- Kapitel 85 -

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Amara

"Also, was hast du vor?", beginnt Rio, während er sich hinter seinem Schreibtisch niederlässt.

Xavier ist draußen vor der Tür geblieben.

"Wir schreiben deine Rede für heute Abend. Hast du einen Termin beim Sheriff gemacht? Wir müssen vorher klären, ob wir ohne Maut bis zum Regenwald kommen. Wenn die Rede fertig ist rufen wir beim Fernsehen an, dass sie das heute Abend übertragen. Wir müssen die Leute ruhig kriegen, einen Aufstand können wir uns nicht erlauben.", erwidere ich.

"Der Termin ist um 15 Uhr, wir haben also noch knapp 3 Stunden.", nickt er und kramt einen Zettel und einen Stift aus seiner Schublade.

"Du bedankst dich natürlich zuerst. Und dann sagst du, was wir vor haben und was wir bereits in die Wege geleitet haben. Stichwörter wie Sicherheit, Arbeit, Bildung müssen auf jeden Fall mit rein. Das suggeriert den Leuten, dass man sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmert. Trockenlegung des Schwarzmarktes, das muss mit rein. Der Verkauf von Drogen wird legal, damit er überwacht werden kann."

"Moment mal, du willst Drogen legalisieren, obwohl du am meisten vom Schwarzmarkt profitierst?", runzelt er die Stirn und hält inne.

"Mehr oder weniger. Du schließt halt nur mit mir die Verträge, also mache ich dadurch noch mehr Gewinne. Den Schwarzmarkt gibt es inoffizielle natürlich trotzdem noch, nur kommt man da eben nicht mehr so leicht dran.", erkläre ich ihm.

"Und wenn ich nicht nur mit dir Verträge schließen will?"

"Rio, laber keinen Bullshit, du hast keine Wahl.", verdrehe ich meine Augen, woraufhin er schmunzelt und sein Gekritzel auf dem Blatt weiter ausführt.

"Für wie viel kriege ich deine Drogen?", will er anschließend wissen.

"Kommt drauf an, was du mir abnimmst.", beginne ich zu verhandeln.

"Sagen wir 5 Tonnen.", überlegt er laut.
"Plus meinen Körper.", witzelt er.

"Als könnte dein Körper auch nur annähernd den Preis meiner Drogen drücken.", hole ich ihn auf den Boden der Tatsachen zurück.

"Also?", übergeht er meinen Spruch.

"Mein Kilo-Preis liegt im Moment bei 45.000 Dollar. Für dich würde ich dann natürlich etwas runter gehen, sagen wir 40.000 Dollar. 40.000 mal 1000 sind...?"

Ich sage absichtlich nicht das Ergebnis, um ihn zu ärgern.

"40 Millionen.", bringt er zähneknirschend hervor.

"Bingo.", freue ich mich über seine Mathekenntnisse.

"Wie viele Staatseinnahmen hast du? Vergiss nicht, dass wir Steuern für das Koks erheben können, da kommt dann noch mal einiges in die Kasse. Und wir sparen Geld bei den Krankenhäusern, weil die Leute kein gestrecktes Koks mehr konsumieren.", erinnere ich ihn, dass er deutlich mehr Einnahmen als Ausgaben haben wird.

"Einnahmen? Nur durch Steuern? Im Moment liegt unser Steuersatz bei 18%. Unser Staatshaushalt liegt bei 85 Millionen US-Dollar."

"Gut, gehen wir davon aus, dass da mindestens 30 Millionen US-Dollar dazu kommen... Dann hättest du immer noch 75 US-Dollar."

"Das mache ich nicht mit, Amara. Wenn der Staatshaushalt nach unserem Deal niedriger ist, als vorher, kann ich einpacken. Da brauche ich überhaupt nicht anfangen.", beschwert er sich.

"Rio, ich kann auch jetzt gehen. Dann kannst du auch einpacken.", mache ich ihm klar, dass er nichts zu melden hat.

Er lehnt sich brummend zurück in seinen Stuhl.

"Du vergisst die Einnahmen, die du durch das Koks hast. Weil du Gewinn machen musst, gehen wir mal davon aus, dass du 60 Millionen Dollar einnimmst. Könnte das passen?", hake ich nach, weil ich mich nicht komplett verkalkulieren will.

"Ja, das kann hinkommen.", nickt er nachdenklich.

"Dann hast du nochmal 20 Millionen plus und bis bei 95 Millionen. Dadurch habt ihr den Staatshaushalt schon erhöht.", erkläre ich ihm zufrieden.

Manchmal frage ich mich, ob er dumm ist?

"Glaubst du, das klappt?"

Ich nicke.
"Ja, ich denke schon. Gewinn wirst du auf jeden Fall machen. Und das ist das was zählt. Wenn wir dann das Geld in Kitas und Sicherheitskräfte investieren und gleichzeitig damit Jobs schaffen, läuft alles."

Er fährt sich nicht überzeugt durchs Gesicht.

"Rio, ihr müsst aufhören die Drogen wie einen Feind zu behandeln. Ihr habt hier ein großes Drogenproblem, dass euch alles kaputt macht. Ihr habt das große Geld direkt vor euch liegen, also nutzt es aus. Das Koks ist nicht euer Feind, benutzt es und holt dieses Land aus dem Abgrund. Ihr kommt nicht gegen den Drogenhandel an, wenn er mehr Geld bringt, als ein normaler, sicherer Job.", erkläre ich ihm.

"Ich weiß, ich weiß.", stimmt er mir seufzend zu.

"Du bist erschöpft, oder?", hake ich nach.

"Ja, der Wahlkampf war der Horror, ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal richtig geschlafen habe.", gesteht er mir.

"Diese Woche wird noch hart für dich, danach läuft alles von alleine. Der erste Lieferwagen soll morgen Mittag rausgehen. Wenn das geklappt hat, brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Du kümmerst dich um den Staatshaushalt, die Kitas, die Jobs, eben um alles, um was sich ein sauberer Politiker so kümmert. Ich koordiniere die schmutzigen Sachen, Lieferketten, Schwarzmarkt, Verkauf, Schmuggel, etc.", teile ich ihm mit, dass er sich ab nächster Woche die Hände nicht mehr schmutzig machen wird.

Außerdem kennt er sich mit dem Drogengeschäft gar nicht aus, er würde es zu 100% direkt gegen die Wand fahren.

"Miguel Jimenez war hier.", räuspert er sich.

"Ich weiß. Was wollte er?", werde ich hellhörig und setze mich gerade hin.

"Er wollte, dass ich den Schwarzmarkt nicht trocken lege."

"Weil er vom Leid der Leute lebt, deshalb solltest du ihn nicht trocken legen.", erkläre ich ihm.

"Mag sein, aber er hat gute Argumente genannt.", scheint er mit meinem Vorschlag unsicher zu sein.

"Rio, ich bin dabei mit ihm über Brasilien zu verhandeln. Ich will seine Routen nutzen und nach Brasilien expandieren. Das Miguel sich hier einmischt, direkt vor dem Wahlkampf, war keine Überraschung. Er hatte Argumente, aber hatte er auch konkrete Vorschläge, um die Wirtschaft zu retten?"

"Nein, das hatte er nicht."

"Das liegt daran, weil beim Schwarzmarkt nur einer profitiert. Und das ist der, der den Schwarzmarkt im Griff hat. Also Miguel Jimenez."
Manchmal fühle ich mich wie eine Lehrerin, die ihrem Schüler alles erklären muss, weil er selber nicht nachdenkt.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now