- Kapitel 57 -

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Miguel

"Miguel.", ruft sie mir hinterher, nachdem ich den Wagen unsanft vor meinem Haus geparkt und den Wagen verlassen habe.
Mit großen und schnellen Schritten laufe ich aufs Haus zu und versuche sie zu ignorieren. Ich höre ihre Schritte auf dem Kies, doch halte nicht an.

"Geh mir bitte aus den Augen.", spreche ich kontrolliert. Ich habe mir geschworen, sie nie wieder anzuschreien und das werde ich auch jetzt nicht tun. Sie soll nie wieder Angst vor mir haben, aber trotzdem muss sie mir aus den Augen gehen, bevor ich mein Versprechen breche.

Ohne auf ihre Antwort zu warten, gehe ich ins Büro und knalle die Tür hinter mir zu. Wütend trete ich gegen die Betonsäule und laufe aufgebracht auf und ab.

"Dios.", fluche ich und fahre mir mit einer Hand durch den Nacken.

Sie wusste die ganze Zeit, wer meinen Nutten das Koks verkauft hat und rennt trotzdem noch mit. Spricht mit den Frauen, macht ihnen Angst. Und lässt mich dabei zusehen. Aber warum wollte sie dann gerade nochmal mitkommen?

Wenn sie doch wusste, wer der Kerl ist.

Hat sie gedacht, der Kerl würde nicht plaudern?

Ich schenke mir Whiskey ein und exe das Glas. Die brennende Flüssigkeit erhitzt meinen Hals. Das schlimme ist, ich kann nicht ihr mal böse sein. Sie ist jung und unerfahren, und das meine ich nichtmal böse. Sie hat keine Ahnung von Tabus in diesem Business. Sie macht wie sie meint und das ist der Fehler.

Ich bin wütend. Ja, wütend bin ich. Aber böse kann ich ihr nicht sein und das nervt mich am meisten. Jede andere hätte ich abgeknallt, aber dieser Frau gehört mein Herz.

Um mich abzulenken setze ich mich an den Schreibtisch und beginne zu arbeiten. Später werde ich mit ihr reden und ich hoffe für sie, dass sie dann noch hier ist.


Amara
18.56 Uhr

Ich werde nervös, als ich das Klackern seiner teuren Lackschuhe auf dem Marmorboden höre. Er läuft langsam, entspannt. Und ich weiß, ohne dass ich ihn ansehen muss, dass er seine Hände in den Hosentaschen dieser edlen, schwarzen Anzughose vergraben hat.

Seine Schritte sind so dominant, dass ich mich nicht traue ihn anzusehen. Zitternd ziehe ich an der Zigarette und hoffe, dass er sich nur etwas aus der Küche holt und dann wieder verschwindet, obwohl ich hören kann, dass er schon viel zu nah an der Terrassentür ist.

"Man fällt nicht über seine eigenen Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diesen Fehler ausnutzen.", ertönt seine Stimme.
Seine Stimmlage ist so kalt, dass ich Gänsehaut bekomme und meine Tränen unterdrücken muss.

Als ich nichts erwidere, weil meine Stimme sonst versagen würde, nimmt er mir meine Zigarette aus der Hand und drückt sie wie so oft in seiner Hand aus. Er macht das oft, ja eigentlich immer. Aber diesmal steckt dahinter eine Botschaft.

Er will mir zeigen, dass er stärker ist, als ich.

Unverwundbar.

"Ich bin nicht dein Feind.", flüstere ich und unterdrücke ein Schluchzen.

Er lacht falsch.
"Oh doch. Du bist mein Feind. Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid, Amara."

"Ich habe das gemacht, bevor wir uns wieder gesehen haben.", beginne ich ihm eine Erklärung zu liefern.

"Es spielt keine Rolle, wann du den Auftrag gegeben hast. Das ist der hinterhältigste Weg mich zu vernichten. Das hätte nicht einmal Carlos getan, obwohl wir uns abgrundtief gehasst haben. Wie sehr musst du mich also hassen, dass du so etwas tust?"

Seine Stimme ist ruhig, zu ruhig.

So ruhig, als hätte er bereits mit uns abgeschlossen. Als wäre er im reinen damit. Als wäre es ihm egal.

"Eine Frage habe ich.", ergreift er wieder das Wort.

Ich schaue zum ersten Mal zu ihm hoch, woraufhin er schnell seinen Blick abwendet. Er kann mich nicht ansehen, wenn ich weine. Deshalb schaut er weg.

"Warum bist du mitgefahren? Warum hast du mich in dem Glauben gelassen, dass du selber keine Ahnung hättest, was da gespielt wird?"

Ich schüttel den Kopf.
"So ist das nicht."

"Wie ist es dann?!", wird er ungeduldig und stützt sich auf dem Tisch vor mir ab.

Ich wische mir die Tränen weg.
"Richard arbeitet für Gabriel Fernandez. Gustavo hat ihn ein paar Mal dort gesehen, wie er Koks abgeholt hat. Daraufhin wollte ich herausfinden, ob du auch mit Gabriel Fernandez unter einer Decke steckst."

"Richard arbeitet nicht für Gabriel.", schüttelt er den Kopf.

"Doch, Miguel. Gustavo hat ihn fotografiert. Gabriel ist derjenige, der Dreck als Koks in deinem Club verkauft. Deshalb habe ich diesen Handlanger hingeschickt, er sollte sich als Lieferant von Gabriel ausgeben. Ich wollte das Koks haben, damit wir es untersuchen können. Das Zeug ist gestreckt mit allem möglichen Zeug, Kokain ist kaum noch drin. Ich dachte ich kriege dich dran, wenn ich beweisen kann, dass du deine Kunden umbringst."

"Das hätte ich doch gewusst, wenn Richard mit Gabriel Fernandez unter eine Decke steckt!", glaubt er mir nicht.

"Wenn ich es doch sage. Ich dachte auf jeden Fall, dass du da auch mit drin steckst. Das wäre ein riesiger Skandal geworden, wenn das rausgekommen wäre. Du hättest dich also quasi selber vernichtet.", erkläre ich ihm meinen Plan dahinter.

"Amara, wenn das wieder eine Lüge ist, dann-"

"Miguel, ich wusste nicht, dass du mit Gabriel nichts zu tun hast! Immerhin bist du oft in Brasilien unterwegs, woher soll ich wissen mit wem du Geschäfte machst? Außerdem bist du mächtig in Schieflage geraten und es ist ja bekannt, dass gestrecktes Koks für dich mehr Profit bringt.", unterbreche ich ihn.

"Und da hast du wirklich in Erwägung gezogen, dass ich mein Zeug so sehr strecken lassen, dass es tödlich werden kann?", faucht er und zündet sich eine Zigarette an.

"Miguel, du hast meine Mutter umbringen lassen. Ich traue dir alles zu!", fauche ich diesmal zurück und stehe auf.
Tränen haben sich in meinen Augen gebildet, aber diesmal drehe ich mich nicht weg.

Er pustet den Rauch aus.
"Sag mir das nicht immer, ich weiß, was ich getan habe und ich bin da nicht stolz drauf."

"Und ich bin nicht stolz drauf, dir diesen Handlanger geschickt zu haben. Aber ich hatte keine Wahl."

"Dann war das also nicht dein Koks?", übergeht er meine Worte.

Ich schüttel den Kopf.
"Nein. Mein Koks ist rein."

"Wie ist dein Handlanger denn an Gabriels Koks gekommen?", fragt er skeptisch.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now