- Kapitel 2 -

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Amara

"Pino bleibt hier und hält die Stellung. Ich komme mit nach Quintana Roo.", widerspricht er mir und verschwindet aus meinem Zimmer.
Wütend kneife ich die Augen zusammen, weil alle mich belehren und über meinen Kopf hinweg entscheiden müssen.

Ich werfe einen Blick auf mein Handy.
Warum hat Sofia mich nicht einfach angerufen?

Und warum hat nur Sofia unter dem Brief unterschrieben?
Weiß Xavier auch nicht, dass seine Verlobte mich zur Trauung eingeladen hat?

Ich wähle Sofias Nummer und werde tatsächlich nervös, als es bei ihr klingelt.

"Amara.", nimmt sie fröhlich meinen Anruf ab.

"Sofia."
Automatisch muss ich lächeln, weil mein Anruf sie anscheinend erfreut.

"Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich gerne zu eurer Hochzeit komme.", beginne ich sofort.

"Wow, das macht mich sehr glücklich. Ich freue mich, dich endlich wieder zu sehen.", gesteht sie mir.
Ich schlucke den dicken Kloß in meinem Hals herunter.

"Weiß Miguel Bescheid?", flüstere ich heiser und verkneife mir die Tränen.

"Nein, noch nicht.", erklärt er sie mir.

Auch wenn sie es nicht sehen kann, nicke ich langsam.
"Ich werde morgen Nachmittag anreisen. Wollen wir uns Abends treffen?", überwinde ich mich sie zu fragen.

"Gerne, Xavier schläft sowieso bei Miguel, da habe wir Zeit für uns.", kichert sie überglücklich.
Ihr Lachen steckt mich an, sodass ich die schlechten Erinnerungen an diese Familie kurz ausblenden kann.
Fast 2 Jahre ist es her, dass ich sie alle das letzte Mal gesehen habe.

"Ich packe dann mal. Bis morgen.", beende ich das kurze Gespräch und lege auf. Während ich ins Badezimmer laufe, atme ich tief durch und sammel mein Make Up und mein Shampoo ein. Wie wird Miguel wohl reagieren, wenn er mich übermorgen auf der Trauung sieht?

Und wie sieht er überhaupt aus?
Trägt er sein Haar noch immer so kurz oder hat er es wachsen lassen?

"Amara? Gustavo ist hier, er möchte etwas mit dir über Kolumbien besprechen.", stört mich Pino.
Ich lasse meine Kosmetiktasche im Bad stehen und richte mein Haar.

"Und da kann er nicht vorher anrufen und sich ankündigen?", brumme ich und schlüpfe in die schwarzen Highheels. Meine schwarze Anzughose, das schwarze Croptop und der dunkelgrüne Blazer lassen mich älter aussehen, als ich bin, aber das ist gar nicht mal so schlecht.

Frauen haben es in diesem Business sowieso nicht leicht, erst recht nicht wenn sie jung sind.

Elegant laufe ich die Steintreppe herunter und kann Gustavo schon von weitem erkennen.
"Gustavo, was treibt Sie hier her?", spreche ich ihn an und lenke seine Aufmerksamkeit auf mich.
Der ältere Mann beginnt zu Lächeln, als er mich sieht, und tritt näher an die Treppe heran.

"Frau Ramirez, Sie sehen wie immer fabelhaft aus.", umgarnt er mich und berührt kurz meine Haarspitzen.

Ich ziehe den Kopf leicht bei Seite, sodass er sie nicht weiter berühren kann.
"Warum sind Sie hier und warum rufen Sie nicht vorher an?", frage ich ihn mit einem genervten Unterton und deute auf mein Büro.

Schnaubend setzt er sich in Bewegung und nimmt auf einem der schwarzen Ledersessel platz.
"Ich war gerade in der Nähe, als ich einen Anruf aus Kolumbien bekam. Nächste Woche sind Wahlen, ich hoffe Ihnen ist bewusst, was das für Auswirkungen auf unsere Lieferungen haben wird."

"Natürlich ist mir das bewusst."

"Wenn der Gouverneur von Bogota nicht wiedergewählt wird, dann haben wir ein echtes Problem.", fährt er fort.

Ich muss auflachen.
"Gustavo, Sie glauben doch nicht wirklich, dass ein neuer Gouverneur die Korruption in diesem Land stoppen kann?"

"Die anderen Parteien haben deutlich gemacht, dass sie-"

"Hören Sie mir auf mit so einem Mist. Erstens wird sich in 100 Jahren in diesem Land nichts ändern und zweitens wird es keinen neuen Gouverneur in Bogota geben, dafür habe ich gesorgt.", beende ich die Diskussion.

"Auch, wenn Miguel Jimenez seine Finger im Spiel hat?"

Seine Worte lassen mich hellhörig werden. Miguel soll seine Finger im Spiel haben?

"Miguel Jimenez muss sich zuerst einmal darum kümmern, dass ich ihm seine Routen im Süden nicht auf noch wegnehme, er hat gar keine Zeit sich jetzt um Kolumbien zu kümmern.", winke ich stirnrunzelnd ab.

"Sind Sie sich sicher?", fragt mich Gustavo.

"Jimenez hat Kolumbien komplett verloren, er hat nirgendwo ein Stein im Brett. Niemand wird einem Bastard wie ihm glauben, geschweige denn etwas für ihn tun. Das Risiko ist viel zu hoch!"
Wütend schlage ich mit der flachen Hand auf den Schreibtisch vor mir und stehe hektisch von dem Sessel auf.

Gustavo legt mir eine Mappe auf den Tisch und deutet mit hochgezogenen Augenbrauen drauf.

Widerwillig öffne ich die weiße Mappe und schaue direkt auf Bilder von Miguel. Er ist es eindeutig, dass erkenne ich an dem Tattoo, das seinen Hals verziert.

"Ist das-", beginne ich, breche jedoch meinen Satz ab.

"Der Präsident von Kolumbien.", beendet Gustavo meinen Satz.

"Scheiße.", murmle ich.
Miguel hat wirklich Nerven, sich jetzt noch um diese beschissene Wahl zu kümmern, während sein Kartell so gut wie den Bach runter geht.

"Ich bin die nächsten Tage unterwegs, Pino wird sich drum kümmern.", informiere ich Gustavo und schließe die Mappe.
Dann wende ich mich von Gustavo ab und schaue nach draußen in meinen Garten.
Gustavo nimmt die Mappe vom Tisch und verschwindet aus meinem Büro.

Erschöpft fahre ich mir über das Gesicht und wähle anschließend Pino's Nummer. Er muss morgen als allererstes in Kolumbien anrufen und herausfinden, was Miguel dort wollte. Wenn er sich wirklich in den Wahlkampf eingemischt hat, kann das Böse enden.

Für Beide.

Ich entsperre mein Handy und tippe auf Miguels Kontakt. Sollte ich ihn anrufen und ihn zur Rede stellen?
Oder sollte ich die Hochzeit abwarten und am Ende mit ihm das Geschäftliche besprechen?

"Der Range Rover ist vollgetankt. Du könntest theoretisch jetzt los fahren.", erschreckt mich Pino.

"Dios, warum schleichst du dich so an?", meckere ich, weil ich ihn überhaupt nicht kommen gehört habe.
Als ich mich umdrehe, taucht mein Bruder hinter ihm auf und schließt die Tür.

"Amara, dir muss klar sein, dass du ein großes Risiko eingehst. Wenn er dich bedroht oder anpackt, dann werde ich nicht zögern und ihn abknallen.", brummt Jasper und lässt sich auf den schwarzen Ledersessel fallen.

"Du musst niemanden abknallen, weil ich das nämlich selber kann.", flüstere ich und hole meine Waffe und ein paar Patronen aus dem Schrank neben dem Fenster.
Denken die beiden wirklich, dass ich so doof sei und unbewaffnet dort auftauchen werde?

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now