- Kapitel 75 -

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Miguel

"Du bist ganz schön frech geworden.", brumme ich und lehne mich zurück, weil der Kellner mit dem Essen kommt. 
Amara's große Augen entgehen mir nicht, weshalb ich mir ein Lachen verkneifen muss. 

"Das kann ich nicht alles Essen, Miguel.", flüstert sie panische und lässt ihren Blick über die Gambas, Muscheln, Sardinen und Brote wandern. 

"Du musst nicht alles essen, wir können auch etwas mitnehmen.", zucke ich mit den Schultern. Die Teller sind riesig, da hat sich recht. Aber das ganze sieht überwältigender aus, als es ist. 

Ich reiche Amara einen Teller und eine Gabel.
"Hier, bedien dich."

"Dios, Miguel. Das ist viel zu viel.", schüttelt sie ungläubig den Kopf, legt sich dann aber trotzdem drei Gambas auf den Teller. 

"Iss erstmal.", fordere ich sie auf und reiche ihr zwei Scheiben Knoblauch Brot. 

"Feiern wir irgendwas?", witzelt sie leise und lässt sich von mir Muscheln auf den Teller legen. 

"Uns.", zucke ich mit den Schultern und befülle meinen eigenen Teller. Muss man immer etwas feiern, nur weil man Essen geht?

"Uns also.", kichert sie leise und schiebt sich Knoblauchbrot in den Mund.
"Hm, das ist das beste Knoblauchbrot, was ich je gegessen habe!"

"Sag ich ja.", zwinkere ich ihr zu. 
Ich liebe es, sie glücklich zu sehen. Wenn sie strahlt, dann glänzen ihre Augen noch tausend mal stärker und das helle blau, wird noch heller.
Wie das Meer in der Karibik. 

Ich bin stolz, dass sie so selbstbewusst und erwachsen geworden ist. Aber trotzdem bleibt sie immer das kleine Mädchen, dem ich damals vor der High School einen Besuch abgestattet habe. Ds Mädchen, dass viel zu unschuldig war. Das Mädchen, das keiner Fliege was zu Leide tun konnte und wollte. 

Und das Mädchen, das in allem immer das positive gesehen hat. 

Sie war die erste Person, die dafür gesorgt hat, dass ich meine Arbeit überdenke. Als sie da war, war mich nicht danach Leute zu ermorden. Sie hat mich gnädiger gemacht, verletzlicher. Zum ersten Mal habe ich meine Arbeit auf Eis gelegt, weil mir ihr Wohlbefinden wichtiger war.


16:01 Uhr

"Ich brauche die nächsten drei Tage nichts mehr essen, ich bin pappsatt.", stöhnt Amara, als wir die Kirche verlassen. 
Ich habe Hugo gerade sein Essen gebracht, bevor wir zurück in die Wohnung gehen. 

"Kein Nachtisch mehr?", lache ich, woraufhin sie ihre Augen verdreht. 

"Nein, ich bin wirklich voll.", winkt sie ab. 

Ich muss schmunzeln, weil sie meinen Wink mit dem Zaunpfahl nicht versteht. Belustigt lege ich meinen Arm um ihre Taille und ziehe sie näher an meinen Körper. Es ist kurz nach vier und wir haben den ganzen Nachmittag am Strand gesessen, Cocktails getrunken und gelacht. 

Noch nie habe ich so oft und lange gelacht, wie mit Amara. 

"Du kannst ruhig öfter lachen, das steht dir.", bemerkt sie gedankenverloren und scheint meine Gedanken lesen zu können. 

"Leider ist mir nicht so oft nach Lachen zu Mute.", erwidere ich keck und küsse ihren Haaransatz. 

Mein einfacher Satz bringt sie zum Lachen. 
"Das war gar nicht witzig.", bemerkt sie schnell, kichert aber trotzdem. 

Grinsend, ohne etwas zu erwidern führe ich sie zu meiner Wohnung. Der letzte Cocktail war einer zu viel, aber ich kann es ihr nicht verübeln.
Die Margaritas sind hier einfach die besten. 

"Du musst mir unbedingt auch mal diese Mojitos mit Erdbeeren machen!", schwärmt sie noch immer lachend. 

"Aber Alkoholfrei.", füge ich an und schließe die Wohnungstür auf. 

"Warum? Du trinkst auch immer Alkohol. Gehört das nicht zu unserem Beruf?", ärgert sie mich und kneift mir in die Seite. 

Schnell greife ich nach ihrem Handgelenk.
"Vorsicht.", ermahne ich sie spaßeshalber. 

Ein leichtes Lächeln liegt auf ihren Lippen, während sie mir in die Augen schaut und den Blick nicht von mir nehmen will. 

"Warum? Kannst du dir Wahrheit nicht ertragen?", provoziert sie mich, woraufhin ich sie in die Wohnung schiebe. 

"Du solltest mich nicht ärgern, mi Amor.", erkläre ich ihr und schließe die Tür. Erschöpft knöpfe ich mein Hemd auf und laufe Amara hinterher, die sich aus dem Kühlschrank ein Stück Schokolade nimmt. 

"Du ärgerst mich auch immer.", merkt sie an und setzt sich auf die Küchentheke.

"Ich darf das auch.", grinse ich und nehme ein Schluck kaltes Wasser, während ich mich seitlich an die Küchentheke lehne, um eine bessere Sicht auf Amara zu haben. Langsam schiebt sie die Schokolade in ihren Mund und leckt anschließend ihren Daumen und Zeigefinger ab. 

Schnell nehme ich noch einen Schluck Wasser und drehe mich dann weg, weil ich genau weiß, was sie vor hat. 
Sie will mich quälen. 

"Ruh dich aus, ich muss noch arbeiten.", murmel ich und verlasse die Küche. 

"Ich bin aber gar nicht müde.", ruft sie mir hinterher. 
Ich höre, wie sie von der Küchentheke hüpft und mir auf den Balkon folgt.

Während ich den Laptop aufklappe und mich hinsetzen will, schlingt sie ihre Arme um meinen Oberkörper und drückt sich an mich. 
"Das war schön heute, danke.", flüstert sie. 

"Ich fand es auch sehr schön.", stimme ich ihr zu und drehe mich um, sodass sie sich an meine Brust drücken kann.

"Musst du arbeiten?", flüstert sie mit müder Stimme. 

"Ein bisschen schon.", flüstere ich genauso leise zurück. 

Amara seufzst. 
Langsame schiebe ich sie zur Sitzecke auf dem Balkon und hole dann meinen Laptop. Vorsichtig klopfe ich auf meine Oberschenkel, woraufhin sie sich hinlegt und ihren Kopf auf mir ablegt. 

Jetzt kann sie schlafen und ich kann arbeiten.


La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now