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• M I L E S •

Ich nehme mir fest vor, mich heute um meine Jobsuche zu kümmern, als ich nachhause komme. Wirklich, ich plane das fest ein. Am Ende helfe ich sogar meiner Mum beim Putzen, damit ich dem aus dem Weg gehen kann.
Typisch Miles.
Es ist nicht so, als wolle ich nicht arbeiten gehen, um etwas zum Familieneinkommen beizusteuern, ich weiß einfach nur nicht, ob ich mir das zutraue.
Meine Eltern meinen, es müsse nicht sein, wir würden auch so sehr gut klarkommen, aber ich finde es ungerecht, dass wir meinetwegen in so eine teure Gegend gezogen sind und alle, die können, was beisteuern, nur ich nicht.
Ich befürchte nur, mit dem Stress nicht klarkommen zu können. In der Schule habe ich einiges aufzuholen und ich bin ohnehin schon so anfällig für psychischen Stress...

Ich bin irgendwie erleichtert, als Logan mich anruft und fragt, ob ich zu ihm kommen will. Er meint, seine Eltern seien weg und wir hätten so unsere Ruhe und könnten weiteren Verkupplungsversuchen meiner Mum aus dem Weg gehen.
Schnell stimme ich zu, lasse mir seine Adresse senden, erkläre Mum, dass ich zu Logan gehe.
„Safety first, Schätzchen!", ruft sie mir noch hinterher.
Mit einem Kopfschütteln, steige ich in meine Schrottkarre und folge meinem Navi zu Logans Adresse.
Fragt mich nicht wieso, aber irgendwie habe ich mir vorgestellt, dass er eines von diesen Bonzenkindern ist, aber da habe ich mich wohl geirrt.
Ich würde nicht wirklich sagen, ich befinde mich hier in einer schlechten Gegend oder so, aber man kann schon feststellen, dass hier alles etwas heruntergekommen aussieht.
Das ist schockierend, wenn man mal bedenkt, dass ich gerade mal eine halbe Stunde gefahren bin, um hierher zu kommen. Es reiht sich ein Hochhaus an das nächste, Graffitis lassen sich an manchen Hauswänden bestaunen, die Straßen sind nicht wirklich ordentlich und es tummeln sich auch nicht halb so viele Menschen wie in anderen Teilen von New York. Scheint wohl keine Touristengegend hier zu sein.
Ich schreibe  Logan, dass ich da bin und er runterkommen soll, weil ich keine Ahnung habe, wie ich hier die richtige Wohnung finden soll.
Es dauert nicht lange, da öffnet sich eine Haustür etwa zehn Meter weiter und Logan winkt mir zu.
„Hei, du", ich umarme ihn und er mich ebenfalls.
„Hi, Kleiner." Er wuschelt durch meine Haare und nimmt dann meine Hand, um mich ins Haus zu ziehen.
Wir gehen 5 Stockwerke nach oben, um seine Wohnung zu erreichen, deren Tür er nur angelehnt hat.
Auf meinen fragenden Blick hin lacht er leicht. „In dieser Gegend wird nicht geklaut, weil alle wissen, dass es nichts zu holen gibt."
Es scheint ihn nicht wirklich zu treffen, also tut es das bei mir auch nicht.
Ich wundere mich nur, warum er nie was gesagt hat bzw. wie jemand wie er an jemanden wie Jackson geraten konnte, ohne jetzt jemanden verurteilen zu wollen.
„Wo sind deine Eltern nochmal hast du gesagt?", hake ich nach, als ich Logan durch die Wohnung folge, die nicht wirklich liebevoll eingerichtet ist.
„Mein Dad arbeitet und meine Mum ist bei ihrem Liebhaber."
„Oh."
Meint er das jetzt ernst?!
Er zuckt bloß mit den Schultern, öffnet die Tür zu einem Zimmer.
Sofort empfängt mich eine andere Atmosphäre, eine, in der man sich echt wohlfühlen kann. An den Wänden hängen Footballposter, Auszeichnungen, Bilder. Er hat hier ein paar Pflanzen stehen und allgemein ist es hier aufgeräumt, im Gegensatz zum Rest der Wohnung.
Nicht, dass ich das verurteilen würde, mein Zimmer sieht auch immer aus wie Sau, aber Logans gefällt mir echt gut.

Sofort gehe ich zu seiner Wand, an der bloß Bilder hängen. Auf den meisten, wirklich fast allen mit Ausnahme von 3-4 sieht man Jacks irgendwie zusammen mit Logan.
Er tritt hinter mich und klopft mir leicht auf die Schultern. „Irgendwann kann ich da auch Bilder mit Emma hinhängen. Wenn Jacks es weiß..." Er klingt hoffnungsvoll dabei.
Ich drehe mich um und umarme ihn. Logan ist so eine liebe Person, er hat wirklich nur das Beste dieser Welt verdient.
„Was wollen wir machen?", frage ich, schaue mich nach einer Konsole um, aber er scheint keine zu haben.
Bevor er antworten kann, klingelt irgendwer bei ihm sturm.
Logan sieht plötzlich alarmiert aus.
„Bleib hier", sagt er ernst, schnappt sich einen Baseballschläger und geht schnell aus dem Raum.
Äh, alles klar, ich dachte, hier gibt's nichts zu holen.
Ich versuche zu lauschen, höre auch Stimmen und kurz danach Schritte.
Logan kommt zurück ins Zimmer, doch stützt dabei einen humpelnden Jacks.
„Vorsichtig", meint Logan sanft, legt Jackson auf dem Bett ab, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite hält.
„Ich bin gleich wieder da", versichert Logan Jacks und rennt aus dem Raum.
Ich kann ihn nur anstarren und er sieht mich gar nicht. Schluckend gehe ich um das Bett herum, in dem er gerade liegt und mustere ihn.
Noch nie, wirklich noch nie in meinem ganzen Leben habe ich eine Person gesehen, die schlimmer zugerichtet war als Jackson.
Sein linkes Auge ist geschwollen, sodass es mich wundern würde, wenn er da noch etwas durchsehen kann, es ist lila, blau, rot.
An seinem rechten Jochbein befindet sich eine blutende Wunde, auch seine Nase blutet und seine Lippe, die aufgeplatzt ist.
„Jackson", flüstere ich schockiert, setze mich zu ihm auf die Bettkante.
Er schaut mich an, ich sehe den Schmerz in seinen Augen, aber nicht nur körperlichen. Der, der ihm das angetan hat, hat ihm auch einen enormen psychischen Schaden zugefügt.
„Was ist passiert?", hauche ich betroffen, streiche dabei über seine Wange.
Keine Ahnung, wieso mich das so mitnimmt. Alleine, wenn ich eine fremde Person so sehen würde, würde es mich schon treffen, aber Jackson... Es bricht mir fast das Herz.
Er sagt nicht, sondern legt den Kopf zur Seite, sodass er in meiner Hand liegt.
Dabei schnieft er leicht und krümmt sich nur noch mehr zusammen.
„Jacks", wiederhole ich leidend, beuge mich zu ihm und streiche vorsichtig seine Tränen weg. „Hei." Obwohl er weint und wohl wirklich schlimme Schmerzen hat, will ich, dass er mich ansieht.
Er muss mir bei diesen Worten in die Augen schauen. Er soll sie mir glauben.
Ich halte sein Gesicht sanft in den Händen, streiche die immer nach kommenden Tränen mit den Daumen weg. „Alles wird gut, hörst du?"
Er beginnt noch mehr zu weinen, antwortet nicht.
„Alles wird gut", murmele ich tröstend und drücke meine Lippen auf seine Stirn. Ich verharre kurz in dieser Position, löse mich dann aber wieder von ihm, um ihn anzusehen.
Er aber hat die Augen geschlossen und sieht trotz allem für einen kleinen Moment genießend aus.
Logan braucht nicht lange, um zurückzukommen, schiebt mich weg, hebt Jacksons Oberkörper an, setzt ihn vor sich, sodass er gegen ihn lehnt und schiebt ihm eine Tablette in den Mund.
Sofort hält er ihm auch ein Wasserglas an die Lippen und schüttet es ihm vorsichtig rein.
Jackson sieht aus, als habe er Schmerzen beim Schlucken und hält sich fortwährend die Rippen.

Logan nimmt sich einen kalten Waschlappen, den er geholt hat, und tupft damit vorsichtig auf Jacksons verletzte Stellen in seinem Gesicht.
Jackson beruhigt sich langsam, als er da so in Logans Armen liegt und von ihm versorgt wird und ich kann nichts anderes tun als dabei zuzusehen.
Wieso sieht das so routiniert aus? So als sei das schon öfter vorgekommen? Wieso fragt Logan nicht was passiert ist? Wieso wirkt er so als wüsste er es schon lange?
Alles in mir will einfach losstürmen und den Verantwortlichen für Jacksons derzeitigen Zustand einfach nur noch leiden lassen, aber eine Hand hält mich auch.
Eine Hand, die nach meiner greift, ein Daumen, der darüber streicht.
Jacksons Hand.
Ich sehe in sein Gesicht, aber er hat die Augen geschlossen.
Leicht panisch schaue ich Logan an.
Sein Blick ist beruhigend. „In dem Wasser waren Schlafmittel. Anders wird er nicht zur Ruhe kommen."
Ich schlucke, nicke aber verstehend und schaue Jacks weiterhin an.
Obwohl Jacks wohl gerade am Schlafen ist und sich die Bewegungen seines Daumens eingestellt haben, drückt er meine Hand fester.
Ich kann nicht anders, als näher zu ihm und Logan zu rücken, seine Hand mit meinen zu umschließen und sie so in meinem Schoß liegen zu lassen, während ich Jackson mustere.
Ich weiß, dass er jetzt in Sicherheit ist. Aber trotzdem nehme ich mir fest vor, dafür zu sorgen, dass ihm so etwas nie wieder passieren kann.
Ich werde ihn beschützen, für ihn da sein.
Nicht, weil wir Freunde wären oder er es nicht verdient hätte so zugerichtet zu werden, sondern, weil mein Herz mir sagt, dass es das Richtige ist.

©Cupid42hearts

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now