- Kapitel 87 -

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Amara

"Mit wem hast du noch Kontakt?", frage ich Rio aus, während wir zum Polizeirevier fahren.

"Mit niemandem. Nur mit Miguel.", erklärt mir Rio. 

Xavier wird aufmerksam, als der Name seinen besten Kumpels genannt wird, sodass wir uns durch den Rückspiegel kurz anschauen. 

"Dann will ich hoffen, dass wir da gleich ohne Probleme wieder rausmarschieren.", erhöhe ich den Druck auf ihn und schaue aus dem Fenster. Die Kinder, die auf den Straßen spielen, werde irgendwann für mich arbeiten.

Das steht heute schon fest. 

Es sei denn, sie haben eine Chance auf Bildung. 

Kolumbien ist wichtig für mein Geschäft. Ganz Mittelamerika ist Lierferverträge mit mir eingegangen, nur Kolumbien fehlte mir noch. Der Grund dafür sind die Kosten. Der Seeweg von Mexiko nach Brasilien ist lang und unvorteilhaft, dazu würde sich ein Verkauf aufgrund der steigenden Rohölpreise kaum rentieren. Der Landweg ist günstiger, sicherer und deckt viele Länder ab. Sollte ich mein Koks nicht durch Kolumbien kriegen, dann verliere ich den brasilianisches Markt.
Eigentlich ist Kolumbien mir so gut wie egal. Aber trotzdem muss ich dieses Land abhängig von mir und meinem Kartell machen, damit sie nicht einfach die Verträge kündigen können, sobald es einen Regierungswechsel gibt. Mit Rio hätte ich 4 Jahre Zeit alles gründlich aufzubauen und alles zu verfestigen, danach wäre alles in trockenen Tüchern und niemand könnte mir Kolumbien als Transitland wegnehmen. 

Und jetzt kommt ausgerechnet Miguel an und macht mir einen Strich durch die Rechnung. Er weiß, dass ich Rio aus dem Amt heben muss, wenn ich mir zu 100% sicher sein will. Und wenn ich das tue, fange ich wieder von vorne an. Es sei denn, ich übernehme Rio's Posten als Gouverneur. 

Vermutlich hat Miguel nicht damit gerechnet, dass ich sowas in Erwägung ziehe. Aber was bleibt mir über?
Ich muss meinen Leuten vertrauen können. 

"Wie ist das hier geregelt?", beginne ich fragend. 

Im Augenwinkel sehe ich, dass Rio die Stirn runzelt. 

"Wenn der Gouverneur verstirbt, was passiert dann? Neuwahlen? Oder darf die gewählte Partei für die verbleibende Dauer der Amtszeit einen neuen Gouverneur stellen?"

Xavier schaut mich durch den Rückspiegel an und schüttelt langsam den Kopf, doch ich lasse mich nicht von ihm abbringen. 
Habe ich eine andere Wahl?

"Die Partei darf einen neuen Gouverneur stellen, es sei denn es gibt Einwände aus den anderen Parteien. Dann gibt es ein Votum, dass darüber entscheidet.", erklärt mir Rio und scheint zu merken, was ich vor habe. 

"Aha.", erwidere ich lediglich und setze meine Sonnenbrille auf, als wir vor dem Revier halten. 

Diesmal warte ich nicht, bis Xavier mir die Tür aufhält, sondern steige aus dem Wagen und laufe zielstrebig auf das große Gebäude zu. Ich will diesen Tag und diese schrecklichen Termine endlich hinter mich bringen. 

Mein Geduldsfaden ist bereits so unter Spannung, dass ich fürchte, er könnte bei jeder noch so kleinen Diskussion reißen. 

Und das will hier keiner erleben. 

"Amara Ramirez, ich habe einen Termin mit dem Polizeichef.", stelle ich mich mit fester Stimme vor, sodass sich keiner eine Widerrede erlaubt. 

"Senora Ramirez, schön Sie persönlich kennenzulernen. Ich habe Sie schon erwartet.", unterbricht mich eine dunkle Stimme. Ein kleiner Mann mittleren Alters kommt auf mich zu. An seiner Uniform hängen viele Orden und Abzeichen, aber anhand seiner Figur erkenne ich, dass er schon lange nicht mehr im Außendienst ist. 

"Roberto Diaz, Polizeichef von Bogota.", stellt er sich vor, während er mir die Hand reicht. 

"Amara Ramirez, Rechtsanwältin.", stelle ich mich vor.
Es muss nicht jeder wissen, dass er sich mit einer Frau trifft, die illegale Dinge in seinem Land vorhat. 
Wenn mir eins besonders wichtig ist, dann Diskretion. Ich will unschuldige Leute nicht mit in meine Verbrechen ziehen. Man soll ihm nichts nachweisen können, deshalb dürfen wir nach außen nicht verdächtig wirken. 

Natürlich kennt man mich und natürlich können sie sich denken, was wir machen. Aber wenn ich eins gelernt habe, dann das eine reine Vermutung vor Gericht nicht ausreicht. 

"Kommen Sie, wir gehen in mein Büro.", bittet er mich und reicht danach Rio die Hand. Mit großen Schritten laufen wir den Gang entlang. Man sieht, dass Kolumbien kein reiches Land ist. In Amerika würde ein Polizeirevier niemals so aussehen. Es ist alt, die Farbe blättert von den Wänden, an der Decke sind riesige Wasserflecken und ohnehin habe ich das Gefühl, als sei es hier drinnen sehr feucht. 

"Ihr Bodyguard?", fragt Senor Diaz nach Xavier, der vor der Tür stehen bleibt. 

"Bleibt draußen.", beende ich seinen Satz und schließe die Tür. 
"Senor Diaz, Sie wissen sicherlich, weshalb mein Mandatn und ich hier sind?", beginne ich direkt um keine Zeit zu verlieren. 

"Sie interessieren sich für die Routen  in den Südosten, wenn ich mich richtig erinnere?", hakt er noch einmal nach. 

Ich nicke.
"Mein Mandant hat Geschäfte abzuwickeln, die wichtig für die Wirtschaft dieses Landes sind. Es müssen Lieferketten eingehalten werden."

"Und wohin?"

"Nach Brasilien. Es geht ihm vor allem um die 65 nach San Jose und dann weiter um die 75 nach Calamar.", werde ich konkreter. 

"Und was wollen Sie kurz vor dem Regenwald?", wird er mir eindeutig zu neugierig. 

"Die Lieferungen müssen nach Brasilien in die Favelas. Mein Mandant hat vor die übergebliebenen Avocados, Mangos und Papayas direkt hinter die Grenze zu liefern. Sie werden verstehen, dass der Seeweg schlichtweg zu teuer ist?", tische ich ihm eine Lüge auf. 

Er lehnt sich entspannt zurück. 
"Schlau. Das Obst bleibt sonst nur liegen und wird vernichtet. Verstehe ich das richtig? Sie kaufen also unseren Obstbauern einen Teil unseres Obstes ab und verkaufen es weiter nach Brasilien, damit die ihre Armenviertel ernähren können?"

"Senor Diaz, Sie verstehen das vollkommen richtig.", pflichte ich ihm bei. 

Rio sagt nichts, stattdessen schaut er überrascht und unsicher, als wüsste er nicht, was hier abgeht. 

"Wir steigern gleichzeitig das BIP und senken die Arbeitslosigkeit, weil unsere Fahrer und Bauern für das Ministerium arbeiten, verstehen Sie?"

Er nickt.
"Wie oft gehen diese Transporte?"

Rio räuspert sich.
"Zwei Mal die Woche, zwei LKW's."

"Und sie brauchen von mir die Durchfahrtgenehmigung? Ich nehme an, Sie wollen nicht jedes Mal kontrolliert werden?"

Ich muss mir ein Schmunzeln verkneifen, weil er in seiner Schublade wühlt und zwei Genehmigungen herausholt. 

"Das wäre natürlich fantastisch für meinen Mandanten, aber wenn Sie uns sagen, dass eine Kontrolle einmal wöchentlich Pflicht ist, kriegen wir das auch hin.", lüge ich, um nicht all zu verdächtig zu wirken.

"Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich da unten sowieso kaum Leute...", offenbart er uns. 

Jackpot, denke ich mir grinsend.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now