- Kapitel 22 -

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Amara

"Schon gut, du hast recht. Ich spreche mit Jasper.", stimmt er mir zu und verlässt mein Büro. Erschöpft fahre ich mir durch die Haare.
Kann nicht ein einziges Mal etwas nach Plan laufen?

Miguel hat weder Kunden noch Geschäfte in dieser Stadt, was also will er dort. Ich könnte ihn anrufen, wenn ich wollte.

Aber will ich das?

Will ich ihm zeigen, dass seine Handlungen mir Sorgen bereiten und er mich in gewisser weise in der Hand hat?
Dann würde ich zeigen, dass ich verwundbar bin und das kann ich mir nicht erlauben.

Gerade als ich mein Handy weglegen will, klingelt es.

Mein Herz pocht schnell, als ich sehe wer mich da anruft.

"Ramirez.", nenne ich absichtlich meinen Nachnamen, damit er bloß nicht weiß, dass ich seine Nummer noch hätte.

"Jimenez.", stellt er sich vor. Sein Grinsen kann ich bis hier hin hören.

"Was willst du?", verdrehe ich die Augen und stehe von meinem Bürostuhl auf, um vor meinem Schreibtisch auf und ab zu laufen.

"Ich sollte einen Termin vereinbaren. Außerdem hast du was vergessen, das möchte ich dir wieder geben.", beginnt er.

Ich ziehe mir eine Zigarette aus der Schachtel und öffne die Glastür.
"Ich bin von Mittwoch bis Freitag in Kolumbien."

"Habe ich mir fast gedacht. Wie wäre es mit Sonntag Morgen nach den Wahlen?", schlägt er mir einen Termin vor.

"Ich arbeite Sonntags eigentlich nicht.", lehne ich ab und zünde mir nebenbei die Zigarette an.

"Aber für mich machst du eine Ausnahme."

"Nein, mache ich nicht. Samstag Abend 18 Uhr. Wir schauen die Hochrechnungen zusammen und dann kannst du mir alles sagen, was dir auf deinem elendigen Herzen liegt.", mache ich einen neuen Termin klar.

Leise höre ich ihn lachen.
"Jetzt werd mal nicht persönlich. Du wolltest mir damals nicht zuhören, dann sei jetzt auch nicht beleidigt."

"Wenn ich dir noch eine Minute länger zugehört hätte, dann hättest du dich nicht mehr wiedererkannt.", fauche ich und puste den giftigen Rauch aus.

"Wenn du mir eine Minute länger zugehört hättest, dann hätten wir beide gestern geheiratet und nicht meine Schwester.", knurrt er und bringt mich kurz aus der Fassung.

"Du solltest keine falschen Versprechungen machen.", belehre ich ihn, nachdem ich mich geräuspert habe.

"Soll ich es dir beweisen? Ich kann dich heute noch heiraten, das schwöre ich dir."

"Damit du mein Vermögen abgreifen kannst? Sicherlich nicht.", lehne ich seinen irren Vorschlag ab.
Jetzt braucht er mir auch nicht zu beweisen, wie sehr er mich angeblich geliebt hat.

"Ich wäre für dich auf die Knie gegangen, verdammt. Für niemanden sonst hätte ich das getan, nicht einmal für meine Mutter. Für niemanden, außer für dich. Aber du hast mir ja nicht einmal die Chance gegeben!", spricht er vorwurfsvoll.

"Du hast dir den Schwanz lutschen lassen, während ich hätte im Bett liegen sollen. Und du wirfst mir vor, dass ich unsere Beziehung zerstört hätte?", fauche ich wütend und ziehe erneut kräftig an der Zigarette.

"Dios, zum letzten Mal. Ich habe mir nicht den Schwanz lutschen lassen. Lass mich zu dir kommen und dir alles erklären, mi Amor.", bittet er mich und scheint etwas zu trinken.

Ich lache falsch auf.
"Mi Amor. Du hast schon lange nicht mehr das Recht mich so zu nennen."

Ich höre ihn laut ausatmen, doch lasse ihn nicht mehr zu Wort kommen.
"Samstag, 17.50 Uhr. Hier in Acapulco. Pünktlich.", beende ich das Gespräch und lasse mein Handy in die Hosentasche gleiten.

"Mi Amor.", flüstere ich gehässig vor mich hin.
Er hat wirklich so wenig Respekt vor mir, dass er mich noch immer so nennt. Aus reiner Provokation. Aber spätestens Samstag wird er sehen, was er davon hat, dass er mich unterschätzt hat.

"Wichser!", fluche ich wütend und trete meine Zigarette auf dem Kalksandsteinboden aus. Der Kerl kann mich mal sowas von am Arsch lecken. Was denkt er, wer er ist, dass er mich einfach so mi Amor nennen kann? Glaubt er, dass er mich so im Griff hat?

Sollte er am Samstag nicht pünktlich hier sein, dann kann er durchs Fenster die Hochrechnungen verfolgen.

Ich atme tief durch, bevor ich mich wieder an den Schreibtisch setze. Eigentlich hatte ich vor, mich auf Isla Mujeres ein bisschen zu erholen. Die Ruhe vor dem Sturm genießen und meine Kräfte zu sammeln.
Aber ich habe es ja nicht einmal geschafft ins Meer zu gehen oder meine Füße in die sanfte Brandung zu stellen. Wenn Miguel nicht aufgetaucht wäre, hätte ich vermutlich Zeit dafür gehabt, aber mit seiner Anwesenheit war es viel zu gefährlich, die Waffe auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen.

Am Tag der Hochzeit hätte er mir nichts getan, das war mir klar und das hatte er mir ja auch so gesagt. Und wenn ich eins weiß, dann dass Miguel seine Versprechungen niemals bricht.
Aber am Tag danach hätte ihn nichts mehr aufhalten können. Wahrscheinlich hat er schon geträumt, wie er mich morgens kalt macht und war sauer und enttäuscht, dass er es nicht einfach anstelle des Sex getan hat.

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt