- Kapitel 66 -

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Amara

Während ich im Badezimmer stehe und meine Hände von seinem Blut befreie, höre ich seine schweren Schritte hinter mir.
"Mein Witz war taktlos und ich wollte dich damit nicht verletzen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass du zu dem Thema eine andere Einstellung hast.", ergreift er das Wort.

Stumm versuche ich das Blut unter meinen Fingernägeln zu entfernen.

"Ich bin dir sehr dankbar, dass du nicht gezögert hast zu schießen und ich weiß sehr wohl, dass du mir das Leben gerettet hast. Ich war unvorsichtig und das wird nicht wieder vorkommen. Das heute hat mir gezeigt, dass ich mich auch als Geschäftspartner auf dich verlassen kann. Verzeih mir, mi Amor."

Es stört mich, dass das Blut nicht verschwindet. Nervös lasse ich das Wasser über meine Fingernägel laufen und versuche mit den Fingerspitze die Reste loszuwerden, doch es tut sich nichts.

"Hey, beruhig dich."
Miguel tritt näher an mich heran und schaut kurz über meine Schulter.

"Ganz ruhig.", bittet er mich und nimmt meine Hände in seine. Vorsichtig hält er sie unter das laufende Wasser und beginnt die Blutreste zu entfernen. Sanft reibt er über meine Handinnenflächen und über meine Fingernägel, bis auch der letzte Rest verschwunden ist.

"Du hasst Blut, si?", hakt er nach und trocknet meine Hände mit einem flauschigen, weißen Handtuch ab.

"Ich kann es nicht haben, wenn ich Blut an den Händen habe, weil dahinter eine Straftat steht.", erkläre ich ihm.
Miguel legt das Handtuch an die Seite und führt meine Hände zu seinem Mund, um mir zwei Küsse auf den Handrücken zu hauchen.

"Verstehe.", nickt er.
"Verstehst du mich auch?"

Er will eine Antwort auf seine Erklärung.

"Entschuldige, dass ich dich geschlagen habe. Deine Worte haben mich nur sehr wütend gemacht, weil ich ohne zu zögern geschossen habe."

"Das war nicht meine Absicht. Ich wollte die Stimmung auflockern, nicht dich verletzen.", erklärt er mir noch einmal abschließend.

"In Ordnung.", nehme ich seine Entschuldigung an.

Zufrieden lächelt er mir zu.
"Wärst du so nett?", wechselt er das Thema und zeigt auf seinen Arm. Schmunzelnd drücke ich ihn auf den Badewannenrand und suche in den Badezimmerschränken nach Desinfektionsmittel und Verbandszeug.

"Hast du Lust gleich Essen zu bestellen? Ich würde ungerne in die Stadt mit dem Arm.", grinst er schief, nachdem ich alle Utensilien gefunden habe.

"Ja, kein Problem.", stimme ich zu und merke augenblicklich wie hungrig ich wirklich bin. Das Adrenalin scheint mein Hunger- und Durstgefühl komplett unterdrückt zu haben. Ich verstehe nicht wirklich, wie er mit dieser Verletzung noch immer Lachen kann. Ich wäre vermutlich schon längst umgekippt und er sitzt hier, als hätte er sich aus Versehen beim Kochen in den Finger geschnitten.

"Ich bin stolz auf dich. Du hast heute alles richtig gemacht.", lobt er mich. In seiner Stimme schwingt diesmal kein Ton von Belustigung mit, sodass mich seine Worte stolz machen.

"Im Gegensatz zu dir.", kann ich mir diese freche Bemerkung nicht verkneifen.

Er schnaubt belustigt.
"Du lenkst mich ab, das ist der Grund.", schiebt er mir die Schuld in die Schuhe.

"Ich lenke dich ab?"

"Natürlich. Sieh dich doch mal an.", raunt er leise und lässt den Kragen meines Blazers zwischen seinem Daumen und Zeigefinger hergleiten.

"Damit musst du leben.", zucke ich unbekümmert mit den Schulter und desinfiziere die Wunde an seinem Oberarm, weshalb er zusammen zuckt.

"Amara, sag doch was.", brummt er beleidigt und greift nach meinem Handgelenk.

"Miguel, ein Indianer kennt keinen Schmerz.", flüstere ich provokant zurück und winde mein Handgelenk aus seinem festen Griff. Er braucht sich jetzt bloß nicht so anstellen. Jahrelang macht er auf dicke Hose aber bei Desinfektionsmittel stellt er sich an?

"Sehe ich da etwa eine Träne?", runzle ich schauspielerisch die Stirn und beuge mich näher zu ihm.

Miguel kneift die Augen zusammen.
"Halt die Klappe, Princesa."

Lachend reinige ich die Wunde, während Miguel mit meinen Haarsträhnen spielt. Er wickelt sie geschmeidig um seinen Zeigefinger und lässt sie dann wieder los.

"Worauf hast du Hunger?", wechselt er gedankenverloren das Thema.

"Ich weiß nicht, was gibt es denn hier in der Stadt?", hake ich nach und beginne seine Wunde zu nähen. Im Augenwinkel erkenne ich, wie er seine Lippen aufeinander presst, um den Schmerz auszuhalten. Mit der rechten Hand hält er sich am Badewannenrand fest.

"Pizza, Nudeln, Tapas, Tacos.", presst er hervor, als ich eine kurze Pause einlege.

"Tacos klingt gut, habe ich schon lange nicht mehr gegessen.", überlege ich laute und mache weiter.
Miguels Hand legt sich reflexartig auf meine Taille, während er den Kopf gesenkt hält und die Augen zusammenkneift.

"Dios, das tut ganz schön weh. Bist du dir sicher, dass du das richtig machst?", presst er durch zusammengebissene Zähne hervor.

"Meine Hand würde ich dafür nicht ins Feuer legen.", scherze ich und setze den letzten Stich. Miguel bleibt stumm und lässt die Schmerzen über sich ergehen.

"Fertig.", teile ich ihm zufrieden mit und wische den letzten Tropfen Blut von seinem Arm. Während ich die Sachen wegschmeiße, begutachtet Miguel seinen Arm.

"Wo hast du das gelernt?", will er skeptisch wissen.
"Sieht gar nicht so schlecht aus."

Ich drehe den Wasserhahn auf und wasche mir die Hände.
"Pino hat es mir gezeigt. Er hat vier Semester Medizin studiert, bevor er von der Uni geflogen ist."

"Daher der Stock in seinem Arsch."

Ich hebe meinen Blick und schaue Miguel durch den breiten Spiegel an. Er verkneift sich ein Grinsen und wendet schnell seinen Blick ab.

"Pino hat keinen Stock im Arsch. Er sorgt dafür, dass alles seine Richtigkeit hat. Außerdem kennst du ihn gar nicht richtig.", verteidige ich meinen besten Freund.

Miguel will etwas sagen, doch schließt seinen Mund direkt wieder. Stirnrunzelnd trockne ich meine Hände ab und drehe mich zu ihm.

"In Ordnung, ich lerne ihn erstmal kennen."
Zwar antwortet er mir, aber trotzdem glaube ich, dass es nicht das ist, was er mir ursprünglich sagen wollte.

"Ich gehe mich umziehen.", teilt er mir mit und öffnet seine Anzughose, während er aus dem Bad geht.

"Bitte, Miguel. Habe ich gerne gemacht.", rufe ich ihm ironisch hinterher.

"Weiß ich doch, mi Amor.", erwidert er mit einem Grinsen in der Stimme.

"Blödmann.", flüstere ich schmunzelnd und hole aus meinem Koffer meinen Kulturbeutel heraus. Schon den ganzen Tag freue ich mich das Make Up loszuwerden und in bequeme Sachen zu schlüpfen.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now