• 61 •

2.2K 187 18
                                    

• M I L E S •

Jackson kann wirklich nett sein. Jetzt zum Beispiel, wo er mir die Tür des Cafés aufhält, in dem wir arbeiten.
Wir haben gerade Feierabend und flüchten quasi vor unserem Chef, bevor er uns wie fast jeden Abend überzeugt, noch länger zu bleiben.
Jackson und ich lachen los, als wir in sicherem Abstand zum Café sind.
„Ich kann nicht glauben, dass wir heute entkommen konnten", meint er erleichtert.
Lächelnd schaue ich zu ihm hoch.
Wir arbeiten jetzt seit drei Wochen dort. Ich finde, irgendwie hilft es Jacks. Er hat echt Spaß dabei, auch wenn er das niemals zugeben würde. Ich hätte auch nicht gedacht, dass er in einem Job zurecht kommen würde, wo er mal das tun muss, was andere ihm sagen, aber er ist auch noch überraschend gut darin.
Er hat schon ein paar Kunden, die nur von ihm bedient werden wollen. Okay, es sind eher Kundinnen. Einmal zwei ältere Damen, von denen eine ihm schon einen Antrag gemacht hat, den er charmant abgelehnt hat und dann noch eine Gruppe an jungen Mädels, vielleicht so um die 15-16. Ich bezeichne diese Zicken immer ganz liebevoll als seinen Fanclub.
Wir legen unsere Schichten eigentlich immer so, dass wir zusammen arbeiten, nur, dass ich manchmal nicht kann, weil ich zur Therapie gehe. Manchmal weichen auch unsere Nachmittagskurse voneinander ab, doch meistens arbeiten wir gemeinsam.
Mit ihm ist das auch immer echt lustig. Ich mag es, wenn ich hinter der Theke stehe und er den Kellner gibt, ihn zu beobachten. Manchmal ist er ein kleiner Tollpatsch oder traut sich etwas zu viel zu und dann sieht das immer echt lustig aus, wenn was in die Brüche geht.
Meistens macht er das aber echt gut und mit einer unerwarteten Eleganz.
Er sieht heiß aus in dem schwarzen Hemd, das wir bei der Arbeit tragen müssen.
Ich mag es, dass es bei ihm an den Oberarmen, der Brust und dem Rücken etwas spannt. Und ja, ich gebe zu, es gibt manchmal so Phasen, da stehe ich einfach nur herum und starre ihm verträumt hinterher. Er ist ja aber auch echt heiß. Das ist nicht meine Schuld. Ich bin hier das Opfer, okay?

Ich gehe heute direkt nach der Arbeit mit zu ihm, weil er von mir kochen lernen will.
Wir treffen uns eigentlich auch außerhalb der Arbeit oft, zum Beispiel, wenn wir Schulschluss haben und dann noch ein zwei Stunden Zeit, bis unsere Schicht beginnt, dann gehen wir zusammen in die Stadt und bummeln oder chillen ein bisschen. Abends bringe ich ihn meistens nach Hause, weil das auf meinem Weg liegt und bleibe dann meistens noch etwas. Sowie heute.
„Es kommt mir ein bisschen so vor, als sei das unsere gemeinsame Wohnung, so gut wie du dich darum kümmerst", lacht Jack, als ich nach dem Abendessen den Tisch abputze.
„Jacks", seufze ich belehrend. „Du bist einfach ein hoffnungsloser Fall. Ohne mich wärst du verloren."
Er lacht. „Natürlich! Was würde ich nur ohne dich tun?"
„Heulend in der Ecke liegen", grinse ich.
„Pass auf, zu wem du so frech bist, Freundchen!", warnt er mich, während er mich auch schon mit Wasser aus der Spüle beschießt.
„Nein! Mein hübsches Gesicht!"
Er lacht. „Oh das tut mir jetzt aber leid."
Gespielt reumütig schaut er mich an.
Ich klatsche ihm den nassen Waschlappen, mit dem ich den Tisch abgewischt habe, ins Gesicht. „Mir nicht!"
Ich kann meinen Triumph leider nicht lange genießen, weil ich schon vor ihm flüchten muss. Er jagt mich quasi durch seine Wohnung und ich renne weg.
Vielleicht sollte ich dabei nicht lachen, erstens bekomme ich so keine Luft und zweitens verrate ich so immer wo ich bin.
Gerade, als ich denke, er hat mich gleich und kitzelt mich dann gnadenlos durch, ertönt seine Türklingel.
„Warte, ich krieg dich schon noch!", ruft Jack, geht aber an die Tür.

Ich lausche und warte, bis er wieder kommt, aber das tut er nicht.
Vorsichtig komme ich hinter der Badtür hervor und schleiche zu Jack. Er steht an der Tür und redet aufgebracht mit jemandem.
„Das kannst du nicht bringen!"
„Du siehst doch, dass ich es kann." Oh diese Stimme kenne ich.
„Wo soll ich denn jetzt auf die Schnelle hin?!" Jacks klingt sehr sauer, aber auch verzweifelt.
Genau in diesem Moment trifft der Blick seines arroganten Sackgesicht-Vaters mich.
Er schnaubt. „Geh doch zu einem deiner Liebhaber."
Wie kann man in einem Gespräch mit seinem Sohn solch einen Hass in der Stimme tragen? Ich fasse es nicht.
„Jack, was ist hier los?", frage ich Jack einfühlsam, ohne auf seinen Erzeuger einzugehen.
Er schluckt und sieht mich an. „Ich muss bis morgen Früh aus der Wohnung."
Fassungslos sehe ich seinen Dad an. „Sonst geht's ihnen aber noch gut, oder?"
Er will etwas sagen, man sieht ihm genau an, wie empört er ist, weil ich ihn so anrede, aber das war noch lange nicht alles.
„Sie kommen hier an, machen einen auf großkotziges Arschgesicht, hauen irgendwelche unnötigen Sprüche raus und setzen Ihren Sohn auf die Straße? Was läuft eigentlich falsch bei Ihnen, mh? Irgendwer hat Ihnen doch ins Hirn geschissen!"
„Miles", seufzt Jack und zieht mich am Unterarm zurück, als ich immer näher auf seinen Erzeuger zulaufe. „Lass es, das bringt nichts..."
Ich schnaube. „Ja gut, ich lasse es. Ich bin ja nicht der, der damit leben muss, so eine Hackfresse zu haben."
„Pass auf, was du sagst, Kleiner, sonst bekommst du bald Post von meinem Anwalt."
Dieser Typ wagt es, mich zu bedrohen?
Er weckt hier gerade ein Monster, das ist ihm wohl nicht ganz klar.
„Sie sollten lieber mal aufpassen, was Sie tun. Mit ihrem Verhalten schaden Sie jetzt vielleicht Jackson, aber auf lange Sicht sind Sie derjenige, der darunter leiden wird. Denn alle verlassen Sie, weil sie erkennen, was Sie für ein egozentrischer Mensch sind. Weil Sie alles, was Sie haben, dieses gute Leben, das Sie nicht mal bereit sind, mit Ihrem Sohn zu teilen, nicht verdient haben. Aber wissen Sie was? Eigentlich finde ich es gut, dass Sie und Jackson keinen Kontakt haben. Er ist viel zu gut für Sie. Sie werden derjenige sein, der sich irgendwann an diesen Moment erinnert und bereut, was er jetzt getan hat. Sie sind der, der Tränen vergießen wird um jeden Schlag, den Jacks durch ihre Hand erlitten hat. Sie sind der, der einsam und alleine sterben wird. Und wollen sie wissen, was Jacks in dieser Zeit tun wird?"
Ich grinse ihn an, trete nah zu ihm und stelle mich auf Zehenspitzen, um ihm ins Ohr flüstern zu können: „Er wird mich durchvögeln als gäbe es kein Morgen mehr."
Ich gehe wieder einen Schritt zurück, lächele Jacks Erzeuger nett an, zeige ihm dabei noch meinen Mittelfinger, ehe ich Jacks von der Tür wegschiebe und sie zuknalle.
Man hört noch laute Beschweren von draußen und wie Jackson's  Erzeuger ihm droht, was alles passieren wird, wenn er morgen nicht aus der Wohnung raus ist, ehe er den Flur entlang trampelt.
Ich schüttele missbilligend den Kopf und wende mich dann an Jacks. „Ich kann nicht glauben, dass du von so einem Mistkerl abstammst."
Früher hat mich das nicht gewundert, aber jetzt, wo ich Jacks kenne und weiß, was für ein Mensch er wirklich ist, bezweifle ich ernsthaft, dass er zur Hälfte aus dieser Eselfresse entstanden sein soll.

Jackson schaut runter auf den Boden, sagt nichts.
Er tut das immer, wenn er traurig ist oder nachdenkt darüber, was er als nächstes tun soll. Es ist dann so, als würde er darauf hoffen, jemand schiebt ihm die Lösung für seine Probleme auf dem Silbertablett serviert vor die Nase.
„Hei." Ich trete nah an ihn heran und nehme seine Hände in meine.
Aus traurigen Augen sieht er mich an. „Danke, dass du... einfach, weil du da bist", murmelt er, eher er mich in seine Arme zieht und fest an sich drückt.
Seufzend lege ich meinen Kopf an seiner Schulter ab und streiche über seinen Rücken. „Wir sind Freunde, Jack. Ich werde immer für dich da sein."
Er nickt, macht irgendwas an meinen Haaren, als er tief einatmet und richtet sich dann wieder auf, wodurch wir uns loslassen müssen.
„Komm, ruf Jordan an und frag, ob du vorrübergehend zu ihm kannst." Aufmunternd lächele ich Jack an.
Er nickt wieder nur, geht ins Wohnzimmer, weil sein Handy da, seit vorhin, als wir hier angekommen sind, auf dem Couchtisch liegt.
Er setzt sich aufs Sofa und ich mich zu ihm, wobei ich nah an ihn heranrücke, um mir das Telefonat mitanhören zu können.
Als Jacks fragt, ob Jordan heute zuhause ist und Zeit hat, ist Jordan zuerst total begeistert, aber als Jacks dann erklärt wieso und dass er länger bei ihm bleiben müsste als nur heute Nacht, meint Jordan, das würde nicht gehen, seine Eltern würden das nicht erlauben und soweit seien sie ja auch noch gar nicht in ihrer Beziehung.
Man hört Jackson an, wie enttäuscht er von Jordan ist und man sieht es auch, als er auflegt, das Handy aufs Sofa fallen lässt und sich die Haare zurückstreicht.
„Toll, ab morgen sitze ich auf der Straße", freut er sich.
„Auf keinen Fall!", bestimme ich. „Wir packen jetzt deine Sachen und dann kommst du mit zu mir. Wird zwar ein bisschen eng, aber dann müssen wir uns halt zusammenkuscheln."
Ich lächele Jackson aufmunternd an und kraule durch seine Haare, weil ich in letzte Zeit festgestellt habe, wie sehr ihn das entspannt und beruhigt.
„Womit hab ich dich nur verdient?", seufzt er, rutscht dabei im Sofa nach unten, sodass er seinen Kopf auf meine Schulte legen kann und ich weiter durch seine Haare streichen.
„Du bist mein Freund", antworte ich. „Und Freunde sind füreinander da."

Cupid42hearts

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now