- Kapitel 86 -

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Amara

"Solange du mich aus dem Drogenkram raushältst, lasse ich dich machen. Aber sollte es irgendwelche Probleme geben, dann-"

"Mit wem sollte es ein Problem geben?", unterbreche ich ihn harsch, weil ich das Gefühl bekomme, als würde er mir etwas verschweigen.

Rio schweigt. 

"Doch wohl nicht mit Miguel Jimenez?", hake ich nach und mache mich auf das Schlimmste gefasst. 

"Ihm wird es nicht gefallen.", brummt er. 

"Was bitte soll ihm nicht gefallen? Es geht ihn einen Scheißdreck an, was wir beide machen! Oder möchtest du mir noch etwas anderes sagen?", setze ich ihn unter Druck. 
Mittlerweile bin ich aufgestanden und stütze mich auf dem Tisch zwischen uns ab. 

Rio fährt sich durchs Gesicht.
"Ich kaufe das Gras und ein paar Pillen bei ihm ein."

Nachdem diese Worte seinen Mund verlassen haben, ist es still. So still, dass ich glaube meinen Herzschlag hören zu können und das ich glaube, dass ich das Wasser in den Rohren fließen hören könnte. 
So still, dass ich mir einbilde, dass ich Miguel in Guaymas lachen hören kann. 

Ich setze mich hin. 

Rio schweigt und schaut überall hin, nur nicht in mein Gesicht.

"Das ist nicht dein verfickter Ernst.", spreche ich ruhig und versuche mich zu kontrollieren. 

Er sagt nichts. 

"Das ist nicht dein verfickter Ernst!", wiederhole ich mich lauter und betone jedes Wort. 

"Doch, Amara. Das Angebot war gut und es kam schneller, als deins.", flüstert Rio mit gesenktem Blick. 

"Rio, das ist jetzt nicht wahr.", zische ich und versuche meinen Atem zu kontrollieren. 

"Es tut mir Leid, Amara.", entschuldigt sich dieses elendige Schwein doch tatsächlich bei mir. 

"Oh, aber mir tut es nicht leid, wenn du morgen keinen Kopf mehr hast.", spreche ich falsch und stehe auf, um in seinem Büro auf und ab zu gehen. 

"Warum sollte ich morgen keinen Kopf mehr haben?", versteht er mich nicht. 

"Weil du den Vertrag mit Miguel jetzt kündigen wirst. Und es ist mir scheiß egal, wenn er dich dafür köpft. Bogota kann sehr gut ohne dich, aber vergiss nicht, dass du nicht ohne Bogota kannst.", knurre ich und lege meinen Blazer ab. 

"Amara, das kann ich nicht machen. Miguel wird die Stadt in Schutt und Asche legen.", versucht er mich zu beruhigen. 

"Rio, dann soll er das tun. Du wirst keinen Vertrag mit Miguel eingehen, während ich mein Koks illegal durch seine Favelas im Nordwesten Brasilien transportieren lasse! Ich habe dir verdammt nochmal gesagt, dass wir das zeitnah planen und du Bastard lässt dich von einem Jimenez unter Druck setzen! Einem Jimenez, der nichts, aber auch rein gar nichts mehr besitzt!", brülle ich ihn wütend an und haue vor ihm auf den Schreibtisch. 

Er zuckt kurz zusammen, dann fährt er sich durchs Gesicht. 

"Und soll ich dir noch was sagen? Miguel wird nicht einmal zögern, dir den Kopf abzuhaken. Du brauchst nicht mal mit ihm zu diskutieren. Es wird ihm ein Vergnügen sein, weil du ihm ohnehin ein Dorn im Auge bist.", zische ich ihm entgegen und entferne mich anschließend von ihm. 

"Hast du ihm von meinen Plänen erzählt?"

Rio schaut mich mit großen Augen an, dann schüttelt er seinen Kopf. 

"Rio, ich kann Miguel jetzt sofort anrufen. Und ich bin mir sicher, dass er mir die Wahrheit sagen wird. Hast du ihm von meinen Plänen erzählt?", wiederhole ich mich und zeige ihm mein Handy. 

"Nur, dass du mir Koks angeboten hast.", jammert der Idiot. 

"Und dann? Was hat er dann gemacht?", runzle ich die Stirn. 

"Ja das Gras und ein paar Pillen angeboten.", wiederholt er seine Worte und steht ebenfalls auf. 

Ich lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Wand neben der Tür. Miguel weiß also, dass ich mein Koks an ganz Kolumbien verticke, grätscht mir aber nicht dazwischen und verkauft stattdessen sein Gras?

Wer soll das glauben?

"Weiß Miguel von unserer Strecke? Weiß er, wo wir die Hälfte des Koks hinbringen?", versichere ich mich, dass mein Plan noch immer aufgeht. 

"Nein, ich schwöre es dir. Davon habe ich ihm nichts gesagt.", beteuert Rio. 

Erleichterung macht sich in mir breit. 
"Nimm deine Sachen, wir fahren jetzt zum Revier und klären alles weitere. Aber glaub bloß nicht, dass du so einfach davon kommst. Drehst du noch einmal krumme Dinger hinter meinem Rücken, dann brauchst du gar nicht auf Miguel warten, um geköpft zu werden. Dann übernehme ich das. Und zwar sofort.", knurre ich und greife schwungvoll nach meinem Blazer, der über der Stuhllehne hängt. 

"Amara, ich wusste nicht, dass er nichts mehr hat. Ich dachte, er wäre noch immer einflussreich und-"

"Und was?", unterbreche ich ihn.
"Dass sein Kartell größer ist, als meins und dass ich es eh nicht mit ihm aufnehmen könnte?", lege ich ihm die Wörter in den Mund. 

"Nein, nein das meinte ich doch gar nicht!", will er mich beschwichtigen. 

Ich antworte nicht, sondern stürme aus seinem Büro direkt zu seinem Auto. Xavier folgt mir irritiert, spricht mich jedoch nicht an. Es ist schon interessant, wie arrogant Rio uns noch vor einigen Minuten entgegen getreten ist. Jetzt hingegen geht ihm der Arsch auf Grundeis und er fängt bestimmt gleich an zu heulen. 

Jede Wette wird er weinen wie ein Schlosshund, wenn ich ihn nochmal anschreie. 

Aufgeregt kommt er hinter mir her und will mir die Tür des dicken Wagens aufhalten, doch Xavier kommt ihm zuvor und sieht ihn mit einem vernichtenden Blick an. 

"Danke, Xavier.", murmel ich angesäuert und schaue Rio dabei tief in die Augen.
Soll er doch wissen, dass er sich bei mir nichts mehr kaufen kann. Er hat mein Vertrauen gebrochen und er wird es nie wieder herstellen können. 

Als hätte ich nicht schon genug Probleme, muss ich mich jetzt auch noch darum kümmern, wie ich ihn loswerden kann und vor allem wann. Der Zeitpunkt muss klug gewählt werden, immerhin darf ich mein Geschäft nicht gefährden. 
Und ein sicherer Nachfolger muss bereit stehen, der Rio's Verträge mit mir übernimmt. 

Mein Vater hatte mich gewarnt. 

Misch dich nicht in die Politik ein, Amara. Das gibt nur Ärger, hatte er gesagt. 

Dios, Papa. Hätte ich bloß auf dich gehört. Ich habe keine Zeit mich nun auch noch um die Politik eines Landes zu kümmern, dass kurz vor dem Abgrund steht. Und wie erkläre ich das Miguel, dass ich vermutlich bald länger nach Kolumbien muss?

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now