- Kapitel 47 -

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Amara

Ich räuspere mich.
"Was soll ich fragen?"

Grinsend reicht er mir meinen Wein, bevor er antwortet.
"Du willst wissen, wer Ricarda ist."

"Nein, das ist interessiert mich nicht.", lüge ich, während wir anstoßen.
Ich nehme einen großen Schluck Wein.

"Und wie dich das interessiert. Dir brennt die Frage förmlich auf der Zunge, dein Ego ist nur zu groß.", provoziert er mich.

"Dann sag es mir halt einfach, wenn du es mir unbedingt sagen willst.", verdrehe ich die Augen und stelle mein Weinglas zurück.

"Wenn es dich nicht interessiert, dann muss ich es dir ja nicht sagen.", lacht er leise und lehnt sich entspannt zurück.

Natürlich will ich wissen, wer Ricarda ist, aber letztendlich kann es mir auch egal sein. Vermutlich ist es eine von seinen Nutten, die ihn nervt, und jetzt hatte er keine Lust zu diskutieren.
Im Augenwinkel sehe ich sein gehässiges Grinsen, weil er nicht aufhören kann, sich über mich lustig zu machen.

Und eigentlich ist es auch lustig, nur halt eben jetzt nicht. Nicht, wenn es um mich geht. Hätte Miguel so reagiert wie ich, dann hätte ich ihn auch ausgelacht.

06:11 Uhr

Miguel's schwerer Arm liegt über meiner Taille und drückt meinen Körper fest gegen seine Brust. Sein gleichmäßiger Atem kitzelt in meinem Nacken, doch ich kann mich nicht bewegen, weil er so stark ist.

Mit müden Augen werfe ich einen Blick auf den Wecker. Eigentlich ist es noch früh, aber die Sonne brennt trotzdem schon auf meiner Haut. Es wundert mich, dass Miguel noch nicht wach ist. Normalerweise fängt er immer um 6 Uhr an zu arbeiten, weil er so viel zu tun hat.

Und ich kann mir schwer vorstellen, dass sich das in den letzten Jahren geändert hat.

"Miguel.", flüstere ich und versuche seinen schweren Arm von mir zuschieben.

"Miguel, wach auf.", werde ich etwas lauter, woraufhin er sich endlich bewegt.

"Was ist denn.", murmelt er leise in mein Haar. Anstatt mich loszulassen, drückt er mich noch enger an sich und schlingt sein Bein um meins.

"Ich kann mich nicht bewegen.", erkläre ich ihm flüsternd.

"Musst du denn schon aufstehen.", brummt er und dreht sich zwar auf den Rücken, jedoch nicht ohne mich auf seine Brust zu ziehen.
"Bleib liegen.", flüstert er im Anschluss.

"Wann haben wir denn den Termin in der Stadt?", will ich wissen, damit ich mich später nicht abhetzen muss.
Miguel braucht sich bekanntlich nur eben waschen und einen Anzug anziehen, ich hingegen muss mich noch etwas länger zurecht machen.

"Um 10, danach gehen wir frühstücken.", nuschelt er und zieht mit geschlossenen Augen die Decke über unsere Körper. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und schließe ebenfalls die Augen. Draußen hört man die vielen Vögel im Sonnenaufgang zwitschern. Sie klingen immer fröhlich und nie erschöpft, als würden sie sich jeden Tag aufs neue über die Sonne freuen.

Miguel streichelt sanft meinen Rücken, während seine Brust sich gleichmäßig bewegt. Gestern Abend als wir schlafen gegangen sind, habe ich lange nachgedacht. Ob es wirklich richtig ist, was ich hier tue.
Geschäftlich keine Frage, das hier ist überlebenswichtig.

Aber Privat?
Ds ich mit ihm ein Bett teile, mit ihm koche und mich von ihm küssen lasse. Dass ich sogar mit ihm schlafe und mich berühren lasse, als wären wir ein Paar. Am liebsten will ich nicht zweifeln. Ich will das genießen, weil es mir irgendwie gut tut.

Aber ich darf auch nicht vergessen, was er mir angetan hat. Und das ich eigentlich hier bin um sein Geschäft zu vernichten. Ihn von mir abhängig zu machen, so wie er es damals mit mir gemacht hat.

Ich habe das Gefühl, als würde ich mich verlieren. Ich verliere mich in meinen Gefühlen, die mich von meinem Weg abbringen. Eine Frau die liebt, ist leichter zu kontrollieren, das weiß auch Miguel.
Und das macht mir Angst.

Hat er sich geändert, oder kann er nur verdammt gut schauspielern?

Miguel würde alles tun, um seine Ziele zu erreichen.

Plötzlich kommt mir die Ruhe in diesem Zimmer wie eine Falle vor. Wie ein Schauspiel, auf das ich reingefallen bin. Als hätte Miguel schon längst irgendwas geplant und ich merke es nicht, weil meine Gefühle mich gefangen halten und mir ein imaginäres Tuch um die Augen gebunden haben, sodass ich nicht mehr klar sehen kann.

Ein Tuch aus Seide, aus weißer Seide. Das Tuch, was Miguel immer in seiner Anzughose trägt. Das Tuch, was er rund 30 Mal besitzt.

Das Tuch, womit er seine blutigen Hände und blutigen Messerklingen abputzt, wenn er gerade jemandem die Kehle durchgeschnitten hat.

Reflexartig drücke ich mich von ihm weg, doch er greift blitzschnell nach meinem Handgelenk und zieht mich zurück.
"Egal was du da die ganze Zeit denkst. Es stimmt nicht.", brummt er mit geschlossenen Augen.

Mein Herz beginnt zu rasen. Er weiß doch gar nicht, was ich gerade denke?
"Ich muss nur auf die Toilette.", lüge ich.

Seufzend lässt er mich los.
"Gut, dann geh. Aber es stimmt trotzdem nicht.", belässt er es dabei und dreht sich auf die andere Seite, um weiter vor sich hin zu dösen.

Während ich versuche meinen Atem zu kontrollieren, steige ich aus dem Bett und gehe direkt ins Badezimmer. Das kalte Wasser, das ich mir ins Gesicht spritze, erfrischt mich und lässt mich wieder herunter kommen.

Er kann unmöglich wissen, was ich gedacht habe. Das kann er gar nicht mitbekommen haben, er hat doch geschlafen. Wie hat er so schnell reagieren können?

Noch immer irritiert betrachte ich mich im langen Spiegel über dem Waschbecken. Ich habe mir geschworen, nicht mehr auf ihn reinzufallen. Ich habe meiner Mutter geschworen und mich zu rächen, meinem Bruder habe ich das geschworen.

Und jetzt liege ich mit dem Mann, der meine Familie zerstört hat, in einem Bett.

Wenn ich mit Miguel in Miami aufkreuze, wird mein Vater umkippen. Er wird mich fragen, ob ich noch ganz bei Trost bin. Einen Psychiater wird er mir holen, nachdem er Miguel geköpft hat.

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt