- Kapitel 15 -

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Miguel
17:02 Uhr

"Ich gehe mal kurz auf die Toilette.", teilt Amara meiner Schwester mit und erhebt sich geschmeidig vom Stuhl.
Sie geht elegant zwischen den Tischen vorbei und als sie an mir vorbei ist, stehe auch ich auf. Es scheint keiner wirklich mitzukriegen, weil mich keiner beachtet, als ich auch aufstehe. Mit schnellen Schritten laufe ich meiner Ex hinterher und fange sie im Waschraum ab.

"Gib mir dein Messer.", fordere ich sie auf und strecke die Hand aus.

Sie bleibt abrupt stehen und schaut mich durch den großen, goldenen Spiegel an.

"Dann leg du deine Waffe ab.", fordert sie als Kompromiss.

Ich muss belustigt auflachen.
"Einen Scheiß werde ich. Das hier ist eine Hochzeit der Familie Jimenez und wenn ich sage, dass du mir das Messer gibst, welches du unter deinem Kleid versteckt hast, dann tust du das."

"Ich kann mich nicht dran erinnern, dass in der Einladung stand 'Waffen verboten'.", spottet Amara und will gerade weitergehen, als ich sie mit einer flinken Bewegung gegen den Waschtisch aus schwarzem Mamor drücke.

Während meine Waffe unter ihren Kinn liegt und ich ihr jederzeit das Hirn rauspusten könnte, verschnellert sich ihr Atem.

"Ich könnte dich hier so leicht abknallen, so wie ich deine beiden Handlanger in meiner Scheune heute morgen abgeknallt habe, aber mir liegt was an meiner Schwester und ich will ihr die Hochzeitsnacht nicht versauen.", flüstere ich bedrohlich und beobachte ihre Reaktion.

"Was willst du, Jimenez.", presst sie zwischen ihren Zähnen hervor.

"Das du dich aus dem Geschäft zurückziehst und mir mein Land zurückgibst.", verlange ich von ihr.

Kurz ist es still, dann gluckst sie leise.
"So läuft das nicht, Jimenez. Du musst es dir schon holen, wenn du es haben willst."

"Außerdem bin ich nicht geschäftlich hier, sondern wegen Sofia und Xavier. Wenn du Geschäfte mit mir machen willst, dann melde dich doch bitte unter der Woche bei mir. Da finden wir bestimmt noch Zeit für ein Meeting.", provoziert sie mich und drückt die Waffe von ihrem Hals.

"Wenn du mich jetzt entschuldigst? Ich muss für kleine Mädchen.", teilt sie mir lächelnd mit und verschwindet dann in einer der Kabinen.

Mit geschlossenen Augen atme ich tief aus und stecke die Waffe zurück in meinen Hosenbund. Nachdem ich mich noch einmal im Spiegel angeschaut habe, verlasse ich die Damentoilette. Amara schafft es immer die Oberhand zu behalten, ohne dabei körperliche Kraft aufzubringen.

Sie weiß genau, was sie sagen muss und wie sie zu sprechen hat, damit man ihr Respekt gegenüber bringt.
Aber was habe ich erwartet?
Sie wäre niemals soweit gekommen, wenn sie noch das unschuldige Mädchen von vor ein paar Jahren wäre.

Außerdem habe ich es ihr damals nicht anders vorgelebt. Ich selber war es, der wollte, dass sie reifer, erwachsener und unerschrockener wird.
Ich habe sie in diese Welt gebracht, ihr diese schreckliche Welt gezeigt und sie hat täglich mitbekommen, mit was für Aufgaben ich konfrontiert werde. Wie unerschrocken ich hilflose Männer, Frauen und Kinder abgeknallt habe und ihr am Ende immer wieder klar gemacht habe, dass es nunmal mein Beruf sei und man nicht gnädig sein darf.

Es wäre niemals so weit gekommen, wie es jetzt gekommen ist. Wenn sie mir damals einfach zugehört hätte und mich hätte ausreden lassen, dann wäre es niemals so weit gekommen. Dann würden wir jetzt zusammen das Land in unseren Händen halten und für Ordnung sorgen und nicht gegeneinander kämpfen und versuchen die Existenz des anders zerstören zu wollen.

Wenn sie mir nur einmal zugehört hätte und damals nicht einfach aus dem Hotelzimmer in Los Angeles verschwunden wäre, dann wäre so vieles anders gelaufen.

Und jetzt sitzt sie mir tatsächlich auf der Hochzeit meiner Schwester gegenüber. Nicht als meine Begleitung, sondern als mein größter Feind. Sie sitzt mir hier gegenüber und macht gute Miene zu bösem Spiel, nachdem sie meiner Familie die Insel weggenommen hat. Und ich kann nicht einmal jemandem etwas sagen, weil ich sonst die Hochzeitsnacht zerstören würde.

Anstatt zu meinem Platz zurück zu gehen, stelle ich mich nach draußen vor die breite Tür der Location und behalte die Damentoiletten im Auge. Mit einem Ohr lausche ich den Wellen, die auf den Sand treffen und mit dem anderen der leisen Musik und den Gesprächen der Gäste, während sie vermutlich den Nachtisch essen.

Ich zünde mir gerade die Zigarette an und puste den ersten Rauch aus, als Amara wieder den Festsaal betritt. Meinen Blick kann ich zum wiederholten Male an diesem Nachmittag nicht von ihr abwenden. Ich weiß, wie es unter dem Kleid aussieht und ich weiß, dass sie unmöglich etwas unter dem seidigen Stoff trägt. Er ist so dünn, dass ich glaube ihre Haut unter meinen Fingerkuppen spüren zu könne, würde ich sie nur einmal berühren dürfen.

Sie sieht mich zwar, dennoch setzt sie ihren Weg an den Tisch fort. Ist sie wohl in demselben Hotel, wie wir es sind? Oder hat sie sich ein anderes Hotelzimmer gemietet?

"Deine Ex setzt dir ganz schön zu, nicht wahr?", stellt mein Onkel fest, während er sich neben mich stellt und sich ebenfalls eine Zigarette anzündet.

"Quatsch, ich überlege nur, wann und wo ich sie am besten kalt mache.", brumme ich.

Er lächelt.
"Seit wann überlegst sowas? Du bist schon lange in diesem Geschäft und müsstest von vorne herein wissen, wann der beste Zeitpunkt für einen Mord ist."

"Weiß ich auch, ich weiß aber nicht, ob sie irgendwann schlafen geht oder die Nacht durch macht. Dann kann ich sie nachts nicht kalt machen, wenn sie nicht schläft.", verdrehe ich die Augen.

"Du willst sie also im Schlaf töten? Seit wann bist so gnädig?", provoziert er mich.

Ich drücke die Zigarette im Sand aus und lasse meinen Onkel draußen zurück. Er muss mir jetzt nicht erklären, wie ich meinen Job zu tun habe.

"Miguel!", ruft er mich zurück.

Genervt drehe ich mich um.

"Tu das nicht. Kläre deine Probleme wie ein richtiger Mann. Sie hat weder unsere Familie angegriffen, noch jemanden von uns umgebracht. Denk an die Worte deines Vaters: Nur ein Tod wird mit einem weiteren Tod bestraft.", zitiert er meinen Vater.

"An diese Worte halte ich mich schon lange nicht mehr.", zische ich und lasse ihn endgültig zurück.
Diese Masche war vielleicht früher wichtig, aber darauf habe ich wirklich schon immer einen Fick gegeben. Wenn mir jemand so dermaßen auf die Eier geht oder meiner Familie auch nur ein bisschen schadet, hat er nichts anderes als den Tod verdient.

Egal ob Mann, Frau oder Kind.

Egal ob Ex oder nicht.

Egal ob Amara Ramirez oder nicht.

Dass sie sich überhaupt hier hin getraut hat, zeigt mir, dass sie keinen Respekt vor meiner Familie hat.

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt