- Kapitel 113 -

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Miguel
12:58 Uhr

"Hör zu, mein Dad meint das nicht so. Ich glaube, er hat einfach Angst um mich. Ich bin so viele Kilometer von ihm entfernt in einem anderen Land. Wir haben uns selten gesehen, er hat mich nicht aufwachsen sehen. Und jetzt bin ich groß, führe ein eigenen Unternehmen, das vielleicht nicht ganz legal ist. Es ist normal, dass er da etwas genauer hinsieht.", erklärt sie mir, während wir über den Bayside Marketplace in Miami Downtown schlendern.

"Ich verstehe das, keine Sorge. Ich nehme ihm das nicht Übel.", beruhige ich sie.

Miami ist laut. Überall dröhnt Musik aus den Shops, die Leuten kreischen und schreien. Sie lachen laut, jubeln und trinken Alkohol. Sie scheinen Spaß zu haben, aber ich glaube, dass sie hier zu anderen Menschen werden. Zuhause erwartet sie Probleme.

Hier können sie frei sein und alles vergessen.

Doch eigentlich ist es schade.

Es ist traurig, dass die meisten Leute hier sind, um ihrem Leben zu entfliehen.

"Ich darf ihm nicht sagen, was ich beruflich mache. Es würde ihn gefährden.", ergreife ich das Wort und nehme Amara die Cola-Flasche aus der Hand, um einen Schluck zu trinken. Die Hitze hier ist unerträglich.

Es ist nicht wärmer als Mexiko, aber die Luftfeuchtigkeit ist um einiges höher.

"Ich weiß und ich rechne dir hoch an, dass du es ihm nicht sagst. Wirklich.", bedankt sie sich bei mir und umschließt meine Hand fester.

"Gibt es ein Restaurant was du empfehlen kannst? Ich kriege Hunger.", wechsel ich das Thema und schaue etwas zu lange in die Schaufenster von Victoria's Secret.

"Hunger auf was?", lacht Amara und dreht meinen Kopf von dem Schaufenster weg.

"Hey! Das dunkle Grün würde dir gut stehen!", deute ich auf die Spitzendessous in den großen Fenstern.
Lachend schlingt sie ihre Arme um meine Körpermitte und drückt mich weiter die Straße entlang.
Es gefällt mir so unbeschwert mit ihr herumzulaufen. Ich muss mir zum ersten Mal keine Gedanken um ihre Sicherheit machen und kann mich einfach entspannen. Auch wenn ich meine gemeinsame Zeit mir ihr jede Minute genieße, ist es diesmal anders. Sonst sind meine Gedanken immer beim Geschäft. Meine Gedanken sind immer noch woanders. Doch heute nicht. Heute sind sie einzig und alleine bei ihr.

Und es ist schön.

"Da hinten am Ende gibt es ein Restaurant. Da gibt es die besten Fish and Chips die du je gegessen hast.", schwärmt sie und führt mich den vollen Weg entlang.

"Gibt es da auch Whiskey?"

"Miguel!", haut sie mir grinsend gegen die Brust.

"Was denn.", frage ich unschuldig und lege meinen Arm um ihre Schulter.

"Es gibt keinen Whiskey, aber Mojitos und Margaritas.", überbringt sie mir eine wundervolle Nachricht.

"Alkoholfrei.", merkt sie an.

"Ha, ich glaube es geht los. Wir sind hier in Miami. Einen Cocktail werde ich trinken dürfen, oder?", grinse ich und lasse mich von ihr ins das Restaurant direkt am Hafen führen. Wir setzen uns auf einen freien Platz direkt auf dem Steg; vor uns liegt der Hafen mit den Wolkenkratzern in Brickell.

"Warst du noch nie in Miami?", fragt sich mich und hält mir die Speisekarte hin.

"Doch, aber nur geschäftlich. Ich bin in Brickell unterwegs gewesen. Mehr habe ich nicht gesehen."

"Also hast du in einem der Luxusrestaurants gegessen?", fragt sie mich aus. Sie trägt ein leichtes Lächeln auf den Lippen.

Kaum merklich nicke ich.
"Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nie in so einem Restaurant gesessen."

Es ist einfach gehalten. Eine Holztheke kleine Holztische und einfache Stühle. Die Farbe blättert von der Außenwand, aber irgendwie hat es seinen Charme. Und ich muss gestehen, dass das Essen der anderen Gäste gut aussieht.

"Es wird der beste Fisch sein, den du je gegessen hast.", beteuert meine Freundin und nimmt mir die Karte aus der Hand.

"Wenn du das sagst.", zucke ich mit den Schultern und zünde mir eine Zigarette an.

"Hier darf man nicht rauchen."
Amara hat die Augenbrauen hochgezogen und sieht mich mit verschränkten Armen an.

"Wieso? Wir sitzen draußen. In Mexiko darf-"

"Wir sind aber in den Vereinigten Staaten von Amerika. Nicht in Mex-i-ko.", betont sie jede einzelne Silbe und drückt meine Zigarette auf dem Holzgeländer neben unserem Tisch aus.

"Alles klar, Senorita.", hebe ich meine Hände und puste den letzten Rauch aus meinen Lungenflügeln.

"Hey, was darf sein?", spricht uns eine junge Frau an. Sie hält Zettel und Stift bereit, um unsere Bestellung aufzunehmen.

"Zwei Margaritas, einmal Fish and Chips und den Zitronenfisch mit Hash Browns.", bestellt Amara für mich mit.

"Alles klar, 15 Minuten.", teilt uns die Bedienung mit und lässt uns wieder alleine.

"Hash Browns also.", merke ich an.

"Die besten im ganzen Land.", ärgert sie mich, indem sie meine Stimme nachäfft.

Ich fahre mit meiner Zunge über meine Zähne.
"Wie gesagt, ich bin gespannt."

Sie schaut mich noch einen Augenblick ernst an, dann beginnt sie zu lachen.
"Hör auf damit."

"Womit.", lache ich ebenfalls.

"Du ärgerst mich.", stellt sie fest und wendet schmunzelnd ihren Blick ab.

"Wirklich?"
Ich wackle kurz mit den Augenbrauen und betrachte sie noch einen Augenblick. Der Wind weht leicht durch ihre offenen Haare und erinnert mich ein wenig an früher. Sie hat die Haare oft offen getragen und immer versucht sie hinter die Ohren zu klemmen, weil der Wind sie durcheinander gebracht hat.

Sie hat es gehasst, aber heute denke ich, dass es sie nicht mehr stört.

Jedenfalls sieht es nicht danach aus. Im Gegenteil, sie scheint den Wind zu genießen.

"Willst du für immer in Mexiko bleiben oder hast du mal daran gedacht weg zu gehen?"

Ich lehne mich zurück und schaue über die Stadt.
"Ich habe immer mal wieder über Jahre in Amerika gewohnt. Amerika bringt vieles durcheinander. Ich denke nicht, dass ich hier mal richtig leben will."

"Was bringt Amerika durcheinander?", runzelt sie die Stirn.

"Weißt du, es gibt da so circa 1.70 große, blonde Mädchen, die mich Nachts auf der Straße bestehlen und mir mein Eigentum nicht wiedergeben wollen. Sie bringen mich in große Schwierigkeiten, weil sie mich auf die Palme bringen und sich nicht von mir helfen lassen wollen. Und dann sehen sie dabei auch noch so atemberaubend aus,  dass sie mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Und dann sind sie dabei auch noch so unwissend, dass ich mich um ihre Sicherheit kümmern muss."

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now