- Kapitel 76 -

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Miguel
18:56 Uhr

"Du arbeitest ja immer noch.", flüstert Amara und legt ihre Hand auf meinen Oberschenkel, um sich hochzudrücken. 
Sie hat fast drei Stunden geschlafen und ich bin mir sicher, dass sie später nicht so schnell einschlafen wird. 

"Habe viel zu tun.", erkläre ich ihr und küsse ihre Stirn. 

Sie seufzt.
"Wie viel Uhr ist es denn?"

"Gleich 19 Uhr. Wollen wir nochmal Essen gehen oder sollen wir was bestellen? Ich kann uns auch etwas kochen, immerhin hast du heute Morgen schon das Frühstück gemacht.", biete ich ihr an und schließe meinen Laptop. 
Auch wenn ich noch längst nicht fertig bin, ist meine Arbeit jetzt nebensächlich. Amara ist wieder wach, also höre ich auf zu arbeiten. 

"Lass uns was Essen gehen. Du hast mir das Nachtleben von deiner Heimat noch gar nicht richtig gezeigt.", witzelt sie und lächelt mich breit an. 

"Gut, dann gehen wir was Essen. Und vielleicht gehen wir noch in eine Bar. Aber das wars dann. Wir müssen nichts und niemanden herausfordernd.", erinnere ich sie, dass wir immer die Zielscheibe sein könnten. 

"Glaubst du, dass man dich hier in deiner Heimatstadt angreifen könnte?", fragt sie überrascht und setzt sich wieder neben mich. 
Stirnrunzelnd schaut sie mich an und fährt mit ihrem Daumen über meinen Drei-Tage-Bart am Kinn. 

Gedankenverloren schaue ich über das Balkongeländer aufs Meer. 
"Ich weiß es nicht. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass dir etwas geschieht. Deshalb bin ich lieber vorsichtig, verstehst du?"

"Ja. Verstehe ich.", nickt sie zu meiner Überraschung und küsst dann meine Wange. 
"Ich ziehe mich eben um, dann können wir los."

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schaue ich ihr hinterher. Tatsächlich weiß ich nicht, warum ich so vorsichtig bin. Vor ein paar Wochen hätte ich kein Problem damit gehabt, mit einer Frau durch die Stadt zu laufen. Ich wäre mir todsicher gewesen, dass in meiner Anwesenheit nichts passiert. 
Die meisten Bastarde haben keine Eier. 

Aber mit Amara bin ich mir unsicher. Ich will sie nicht wie eine Trophäe herumzeigen und vorführen. Sie ist meine und eigentlich geht niemanden meine Beziehungen etwas an. Sie sollen wissen, dass ich eine Frau habe, der mein Herz gehört. Aber sie sollen sie nicht jeden Tag sehen und ihr hinterher schauen, als wäre sie ein Star aus Hollywood. 

Sie soll bekannt sein, aber ihre Art, ihr Gesicht und ihr Körper sollen verborgen sein. Ich will Amara schützen und das kann ich nur, wenn ich nicht viel von ihr Preis gebe. Letztendlich ist sie bekannt in Mexiko und da kann selbst ich nichts dran ändern. 
Aber sie selber stand nie im Mittelpunkt. Sie hat sich nicht oft in der Öffentlichkeit gezeigt und das war auch gut so.

Und deshalb werde ich das so beibehalten. Man soll von ihr wissen, aber man soll sie nicht kennen. Und ich finde es besser, wenn ihr Gesicht nicht in jeder Zeitung oder auf jedem Nachrichtensender auftaucht. 

Es ist sicherer für sie und es ist sicherer für mich. 
Sie soll selber entscheiden, ob man sie kennen soll. Das überlasse ich ihr. Aber wenn man sie wirklich kennen soll, dann muss sie sich über das Leben bewusst sein. 

"Kann ich so?", unterbricht sie meine Gedanken und zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. 

Sie trägt ein weißes, lockeres Kleid, dass seidig ihre Hüften betont. 
Während sie sich einmal um die eigene Achse dreht, lasse ich meine Augen an ihrem Körper hoch und runter wandern. 

"Eres muy hermosa, mi Amor.", mache ich ihr ein Kompliment und stehe auf. 
Ich greife nach ihrer Hand und ziehe sie an meine Brust. Sie sieht wirklich sehr hübsch aus, noch hübscher als sonst. 
Vielleicht ist es die Anspannung, die von ihr abgefallen ist. Vielleicht kommt sie gerade zur Ruhe und kann abschalten. Vielleicht strahlt sie deshalb wie die Sonne. 

Meine Sonne. 

"Wollen wir nicht lieber hierbleiben? Ich koche uns was und wir genießen unseren Abend hier.", versuche ich sie umzustimmen.

"Sowas wie ein Date?", murmelt sie gegen meine Brust.

"Sowas wie ein Date.", stimme ich ihr zu und lege meine Hand auf ihren Hinterkopf, um sie noch näher an meine Brust zu drücken. 

"Ist alles in Ordnung? Du bist so nachdenklich.", flüstert sie und schiebt sich von meiner Brust weg, um mir in die Augen zu schauen. 
Es kostet sie keine Überwindung mehr, mir ins Gesicht zu sehen. Früher hat sie sich geschämt und war nervös. Sie hat immer schnell weggeschaut. Und heute ist sie so viel stärker und selbstbewusster, dass sie ohne mit der Wimper zu zucken Augenkontakt halten kann. 

"Es ist nicht richtig von mir, dich wie eine Trophäe durch die Stadt zu führen."

Amara runzelt die Stirn.
"Aber das tust du doch gar nicht? Du hast mir deine Heimatstadt gezeigt und wir sind Essen gegangen."

Ich atme tief ein.
"Ich finde trotzdem, dass dich nicht jeder kennen sollte. Du hast in den letztens Jahren die Öffentlichkeit und die Medien vermutlich nicht umsonst gemieden, habe ich recht?"

"Ja, aber nur, weil es dann sicherer für mich ist. Aber jetzt bist du ja da."

Ich lache leise.
"Ja, jetzt bin ich da. Aber trotzdem sollte man von dir wissen und dich immer im Hinterkopf haben, aber man sollte dich nicht wie ein offenes Buchen lesen und kennenlernen."

"Du hast Angst.", stellt sie fest. 

"Ja, vielleicht hast du Recht. Vielleicht habe ich tatsächlich Angst. Aber wenn das die Möglichkeit ist, dein Leben zu beschützen, dann habe ich gerne Angst.", erkläre ich ihr. 

Amara haucht mir einen Kuss auf die Lippen.
"Dann zeig mal, was du kochen kannst.", gibt sie mir ohne es Auszusprechen ihr Einverständnis.

Zufrieden schaue ich in ihr hübsches Gesicht. Sie grinst mich unschuldig an und der Sonnenuntergang und das Meer glänzen in ihren Augen. 

"Ich liebe dich, Amara."

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now