- Kapitel 11 -

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Miguel
09:23 Uhr

"Leg doch mal dein Handy weg, du bist im Urlaub, Miguel.", erinnert mich Xavier beim Frühstück.
Seufzend lege ich es aus der Hand und trinke einen Schluck von dem starken Kaffee. Wir sitzen irgendwo am Strand, damit Xavier seiner Verlobten nicht über den Weg läuft und die Ehe unter keinem schlechten Stern steht.

Sofia ist da sehr abergläubisch, aber was soll's.

"Ich habe irgendwie so ein komisches Gefühl.", räuspere ich mich und stecke eine neue Zigarette zwischen meine Lippen.
Auffordernd halte ich Xavier meine Hand hin, damit er mir das Feuerzeug reicht.

"Was denn für ein komisches Gefühl?", hakt er nach und legt mir das schwarze Stück Plastik in die Hand.

"Als würde heute irgendwas passieren.", nuschel ich mit der Zigarette im Mundwinkel, während ich sie anzünde.

"Was soll denn passieren, außer dass ich deine Schwester heute endlich zur Frau nehme.", runzelt er die Stirn.

"Was weiß ich, ich hab eben so ein dummes Gefühl.", werde ich ungeduldig.
Was stellt er mir denn für komische Fragen?
Er weiß genau, dass mich mein Bauchgefühl noch nie getäuscht hat.

"Du bist einfach nur angespannt, weil Sofia nicht mehr den Nachnamen deiner Familie trägt sondern meinen.", macht er sich lustig und trinkt einen Schluck Kaffee.

Ich zucke mit den Schultern und drücke die Zigarette im Sand aus, bevor ich mir zwei Weintrauben nehme.
Während ich die kleinen Früchte nachdenklich zwischen meinen Fingern herschiebe, kommt mir immer wieder Amara's Gesicht in den Sinn. Natürlich habe ich sie das ein oder andere Mal auf Bildern gesehen oder zum Beispiel im Fernsehen, weil sie mit diesem komischen Politiker eine Affäre hatte.
Aber wie sie wohl aussieht, wenn sie direkt vor mir steht?

Irgendwann wird es dazu kommen, spätestens nächste Woche bei den Wahlen in Kolumbien. Da wird sie mir nicht aus dem Weg gehen können und sie braucht verdammt gute Bodyguards, damit ich sie nicht kalt mache.

"Komm, wir müssen los. In drei Stunden ist die Trauung und wie ich meine Mutter kenne, dreht sie schon fast durch, weil ich immer noch nicht im Hotel bin.", schmunzelt Xavier und legt dem Kellner ein paar Scheine auf den Tisch.

Ich schiebe mir die Weintrauben in den Mund und nehme mir für den Weg noch eine handvoll mit, dann folge ich meinem besten Kumpel zurück ins Hotel. Heute ist ein schöner Tag. Die Schleierwolken und der Sturm sind endlich vorrüber gezogen und lasse die Sonnenstrahlen direkt auf die Köpfe der Menschen strahlen.

Auch wenn ich nicht lange bleiben werde, genieße ich es hier. Ich bin schon lange nicht einfach mal so hier gewesen, sondern immer nur um zu Arbeiten. Die Isla Mujeres ist ein wichtiger Teil Mexikos für mich, wenn ich weiterhin das Land in meiner Hand haben will.

Jeder weiß, dass mir die Insel gehört und keiner wird auf die Idee kommen hier herumzuspionieren.
Und trotzdem sagt mir mein Bauchgefühl, dass sich jemand auf dieser Insel befindet, der hier besser nicht sein sollte.

"Ich muss mal telefonieren, geh du schonmal vor. Wir sehen uns dann heute Mittag.", teile ich Xavier kurz vor dem Hotel mit.
Skeptisch dreht er sich um, nickt dann aber vorsichtig und geht weiter.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und rufe Theo an, der in Culiacan die Stellung hält, während wir weg sind.

"Miguel, ist alles in Ordnung?", meldet er sich gehetzt und ich höre im Hintergrund ein genervtes, weibliches Seufzen.

"Theo, du sollst auf das Haus aufpassen und es nicht in jeder freien Minuten mit der Haushälterin treiben!", zische ich wütend.

"Ich mache gar ni-"

"Geh mal in mein Büro. Jetzt.", unterbreche ich diese aussichtlose Diskussion.
Er hält mich wirklich für dumm.

"Bin da.", ertönt es nach kurzer Zeit.

"Du musst überprüfen wo sich Eduardo gerade aufhält.", beginne ich.

"Und du musst auch überprüfen, ob Amara bei ihm ist.", beende ich meine Aufforderung.

Theo gluckst belustigt.
"Amara? Die Amara? Amara Ramirez?"

"Ja, genau die Amara. Amara Ramirez.", brumme ich unfreundlich und laufe durch eine kleine Gasse in Richtung meines Lagers am Ende der Insel.

"Warum willst du das wissen?"

"Weil sie mir verdammt nochmal gefährlich werden kann. Und wenn sie immer noch mit Eduardo zusammenarbeitet, dann wird hier niemand heiraten, bevor ich nicht weiß wo die beiden sich aufhalten!", fauche ich und knöpfe mein Hemd etwas auf.

"Du denkst, dass die beiden euch heute versuchen werden anzugreifen.", stellt er teilnahmslos fest.

Ich nicke, auch wenn er das nicht sehen kann.

"Ich kümmere mich, Boss. Gib mir ne halbe Stunde.", teilt er mir mit und verabschiedet sich.

Angespannt stecke ich mein Handy zurück in die Anzughose und schließe die Tür zu der alten Scheune auf.
Vorsichtshalber greife ich nach meiner Waffe, die im Hosenbund steckt, bevor ich die Tür zur Seite schiebe.

Drei meiner Männer richten ihre Maschinenpistolen auf mich, bevor sie mich erkennen.

"Boss.", spricht einer vorwurfsvoll, woraufhin alle ihre Waffen wieder herunter nehmen.

"Gibts was neues?", spare ich mir eine Begrüßung und laufe durch die Scheune. Es sieht alles noch so aus wie vor ein paar Wochen. Keine besonderen Auffälligkeiten, bis auf eine junge Frau und ein kleines Mädchen, die in der Ecke gefesselt am Boden sitzen.

Ich bleibe einige Meter vor den beiden stehen und mustere sie.

Braune locken, Dreck im Gesicht, eine aufgeplatzte Schläfe und glänzende Haut.

"Wer ist das.", frage ich unbekümmert und und ziehe meine Waffe aus dem Hosenbund.

"Die beiden haben vor einigen Tagen hier rumgeschnüffelt.", erklärt mir einer meiner Handlanger.

Ich atme tief durch und mache einige Schritte auf die Frau zu, die mir ängstlich in die Augen schaut.

Als ich ihr Kinn zwischen Finger nehme, quiekt sie ängstlich auf.
"Hat man dir nicht beigebracht, dass man in Mexiko besser nicht zu neugierig ist?"

Tränen bilden sich in ihren Augen, als ich meine Waffe entsichere.

"Du bist hübsch, aus dir hätte so viel werden können.", flüstere ich und beäuge noch einmal ihr Gesicht.
"Und deine Tochter. Noch so jung.", schüttel ich fassungslos den Kopf.

Sie kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht wo ich die beiden schon einmal gesehen haben könnte.
Dann fällt mir ein kleines Tattoo am Oberarm der Frau auf.

"Nicht wahr, oder?", lache ich und winke meine Männer zu mir heran.

"Ihr gehört zu Eduardo?", stelle ich beiden eine Frage und drehe mich belustigt um. Sie braucht gar nicht antworten, mir ist bewusst, dass ich recht habe.

Ich reiße ihr das Klebeband von den Lippen.

"Amara Ramirez hat das Kartell übernommen. Wir gehören zu Amara Ramirez.", erklärt sie erschöpft, doch sorgt dafür, dass mir das Blut in den Adern gefriert.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now