- Kapitel 93 -

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Amara

"Ich hatte meine Waffe dabei.", verteidige ich mich.

Miguel knallt das Whiskeyglas auf die Tischplatte und steht auf. Mit schnellem Herzschlag scanne ich seine Bewegungen. Er kommt mit großen Schritten auf mich zu und ich schaue ihn abwartend an, doch er sagt nichts.

Er schaut an mir vorbei und lässt es sich nicht nehmen mich anzurempeln.

"Keine Ahnung was du jetzt machst, aber ich gehe wieder ins Bett.", brummt er abweisend und verschwindet im Schlafzimmer.

Als er die Tür ins Schloss knallt, zucke ich zusammen.
Erschöpft kneife ich die Augen zusammen.

Ich weiß, dass er mich nicht kontrollieren will, sondern mich beschützen will.

Er hat seine Mutter verloren, weil er nicht aufgepasst hat und ich bin mir sicher, dass er sowas kein zweites Mal erleben will.

Langsam und vorsichtig laufe ich zum Schlafzimmer und drücke die Klinke herunter.
"Miguel?", flüstere ich in das fast dunkle Zimmer.

Die Sonne geht gerade auf und erhellt das Zimmer in einem leichten Orangeton.

"Jetzt nicht, Amara.", erwidert er mit rauer Stimme.
Er liegt zwar mit dem Rücken zu mir, doch im Fenster spiegelt sich sein Gesicht.

"Ich musste mal den Kopf freikriegen und dachte-"

"Ich hab gesagt jetzt nicht.", wiederholt er sich energischer und schließt die Augen.

Enttäuscht schließe ich die Tür hinter mir und lege mich zu Miguel ins Bett. Er ist sauer, weil ich ihm nicht Bescheid gegeben habe. Und tatsächlich kann ich das verstehen.

"Ich will dich nicht kontrollieren oder dich beschatten. Aber du musst mir Bescheid geben, ich mache mir höllische Sorgen.", ergreift er nun doch das Wort, nachdem ich mich hingelegt und das Kopfkissen gerichtet habe.

"Ich dachte, wenn ich dir Bescheid gebe, willst du mitkommen oder lässt mich nicht gehen-"

Sein belustigtes Schnauben unterbricht mich.
"Wenn du Abstand von mir willst, dann sag mir das und ich verlasse diese Wohnung. Es geht mir nicht darum, dass du alleine sein wolltest. Es geht mir darum, dass du mich angelogen hast, um mich in gewisser Weise loszuwerden.", spricht er gekränkt.

"Ich will dich nicht loswerden.", flüstere ich kopfschüttelnd.

Ich warte lange auf eine Antwort von Miguel, doch bekomme keine mehr. Er hat die Decke höher gezogen und die Augen geschlossen. Dass er nicht schläft, ist mir klar. Stattdessen signalisiert er mir, dass er nun derjenige ist, der seine Ruhe haben will.


09:12 Uhr

"Frühstück ist fertig."

Das Klopfen am Türrahmen und Miguels laute Stimme lassen mich aus meinem Schlaf hochschrecken. Als sich meine Augen ans Licht gewöhnt haben, ist er bereits verschwunden. Seufzend richte ich mich auf und fahre mir durchs Gesicht. Mein Schädel brummt und ich weiß nicht mal wieso.

Draußen scheint die Sonne auf den Strand und einige Leute machen bereits Sport in der Morgensonne.
Mich würde es nicht wundern, wenn Miguel heute auch schon am Strand gejoggt ist.

Erschöpft laufe ich zu Miguel ins Esszimmer und stelle fest, dass er den Tisch auf dem großen Balkon gedeckt hat.
Kaffee, Orangensaft, Croissant, Marmelade, Eier.

"Sieht lecker aus.", kündige ich mich an, damit er sich nicht erschreckt.

Er zieht noch ein letztes Mal an seiner Zigaretten, dann legt er sein Handy weg und drückt seine Zigarette in seiner Handfläche aus.
Er macht das immer dann, wenn er jemandem zeigen will, wie überlegen er ist.

Keine Miene verzieht er dabei.

"Setz dich.", fordert er mich auf und legt mir gleichzeitig ein warmes Croissant auf den Teller.

"Danke.", murmel ich und lasse mich auf den Stuhl neben ihn fallen.

"Wir fahren um 11 Uhr weiter.", teilt er mir mit und beschmiert sein Croissant mit Butter und Marmelade. Er trägt eine kurze, lockere Hose, aber kein Shirt.

"Warst du Joggen?", räuspere ich mich, weil mein Blick auf seine Sportschuhe fallen, die im Flur stehen.

"Ja.", erwidert er kurz.

Seufzend lege ich das Messer auf den Teller und lehne mich mit verschränkten Armen zurück.
"Ich weiß, dass es falsch war heute Nacht einfach rauszugehen."

"Falsch?", wiederholt er meine Worte.
"Das war nicht nur falsch, das war lebensgefährlich.", fügt er hinzu.

Ich wende meinen Blick von ihm ab, weil er mich so intensiv anstarrt.

Verunsichern will er mich.

"Amara ich glaube du hast noch gar keine Ahnung was für einen Job du da eigentlich machst. Wenn du deinen Laptop schließt, dann kannst du nicht einfach wieder Amara sein und unter Leute gehen und Nachts am Strand hocken oder in irgendwelche Clubs gehen oder was auch immer. Wenn du deinen Laptop schließt, dann bleibst du für einige Leute da draußen Amara Ramirez, die Frau die den Süden und Westen dieses Landes unter Kontrolle hat. Das Geschäft kennt keine Arbeitszeiten, hörst du? Deine Feinde sind überall und es interessiert sie nicht, wie viel Uhr es ist.", erklärt er mir energisch.

"Warum erzählst du mir eigentlich immer so viel von meinen Feinden? Ich kenne meine Feinde oder weißt du mehr als ich?", zicke ich ihn an.

Miguel seufzt erschöpft.
"Du nimmst dir von mir nichts an. Ich kann alles versuchen, aber willst dir von mir partu keine Ratschläge annehmen, warum?"

Ich schaue auf meinen Schoß und erwidere nichts.

"Ist es, weil du mir noch immer einen Auswischen willst? Willst du mir zeigen, dass ich dich damals eigentlich schon für immer verloren habe? Was willst du mir zeigen, Amara? Hast du Angst, dass du deine Unabhängigkeit an mich verlieren könntest? Weil ich dir helfen will?"

"Du gehst doch auch alleine raus!", übergehe ich seine Worte absichtlich.

"Amara, ich bin ein Mann. Und auch wenn ich der Meinung bin, dass Frauen die gleichen Rechte haben müssen wie Männer, sind einige Länder auf dieser Welt noch nicht so weit und fortgeschritten wie ich es bin, wie der Großteil in Amerika oder Europa das ist, hörst du? Ich möchte für dich auch, dass du dich frei bewegen kannst. Und das könntest du auch, wenn du nicht diesen Beruf gewählt hättest, comprende?", will er mich aufklären.

"Du könnest dich hier auch frei bewegen, wenn du einen anderen Job gewählt hättest. Aber du bist nunmal eine Zielscheibe wegen deines Berufs und zusätzlich bist du eine Frau. Und Frauen kann man leichter überwältigen. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich ein Arschloch bin und die typische Vorurteile gegenüber Frauen habe, sondern einzig und alleine daran, dass das Anatomie ist und wissenschaftliche Fakten sind.", beendet er seinen Monolog.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now