- Kapitel 62 -

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Amara

"Die Luftfeuchtigkeit ist hier so hoch.", beschwere ich mich, weil der Stoff meiner Kleidung an meinem Körper klebt.

"Deshalb gehst du im Winter nach Acapulco?", lacht Miguel leise und hebt meine Reisetasche und seinen Koffer in den Kofferraum des Wagens, bevor er mir die Beifahrertür aufhält und sich noch eine Zigarette ansteckt.

"Ja. Entweder ist die Luftfeuchtigkeit hier zu hoch oder es ist bewölkt.", erkläre ich ihm und ziehe meinen Blazer aus.

"Zieh den-"
Er unterbricht sich selber.

"Kannst du bitte den Blazer wieder überziehen? Oder ein Shirt? Das mit der Spitze ist vielleicht etwas viel.", formuliert er es freundlicher.

Ich lächle leicht.
"Klar, kannst du mir aus meiner Tasche ein Shirt geben?"

Er scheint überrascht zu sein, dass ich nicht diskutiere. Aber wenn er es freundlich ausspricht und mich darum bittet, anstatt mich zu zwingen, ist das kein Problem.

"Klar.", nickt er schnell und verschwindet hinter dem Auto.

Ich glaube, dass es für ihn nie einen Grund gab, freundlich zu sein. Egal wie er sich verhalten hat, er hat immer alles bekommen. Und auch wenn er freundlich war, hat ihn das in diesem Beruf nicht weitergebracht.

"Hier."
Miguel hält mir ein schwarzes Shirt hin und natürlich entgeht mir nicht, dass es ihm gehört.

"Danke."

"Was grinst du so?", fragt er belustigt und zieht an seiner Zigarette.
Ich winke ab, bevor ich mir sein Shirt überziehe.

"Versteh mich nicht falsch, du siehst toll aus. Auch dein Outfit. Und mit dem Blazer ist das auch kein Problem, aber nur mit dem Spitzenbody. Ich weiß, eigentlich hat ein Mann einer Frau nicht vorzuschreiben, was sie zu tragen hat. Und das will ich auch nicht, also wenn du das so tragen willst, dann ist das auch in Ordnung. Nur vielleicht-"

"Miguel, entspann dich. Es ist alles gut. Eigentlich wäre es eher komisch, wenn du nichts sagen würdest.", lache ich, weil er irgendwie überfordert ist.
Man merkt, dass er mir alles recht machen will und mir meine Selbstständigkeit nicht wegnehmen will.

"Nicht, dass du denkst, dass ich wieder über dich bestimmen will.", rechtfertigt er sich und drückt die Zigarette auf dem Kiesboden aus.
Ich erwidere nichts mehr, weil er ja irgendwie recht hat. Frauen mögen es sich, wenn man über sie bestimmt.

"Dann wollen wir mal los."
Miguel klatscht zwei mal in die Hände und geht um die Motorhaube herum, dann lässt er sich ins Auto fallen und schließt die Tür.

"Wir fahren jetzt erst nach Los Mochos, da habe ich 'nen Dealer sitzen. Wir müssen über die Expandierung auf die kleinen Inseln vor Mexiko reden, er soll das koordinieren.", erklärt er mir und fährt viel zu schnell über den Hof seines Anwesens.

Mir ist schon bei unsere zweiten Begegnung aufgefallen, dass er die Tempolimits gerne mal übersieht.

Absichtlich.

Aber er braucht sich auch schließlich keine Sorgen machen, weil die Polizei, weil sogar die gesamte Justiz unter seiner Hand liegt. Niemand würde sich trauen ihn anzuhalten oder ihm den Führerschein abzunehmen.

Sie sagen ja nicht mal was, wenn er unschuldige Frauen und Kinder abknallt.

"Wir müssen auch bald mal über Bogota sprechen. Die Leute warten auf die Veränderungen, die ich versprochen habe.", erinnere ich ihn, das wir wirklich zeitnah verhandeln müssen.

"Um Bogota kümmerst du dich. Da halte ich mich raus."

"Was soll das heißen? Vor drei Tagen wolltest du Bogota noch ganz für dich allein und jetzt gehört es plötzlich mir?"
Ich kann seinen Sinneswandel nicht ganz nachvollziehen. Plant er wieder was?

"Ich will Bogota immer noch. Du sollst dir nur erstmal alleine Gedanken machen und mir deine Entscheidungen dann mitteilen. Vielleicht können wir uns auch so einigen, dass Bogota für mich keine Rolle mehr spielt. Da wäre es doch schade, wenn ich im Vorfeld mitreden würde."

"Tu nicht so. Bogota ist für dich fast noch wichtiger als für mich, weil du deine Routen dann über Kolumbien bis nach Brasilien ausweiten kannst. Du müsstest nicht mehr den überteuerten Seeweg wählen, das würde dir eine Menge Kohle einsparen. Kohle, die du dringend brauchst, seitdem der Süden und Westen an mich gefallen ist.", spreche ich arrogant.

Glaubt er, ich bin dumm?

"Wenn du das sagst.", zuckt er unbekümmert mit den Schultern.

Was ist er denn jetzt so?

"Kolumbien bringt mir rein gar nichts, wenn die ganze anderen Staaten zwischen Mexiko und Kolumbien nicht mitspielen. Und dir im Übrigen auch nicht, verstehe nicht, warum dir das Land so wichtig ist."
Miguel hat de Stirn in Falten gelegt und schaut ernst durch die Windschutzscheibe auf die flackernde Straße.

"Oder hast du etwas auch mit denen geschlafen?", witzelt er.

"Ja.", lüge ich ihn an, weil er mir eine gute Vorlage gegeben hat.

Er schaut kurz zu mir herüber und legt dann seine rechte Hand mit starkem Griff auf meinen Oberschenkel.
"Provozier mir nicht.", knurrt er und verstärkt den Griff.

"Du hast angefangen.", verteidige ich mich hilflos und lege meine Hand auf seine, die er sofort umschließt.

"Kein Grund mich eifersüchtig zu machen."
Seine Stimme hört sich gekränkt an und plötzlich kriege ich ein schlechtes Gewissen. Ich wollte nur einen Spaß machen, aber anscheinend hat es ihn verletzt.

"Das war nur ein Witz, tut mir Leid. Er war unangebracht.", entschuldige ich mich und nehme seine Hand in meine beiden Hände, um mit seinem silbernen Ring zu spielen.

"Ich werde es überleben. Aber du musst an deinen Witzen arbeiten. Ein Witz soll ja auch schließlich witzig sein."

Augen verdrehend boxe ich gegen seinen Oberarm, während er nur weiterhin leise lacht.
"Ja, mach du dich ruhig weiter lustig. Du wirst schon sehen."

"Was willst du tun? Deinen Politiker-Freund auf mich hetzen? Er sieht im übrigen genauso aus, wie ich mir deinen Freund vorgestellt habe.", wechselt er das Thema.

"1. Ist er nicht mein Freund. Nur eine kurze Affäre, damit ich Kolumbien in der Hand habe.", verteidige ich mich.

"Und 2.?", übergeht Miguel belustigt meine Worte.

"2. Will ich niemanden auf dich hetzen.", brumme ich.

Miguels Hand liegt noch immer in meinem Händen und ich spiele noch immer mit dem Ring an seinem Finger. Zwischendurch betrachte ich die Adern unter seinem Tattoo, die unter dem hochgeschobene Hemdärmel hervorkommen.

"Wie hast du ihn dir denn vorgestellt?"

Miguels breites Grinsen verrät mir, dass er genau wusste, dass ich danach fragen werde.
"Beige-farbene Chino-Hose, blaues Polohemd, braune Haar. Aber keine Haare mit Volumen, sondern einfach nur platt auf seinem Kopf. Also wie dein Politiker-Freund.", lacht er.

Auch ich muss lachen, weil er wirklich genauso aussieht. Nicht, dass ich auf sowas stehe. Er war ja sowieso nur Mittel zum Zweck. Und Privat trägt er das ja auch nicht immer. In der Öffentlichkeit hat er ja sowieso meistens einen Anzug an, da konnte ich über den schlechten Geschmack hinweg sehen.

"Gut, in Ordnung. Du hast recht.", spreche ich außer Atem vor Lachen.

"Dios, darauf habe ich mein ganzes Leben gewartet. Dass du mir recht gibst. Jetzt kann ich sterben.", witzelt er und rutscht etwas tiefer in den Sitz.

Schmunzelnd schauen wir beide schweigend auf die Straße.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now