließen. Sie drückt mich fest an sich und ab dem Moment brechen bei mir alle Dämme. Ich kann es einfach nicht mehr halten. Alles, was sich die letzten Tage angestaut hat bricht aus mir heraus. Meine Mutter scheint die Welt nicht mehr zu verstehen, hält mich aber weiterhin fest und gibt mir den Halt, den ich gerade brauche. Sie löst sich erst leicht von mir, als ich mich etwas beruhigt habe.
''Oh Gott, mein Schatz. Du kommst erstmal mit nach Hause. Die Praxis kann bis morgen warten'', beschließt sie, schließt dann schnell die Fenster und danach die Praxistür hinter uns ab, bevor sie mich zu ihrem Auto führt.

Geknickt sitze ich neben ihr, während sie zu meinem alten zu Hause fährt. Ich weiß, dass es jetzt keinen Rückzieher mehr gibt. Denn sie wird mich nicht mehr gehen lasse, bevor sie nicht alles aus mir rausgequetscht hat. Das macht sie bei ihren Klienten zwar nicht, weil denen selbst überlassen ist, was und wie viel sie erzählen, aber bei mir wird das wohl anders werden. Sie wird mich auch auf ihre Art Foltern, wenn es sein muss.

Nach gefühlten Monaten betrete ich wieder das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Die Schritte meiner Mutter schallen durch den Flur, als sie ihre Jacke aufhängt und mich dann an meinem Rücken ins Wohnzimmer schiebt.
Sie verlässt mich kurz und kommt wenig später mit zwei Tassen Apfel-Zimt Tee wieder. Mein Lieblingstee.
Ich nehme mir eines der flauschigen Kissen, lege es in meinen Schoß und beginne an den Fäden zu spielen.
Das ist wohl eine Angewohnheit von mir. Entweder Miles Finger, oder etwas anderes.

Meine Mutter setzt sich schräg auf das Sofa, sodass sie mir ins Gesicht schauen kann und hält dabei ihre Tasse in der Hand.
Ich schaffe es nicht länger ihr in die Augen zu sehen, und senke deshalb den Blick auf das Kissen, bevor ich so viel Mut zusammenfasse, wie ich aufbringen kann und ihr schließlich alles erzähle.

Ich erzähle ihr von Jordan. Wie er mich ausgeknockt und gegen meinen Willen mit mir geschlafen hat. Erzähle ihr davon, dass ich geglaubt habe ihn zu lieben und er mich nun unter Druck setzt bei ihm zu bleiben, obwohl ich doch viel lieber bei dem Jungen wäre, den ich wirklich liebe. Miles.
Ich erzähle ihr alles über die gemeinsame Nacht mit ihm. Das gegenseitige Stöhnen unserer Namen, die Küsse, die Berührungen, einfach alles.
Ich erzähle ihr, dass ich Logan nicht mehr vertrauen kann, da er mit Emma zusammen ist und er es mir verschwiegen hat.
Ich lasse kein Detail aus und spüre förmlich, wie meine Schultern Stück für Stück leichter werden.

Nachdem ich ihr all das erzählt habe, ist sie erstmal still, hat Tränen in den Augen.
Nach einiger Zeit beginnt sie schließlich zu reden. Sie beginnt mit dem Thema Jordan, doch lenke ich davon ab, da ich gerade nicht weiter darüber reden kann.

"Jackson, ich kenne dich mittlerweile seit über Neunzehn Jahren. Wenn du Logan nicht vertrauen würdest, hättest du schon längst etwas dagegen unternommen. Tief in deinem Inneren weißt du, dass du ihm voll und ganz vertrauen kannst und deiner Schwester vertraust du auch. Emma geht es gut. Sie schwärmt nahezu jeden Tag von ihm."
Diese Erkenntnis lässt mich lächeln. Wenigstens ist Emma glücklich.
"Die Freundschaft zwischen Logan und mir fühlt sich einfach nicht mehr gut an. Eher so, als würden wir uns verpflichtet fühlen, weiterhin irgendwie miteinander befreundet zu sein", antworte ich, weiß irgendwie nicht, wie ich meine Gefühle richtig ausdrücken soll, aber meine Mutter scheint mich zu verstehen.

Plötzlich geht die Tür auf und mein Vater steht im Zimmer. Man sieht ihm förmlich an, wie ihm die gesunde Farbe aus dem Gesicht weicht und einem ungesunden Rot Platz macht.
"Du kleiner-" er lässt das letzte Wort unausgesprochen, kommt zu mir, packt mich am Arm und zieht mich vom Sofa.
"Was hast du hier zu suchen?! Alice, erklär mir das! Ich will diesen Bengel nicht mehr in meinem Haus sehen!", ruft er aus und schubst mich dann wütend zur Seite.

Wie gerne würde ich ihm nur die Meinung sagen, aber ich kann einfach nicht. Ich bin zu schwach, ein Feigling, ein Nichtsnutz.
"Sieh nur, was aus dir geworden ist. Du bist ein Niemand", zischt er und schubst mich wieder leicht rückwärts.
"Hör jetzt sofort auf Richard. Er ist mein Sohn und auch deiner. Er bleibt hier und Punkt. Mir ist es egal, was du dazu sagst", mischt sich meine Mutter nun ein. Sie nennt ihn Normalerweise nie beim Vornamen, außer sie ist wahnsinnig sauer auf ihn.
"Pass auf, was du sagt. Vergiss nicht, wer dieses Haus hier bezahlt", er hebt drohend den Finger, bevor er in sein Arbeitszimmer verschwindet.

"Ich geh dann mal. Danke für das Gespräch", verabschiede ich mich von meiner Mutter, doch werde aufgehalten.
"Du bleibst hier, komm mit. Ich muss nur gleich das Essen kochen, deine Schwester kommt demnächst nach Hause und du ruhst dich dann erstmal aus", meint sie und führt mich dann die Treppen nach oben zu meinem alten Zimmer.
Alles ist noch so, wie ich es verlassen habe, bis auf dass es aufgeräumt wurde.
"Danke Mum", flüstere ich und kämpfe erneut gegen den Druck hinter meinen Augen.
Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann zum Kochen in die Küche.

Fertig mit den Nerven lasse ich mich auf mein Bett fallen und genieße die Stille um mich herum.

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Onde histórias criam vida. Descubra agora