Kapitel 9

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Amara

Es ist kurz nach 18 Uhr, als mein Handy aufleuchtet und ich die Nachricht von Sofia lese.

Ich werfe mir den schwarzen Blazer über und betrachte mich im Spiegel. Schwarze Anzughose, schwarzes Bustier aus Spitze, der schwarze Blazer und offene, lockige Haare. Dazu dezentes Augen-Makeup, aber roter Lippenstift.
Ich schlüpfe in die glänzenden High-Heels und greife währenddessen nach meiner Zimmerkarte und der schwarz-goldenen Tasche.

Etwas nervös bin ich schon, dass muss ich zugeben.

Im Flur des Hotels ist es leer, zum Glück. Langsam streite ich den Gang entlang zur Treppe und hoffe zu jeder Sekunde, dass mir nicht gleich ein bekanntes Gesicht über den Weg läuft.
Unten in der Lobby stehen deutlich mehr Menschen als heute Mittag, aber ob sie alle zur Hochzeitsgesellschaft gehören?

Ich höre einige meinen Namen flüstern und hin und wieder höre ich den Namen meines Ex heraus.
Sie wissen also wer ich bin und sie gehören mit Sicherheit zur Hochzeitsgesellschaft. Wenn sich unter ihnen herumspricht, dass ich hier bin, dann wird es nicht lange dauern bis Miguel hier auftaucht.
Wenn er nicht sogar schon da ist.

"Amara!", ruft mich eine weibliche Stimme, weshalb ich mich umdrehe.

Sofia kommt mit ausgestreckten Armen und einem breiten Lächeln auf mich zu.

"Hey.", flüstere ich, während wir uns innig umarmen.
Es tut gut, sie wieder in meiner Nähe zu haben.

"Du siehst atemberaubend aus.", schmeichelt sie mir und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Ich bedanke mich in dem ich ihr einen Kuss auf die Wange hauche, dann gehe wir vor das Hotel.

"Ich habe dir so viel zu erzählen! Mann, bin ich froh, dass du wirklich gekommen bist."
Aufgeregt klatscht sie in die Hände und hakt sich dann bei mir unter. Die Sonne geht gerade unter und färbt den Himmel in einem atemberaubenden rosa. Die Palmen, die sich sanft im Wind wiegen, lassen mich für einen Moment wie in einem Film fühlen.

"Ist Pino auch hier? Ich habe die passende Freundin für ihn, wirklich!", lacht sie, während wir die Straße hinunter laufen.
Aus den kleinen Cafes und Bars kommt leise Musik und an jeder Straßenecke riecht es nach einer anderen Spezialität.

"Nein, er ist in Acapulco und hält die Stellung.", schmunzel ich über ihren Verkupplungsversuch.

Genervt verdreht sie die Augen, lacht dann aber danach.
"Und wie sieht es bei dir mit den Männern aus?"

"Nichts in Aussicht, die Arbeit spannt mich komplett ein.", zucke ich mit den Schultern. Außerdem bin ich mit mir sehr zufrieden und ein Mann in meinem Leben würde nur Chaos bringen.

"Hattest du nicht was mit diesem süßen brasilianischen Politiker?", fragt sie mich weiter aus. Sofia nimmt, wie erwartet, kein Blatt vor den Mund.

Ich winke ab.
"Das war nur geschäftlich. Habs vor 4 Monaten beendet.", erkläre ich ihr.
Das Silvio und ich hin und wieder noch mit einander schlafen wenn ich in Brasilien bin, muss sie nicht unbedingt wissen.

"Der war aber auch süß.", beschwert sie sich.

"Woher weißt du das überhaupt?", runzle ich die Stirn. Wir setzen uns in ein teures Restaurant direkt am Strand.
Am Horizont erkennt man das Festland und den kleinen Hafen von Cancun.

"Miguel.", zuckt sie mit den Schultern.

Ich seufze.
Das er das weiß, war klar. Immerhin verkehren wir in den selben Kreisen und sowas spricht sich nunmal herum.
Allerdings wusste auch jeder, dass es nur eine reine Zweckbeziehung war. Ich brauchte seine Unterschriften für einige Deals, er brauchte Geld und Respekt im ganzen Land.

"Was macht Manuel?", wechsle ich das Thema, weil ich eigentlich nicht her gekommen bin, um über meinen Ex zu grübeln.

"Dem gehts gut. Er ist in Sinaloa geblieben. Die Reise wäre zu anstrengend und die Hochzeit mit ihm wäre zu viel gewesen. Außerdem müssen Xavier und ich auch mal wieder Zeit für uns haben. Er hat Miguel viel unterstützt und war fast nur noch im Büro.", erklärt sie mir und sieht dabei fast ein wenig enttäuscht aus.

"Du hörst dich nicht glücklich an.", stelle ich fest und öffne nebenbei die Karte, die auf dem Tisch liegt.

Sie zuckt mit den Schultern.
"Ich habe mir dieses Leben ausgesucht und ich kann froh sein, dass Miguel uns überhaupt seinen Segen gegeben hat. Ich wollte immer Xavier und ich kannte seine Stellung im Kartell. Also muss ich auch mit den Konsequenzen leben."

"Musst du nicht. Wenn es dir nicht gefällt oder du es dir anders vorgestellt hast, dann rede mit ihm oder mach Schluss. Aber eine Hochzeit ist nicht die Lösung deines Problems.", erkläre ich ihr.
Wer hat ihr gesagt, dass sie ihn heiraten muss?

"Nein, Nein. Du verstehst das falsch. Ich liebe ihn und ich will ihn heiraten. Aber ich will auch eine normale Familie.", erklärt sie sich.

"Okay, verstehe. Aber das hier, das ist das sicherste, was du in Mexiko jemals kriegen kannst. Du hast Kohle ohne Ende, ihr seid eine einflussreiche Familie, habt Kontakte zur Politik und könnt jederzeit überall hin. Besser geht es nicht, auch wenn Xavier einen verhöhnten Job hat.", mache ich ihr klar, dass sie utopische Vorstellungen hat.

Sie wäre einem viel größeren Risiko ausgesetzt, wenn sie Xavier zwingt seinen Job aufzugeben. Sie hätten keinen Anspruch mehr auf Personenschutz und wäre eine Zielscheibe für andere Kartelle. Außerdem wären sie eine Sicherheitslücke für Miguel.

"Ja, du hast recht. Ich frage mich nur manchmal, wie mein Leben wäre, wenn Miguel und Pedro nicht in Papas Fußstapfen getreten wären."

Ich muss lachen.
"Verdammt scheiße.", gebe ich ihr eine Antwort und winke den Kellner zu uns.

Auch Sofia muss lachen und stimmt mir letztendlich zu.

Wir bestellen eine Flasche Weißwein und zwei Tequila Shots. Auch, wenn wir uns heute nicht besaufen wollen, schadet ein bisschen Alkohol nicht.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now