- Kapitel 21 -

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Amara
13:45 Uhr

"Wie war es?", begrüßt mich mein Bruder überstürzt und nimmt mir meine Reisetasche ab.

Erschöpft schiebe ich den Blazer von meinen Schultern und lasse meinen Nacken kreisen.
"Überraschend ruhig."

"Er hat also nichts gemacht?"

"Nichts, was mich oder uns in Gefahr gebracht hätte.", erkläre ich ihm. Er hasst es, wenn ich ihn anlüge, deshalb tue ich es nicht. Ich verpacke es einfach nur gut. Außerdem muss mein kleiner Bruder nicht wissen, dass ich Sex mit Miguel Jimenez hatte.

"Überrascht mich.", runzelt er die Stirn und folgt mir dann in die Küche.

Ohne etwas zu erwidern, nehme ich mir stilles Wasser aus dem Kühlschrank. Auch wenn ich arbeiten müsste, habe ich keine Lust. Miguel sieht immer noch so verboten gut aus und von seinem Körper will ich gar nicht erst anfangen.

"Du bist ganz schön abwesend. Was ist passiert?", mischt sich nun auch Pino ein, der schmunzelnd um die Ecke kommt uns sich neben meinen Bruder an die Küchentheke lehnt.

"Dios, nichts ist passiert. Ich bin nur k.o von der Feier und der langen Fahrt.", winke ich ab und trinke einen großen Schluck Wasser.
Das die beiden auch nie Ruhe geben können....

"Hast du nochmal mit Gustavo gesprochen?", wechsle ich absichtlich das Thema, auch wenn ich gerade gar nicht darüber sprechen will.

"Ja. Es ist soweit alles in trockenen Tüchern. Du brauchst die keine Sorgen zu machen.", beschwichtigt mich Pino.

"Und Miguel? Was hat der damit zu tun?", runzle ich die Stirn.

Er winkt ab.
"Ach Miguel. Der will nur mitmischen und uns Angst einjagen."

"Aber er hat Kontakt zu der Opposition! Man hat ihn in Kolumbien gesehen, letzte Woche erst!", mache ich ihm klar, dass er Miguel bloß nicht unterschätzen soll. Ich glaube noch nicht dran, dass er kurz vor dem Ruin steht.

Erst wenn er auf Knien zu mir angekrochen kommt und mich um Unterstützung anfleht, dann vielleicht.

"Er hat doch gar nicht mehr so viel Geld.", versteht Pino meine Aufregung nicht, sodass ich hysterisch auflachen muss.

"Kein Geld, sagst du? Wenn die Familie Jimenez kein Geld mehr hat, dann reden sie über 100 Millionen, die sie noch auf den Konten haben. Verstehst du mich jetzt?", werde ich wütend.

"Das wusste ich nicht, Amara. Ich dachte, er sei kurz vor der Pleite.", entschuldigt sich Pino.

"Ein Jimenez ist erst kurz vor der Pleite, wenn er seinen BMW in einen Chrysler umtauscht.", fauche ich und umfasse das Wasserglas fester. Seufzend fahre ich mir durchs Gesicht und erhebe mich vom Stuhl.

"Ich bin arbeiten. Pino du achtest weiter darauf, was Miguel treibt und Jasper kümmert sich um die Finanzen. Um 16 Uhr treffen wir uns hier und beerdigen Mila und Rebecca.", nenne ich ihnen den Tagesplan und lasse sie in der Küche stehen.

Was denken die beiden eigentlich?
Das es ein Kinderspiel war, Miguel so weit zurückzudrängen? Das ich das mit links gemacht habe? Das sie das auch aus ihrem Kinderzimmer heraus geschafft hätten?

Miguel soll mich anflehen und um Vergebung bitten, bevor ich seine Familie in den Abgrund stürze. Wimmern soll er, weil ich ihn büßen lasse, dass er meine Mutter umgebracht und meine Familie ruiniert hat. Weil er mich aus meinem Leben gerissen hat und mir all die Jahre nicht ein einziges Mal Respekt entgegen gebracht hat.

Während ich kurz auf mein Handy schaue, springt mir eine Nachricht von Sofia ins Auge.

Miguel hat dir nichts getan, oder?

Ich muss schmunzeln. Nichts, was mir geschadet hat.
Mir schießen die Erinnerungen an letzter Nacht durch den Kopf. Es ist nicht dabei geblieben, dass ich ihn gevögelt habe. Sowas lässt Miguel ganz sicher nicht auf sich sitzen. Fast die ganze Nacht konnte er die Hände nicht von mir lassen und sein Mund hat fast jeden Zentimeter meines Körpers geküsst.

Ich entscheide mich dafür sie direkt anzurufen.

"Hey, Amara. Geht es dir gut?", fragt sie direkt.

"Aber klar, dein Bruder war artig."
Fast muss ich lachen, weil es so nicht stimmt. Er war artig, ja. Aber nicht hinter geschlossenen Türen.

"Das erleichtert mich."
Man merkt an Sofias Ton, dass die Anspannung von ihr abfällt.

"Ich hätte mich gerne von die verabschiedet, aber die Pflicht ruft. Und ich wollte dich wirklich nicht so früh wecken.", entschuldige ich mich bei ihr.

"Mach dir keine Gedanken. Wir sind am Wochenende in Chilpancingo, Miguel hat dort einen Geschäftstermin, da können wir gerne was essen gehen?", fragt sie mich, doch mir geht die Stadt nicht aus dem Kopf, die sie zuvor genannt hatte.

"Chilpancingo?", frage ich nervös nach.

"Ja. Das ist doch nicht weit von dir, oder bist du zurück in Sinaloa?"

"Nein. Ich bin in Acapulco. Zur Zeit. Ich weiß nicht, wie es am Wochenende aussieht.", erkläre ich ihr räuspernd.

Was will Miguel am Wochenende in Chilpancingo? Diese Stadt ist keine zwei Stunden von meinem Anwesen entfernt.

"Dann schreib mir doch einfach.", lässt Sofia nicht locker.

"Klar, mache ich. Bis dann.", lege ich schnell auf.
Fassungslos lasse ich mich in meinen Bürostuhl fallen und starre auf die große, dunkle Tür.

"Pino!", rufe ich laut und öffne meinen Laptop.

"Ja?"

"Miguel ist am Wochenende in Chilpancingo.", teile ihm mit.

Er runzelt die Stirn.
"In Chilpancingo? Was will er denn da? Vor allem am Wochenende? Das sind keine zwei Stunden von hier."

Ich nicke.
"Das ist das Problem. Sprich mit Jasper, er soll dir helfen den Grund herauszufinden."

"Wir müssen die Sicherheit am Wochenende hier erhöhen. Nicht, dass er denkt er könnte uns angreifen, wenn wir unseren Sieg feiern."

"Das traut er sich nicht, Amara.", widerspricht Pino mir.

"Soll ich dir erzählen, was er sich aber doch alles traut?", frage ich provokant und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Pino braucht nicht denken, dass wir Miguel haushoch überlegen sind. Wir sind aktuell mächtiger, aber die Gefahr, die von Miguel ausgeht, ist noch immer aktuell.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now