- Kapitel 8 -

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Miguel

"Ist Xavier schon da?", frage ich meine Schwester, während wir aufs Boot gehen. Kurz begrüße ich den Kapitän, dann nehme ich mir ein Sekt und kippe das Glas in einem Schluck herunter. Es ist sau heiß und das kalte, prickelnde Getränk bringt mich ein Stückweit runter.

"Ich weiß es nicht, wie haben den ganzen Tag noch keinen Kontakt gehabt.", gesteht sie mir und nimmt eine Weintraube.

"Ihm ist doch wohl nichts passiert?", fragt sie plötzlich aufgebracht und schaut mich streng an.

"Quatsch.", winke ich ab.
Xavier ist alt genug und schon lange in diesem Geschäft.

"Woher weißt du das?", will sie skeptisch wissen.

Langsam lasse ich mich auf eine Bank fallen und schaue aufs Meer hinaus.
"Ich weiß es eben."

Unzufrieden verschränkt meine Schwester die Arme vor ihrer Brust und betrachtet das Boot genauer.
Wenn sie nicht damit klar kommt, einen Tag keinen Kontakt zu ihrem Verlobten zu haben, dann darf sie eben nicht heiraten, so einfach ist das.
Außerdem müsste der kleine Manuel dann auch nicht bei einer Nanny in Culiacan bleiben.

"Bist du aufgeregt? Immerhin bist du Trauzeuge.", beginnt Sofia ein Gesprächsthema.

"Nein.", gebe ich teilnahmslos von mir.
Als wäre das so eine große Herausforderung. Ich muss nur neben Xavier stehen und irgendwann mal eine Unterschrift auf irgendein Blattpapier setzen.
Warum sollte ich da aufgeregt sein?

Sofia seufzt genervt und steht dann von ihrem Platz auf. Sie verschwindet irgendwo ins Innere meines Boots und bleibt vermutlich auch erst einmal dort.
Um die Überfahrt zu überbrücken, hole ich meinen Laptop aus meiner Tasche und checke meine Mails.
Wenn ich schon nicht durchgängig arbeiten kann, dann wenigstens in meiner freien Zeit.

"Sofia, dein Verlobter hat sich gerade bei mir gemeldet, es geht ihm gut.", spotte ich, weil sie sich wieder völlig umsonst Sorgen gemacht hat.

"Halt die Klappe.", ruft sie von unten, was mich zum Schmunzeln bringt.

Ich greife nach meinem Handy und rufe Xavier an. Während ich hier auf dem Meer rumschipper, kann ich auch mit ihm telefonieren. Vielleicht gibt es ja was Neues zur Wahl in Kolumbien.

"Boss, schon angekommen?", begrüßt mich mein bester Freund am Handy.

"Noch nicht. Sind gerade auf dem Schiff.", informiere ich ihn und schaue zurück zum Festland. Die Sonne knallt heute besonders stark und ich ärgere mich, dass ich keine bequemeren Sachen angezogen habe.

"Lass mich raten. Du willst wissen wie es in Kolumbien ausschaut?", durchschaut er den Grund für meinen Anruf.

Ich seufze.
"Und wie sieht es in Kolumbien aus?"

"Gut, deine Ex-Geliebte kann nicht so viel Geld in die Hand nehmen wie wir, das ist unser Vorteil.", erklärt er mir.

"Du kannst auch einfach ihren Namen nennen.", verdrehe ich die Augen.

Während Xavier im Hintergrund irgendwas anderes macht, höre ich ihn Lachen.
"Finds witzig, dass sie dich so dermaßen bei den Eiern hat, obwohl du derjenige warst, der sie damals entführt hat. Du hast also quasi deinen eigenen Feind ausgebildet."

"Witzig, Xavier. Wirklich witzig.", knurre ich und zünde mit einhändig eine Zigarette an.

"Oder?", provoziert er mich weiter.

"Wie geht es Sofia?", wechselt er endlich das Thema.
Ich schaue kurz die Treppe herunter, kann sie aber nirgendwo sehen.

"Aufgeregt, aber gut.", zucke ich mit den Schultern.
Was soll ich ihm auch anderes sagen? Sofia ist noch nie von selbst auf mich zugekommen und hat mir erzählt was sie bedrückt.
Dass sie aufgeregt ist, ist offensichtlich. Aber ob es ihr auch wirklich gut geht?

Das kann ich nicht sagen.

"Aufgeregt bin ich auch.", stimmt Xavier zu.

Ich seufze.

"Kannst du dir das vorstellen? Ich heirate morgen wirklich deine Schwester.", erinnert er mich noch einmal daran, weshalb wir zur Isla Mujeres fahren.
Fast hätte ich es vergessen.

"Ich konnte mir schon nicht vorstellen, dass ihr beiden ein gemeinsames Kind bekommt.", brumme ich.

Xavier lacht kurz und erklärt mir danach, dass er in circa 4 Stunden auf der Insel ankommt. Dann beenden wir das Gespräch.
Sobald wir auf dieser Insel ankommen, werde ich direkt unter die Dusche springen und danach nichts anderes tun außer mir Essen aufs Zimmer zu bestellen und den ganzen Abend in meinem Zimmer zu bleiben.

"Du hast was verpasst, ich hab mit deinem Verlobten telefoniert.", spreche ich Sofia an, die gerade aus dem Inneren meines Boots kommt.

"Warum hast du nichts gesagt?", wirft sie mir vor und kramt nebenbei in ihrer Tasche.

"Habe ich.", widerspreche ich meiner Schwester und stecke meine Laptop zurück in meine Tasche, da wird nur noch wenige Meter vom Hafen der Insel entfernt sind. Sofia antwortet mir nicht mehr, weshalb ich unsere Koffer nehme und ihr die Tasche abnehmen will.

"Geht es dir gut?", frage ich, weil sie Abstand von mir nimmt.

"Ich bin nur nervös.", gesteht sie mir ruhig und knibbelt an ihren Fingernägeln.

"Nicht knibbeln, der schöne Lack platzt sonst noch ab und dann musst du morgen nochmal zur Maniküre.", deute ich auf ihre Finger und entlocke ihr mit meinem Spruch ein Lächeln.

"Es ist komisch, sowas aus deinem Mund zu hören. Woher weißt du, was eine Maniküre ist.", schmunzelt sie.

Schulterzuckend, aber mit einem Grinsen auf den Lippen gehe ich an ihr vorbei und stelle die Koffer auf den Steg. Danach halte ich meiner Schwester meine rechte Hand hin, die sie annimmt, und helfe ihr dann aus dem Boot.

"Mach dir keine Sorgen. Es wird wunderbar werden.", mache ich ihr Mut und versuche ihr die Nervosität zu nehmen.

"Danke, Miguel.", flüstert sie aufrichtig und umarmt mich kurz.

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt