- Kapitel 31 -

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Amara

"Das erste will ich nicht leugnen, du hast recht. Aber das zweite? Das stimmt nicht.", schüttelt er den Kopf und hebt ihn danach an, damit ich wieder in sein Gesicht schauen kann.

Seine Augen sind trüb und bei weitem nicht mehr so klar, wie vor einigen Minuten noch.

"Ich hätte nicht in diesen Club gehen sollen, ja das mag sein. Und ich hätte auch die Nutten wegschicken sollen. Aber ich habe nichts getan, das schwöre ich dir bei meiner Mutter.", beteuert er.

"Das musst du mir glauben.", fügt er noch hinzu.

Tränen bilden sich seit langer Zeit das erste Mal wieder in meinen Augen. Ich will ihm glauben, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen.

"Ich weiß was du getan hast, ich hab es gesehen.", flüstere ich heißer.

Miguel schließt kurz die Augen und schaut dann weg. Er schaut an mir vorbei auf die tickende Standuhr an der Wand rechts von mir.
"Bitte fang nicht an zu weinen, das kann ich nicht mit ansehen."

Schnell wische ich mir die salzige Flüssigkeit aus den Augenwinkeln.
"Ich weine nicht."

Miguel zwingt sich ein Lächeln auf.
"Weiß ich doch."

"Hör mir zu, bitte. Ein einziges Mal. Wenn du mir nicht glaubst, dann werde ich dich nie wieder berühren und dich in Ruhe lassen, versprochen.", will er, dass ich ihm eine Chance gebe.

"In Ordnung.", gebe ich nach.
Was habe ich zu verlieren?

Miguel atmet erleichtert aus und zieht mir einen Stuhl zurück, auf den ich mich fallen lasse. Er selber setzte sich auf den Tisch und macht mir dadurch wieder einmal deutlich, wie groß er eigentlich ist. Denn obwohl er halb auf dem Tisch sitzt, kommt er mit seinen Füßen auf den Boden.

"Wir waren um 19:30 Uhr da, ich kannte diesen Club und ich wusste, was darin passiert. Und dafür darfst du mich hassen und schlagen und was nicht alles. Das ist dein gutes Recht. Aber hass mich nicht für Dinge, die nie passiert sind, Princesa.", beginnt er.

Ich weiche seinen Blick aus, weil er mich so intensiv anschaut.

"Wir haben Getränke bestellt und haben sofort übers Geschäft gesprochen. Es dauerte nicht lange, da hat Rico ein paar Nutten zu uns an den Tisch gerufen. Ich hätte sofort sagen sollen, dass wir die fürs Geschäft nicht brauchen, aber dann hätte ich auch erklären müssen, wieso.", fährt er fort.

"Hätte ich gesagt, dass ich eine Frau zu Hause sitzen habe, dann wärst du für jedes Kartell da draußen ein Zielobjekt geworden. Dann hätte jeder gewusst, dass ich verwundbar bin, wenn man dir etwas antut. Noch einmal wollte ich das nicht erleben.", gesteht er mir.

Seine Augen werden feucht, aber nach seiner Lüge von vorhin, bin ich mir unsicher, ob ich ihm wirklich glauben kann.

"Ich habe diese Nutte immer wieder weggedrückt, das musst du mir glauben. Nur als wir heftig diskutiert haben und Rico sein Koks ausgepackt hat und ich die Qualität geprüft habe, hatte ich keine Zeit sie wegzudrücken."

Ich schließe die Augen und will am liebsten gar nicht mehr hinhören will, weil mir seine Erzählung einen Stich in der Brust verpasst.

"Schau mich an, mi Amor.", bittet er mich sanft.

Vorsichtig hebe ich meinen Kopf. Sofort werden meine Augen feucht, als ich ihn ansehe.

"Sie hat sich vor mich gekniet und blitzschnell meine Hose geöffnet und als ich sie weggedrückt habe und meine Hose wieder zugeknöpft habe, standest du plötzlich da. Du musst mir das glauben, ich habe sie weggedrückt und meine Hose nur geschlossen, weil diese billige Schlampe sie mir geöffnet hat.", beteuert er mit fester Stimme und zwingt mich ihn anzusehen.

"Nenn sie nicht so, sie hat nur ihren Job gemacht.", flüstere ich, während mir eine Träne aus dem Augenwinkel entflieht.

Er schließt seine Augen und atmet tief durch.
"Entschuldigung."

Es überrascht mich, dass er auf mich hört und sich für seine Wortwahl entschuldigt.

"Du kannst mich für alles hassen, was ich dir angetan habe, aber nicht dafür. Ich bin dir immer treu gewesen. Ich konnte nicht mal mit Frauen schlafen, seitdem ich dich das erste Mal vor deiner Schule abgeholt habe."

"Miguel.", schimpfe ich, weil ich so genau gar nicht wissen will.

"Was denn? Du wolltest immer, dass ich mit dir über alles spreche.", versteht er mich nicht ganz.
Ohne auf meine Antwort zu warten, rutscht er näher zu mir herüber und zieht meinen Stuhl zu sich, sodass er mir unters Kinn greifen kann.

Sein Daumen berührt meine Unterlippe.

"Glaubst du mir? Du kannst mich immer noch hassen, aber sag mir, dass du mir glaubst.", fordert er mich auf, etwas zu sagen.

"Woher weiß ich, dass in den 30 Minuten vorher nichts passiert ist?", flüstere ich heiser.

"Weil Rico die Nutten erst um 20 Uhr bestellt hat. In meinem Portemonnaie ist noch die Quittung, ich kann sie dir jetzt sofort zeigen. Soll ich?", erklärt er mir schnell und kramt schon in seiner Hosentasche, bis ich ihn aufhalte.

"Schon gut. Das ändert jetzt eh nichts mehr.", spreche ich erschöpft und stehe vom Stuhl auf. Ich will einfach nur noch schlafen und diesen Tag hinter mir lassen.

"Sag mir nur, ob du mir glaubst.", verlangt Miguel von mir und hüpft vom Tisch, um mir nach zu laufen.

"Ich kann dich nicht einschätzen. Jetzt sagst du mir nette und liebevolle Dinge, aber vor 10 Minuten hast du mich mit Falschaussagen unter Druck gesetzt. Du hast mich angelogen.", weise ich ihn drauf hin.

"Wie gesagt, das war geschäftlich. Privat würde ich das nicht tun.", erklärt er mir, während er mir hinterher läuft. Im Flur brennt nur eine kleine Lampe, ansonsten ist es dunkel und still im ganzen Haus.
Pino und Jasper schlafen entweder oder sie sind wirklich feiern gegangen.

"Lass mich dir was beibringen.", wechselt er das Thema, als wir die Küchen betreten und er sich an die Küchenzeile lehnt, während ich Orangensaft aus dem Kühlschrank nehme.

"Was willst du mir beibringen? Wie man innerhalb von zwei Jahren den ganzen Westen und eine wichtige Insel in der Karibik verliert?", spotte ich und schaue ihn siegessicher an.

Er kann mir nichts entgegen bringen, außer ein ertapptes Schmunzeln. Grinsend schütte ich mir den frischen Saft in ein Glas und beobachte ihn, während ich trinke. Seine Arroganz, die er ausstrahlt, während er an der Küche lehnt, macht ihn fast schon attraktiv.

"Verhandlungen führen, zum Beispiel. Und Selbstverteidigung. Kannst du dich selbst verteidigen?", formuliert er seine Aussage als Frage.

Ich stelle das Glas zurück auf die Marmorplatte der Küche und schaue ihn fragend an.
"Machst du dir Sorgen um mich?"

"Ich will wissen, ob du dich selbst verteidigen kannst.", wiederholt er sich.

"Sicher.", winke ich ab.
Ich habe eine Waffe und ein Messer, mit diesen beiden Dingen bin ich jedem überlegen.

"Wenn wir zusammen arbeiten, muss ich sicher sein, dass du dich verteidigen kannst.", erklärt er sich räuspernd.
Seinen Blick spüre ich auf meinem Hintern, während ich in den vollen Kühlschrank schaue. Haben wir keine Zartbitterschokolade mehr? Oder hat jemand sie aufgegessen und den Kühlschrank nicht nachgefüllt?

Hättet ihr bald mal Lust auf eine Lesenacht??

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now