- Kapitel 27 -

7.6K 265 22
                                    

Amara
19:23 Uhr

Wir sitzen am Esstisch und quatschen über alle mögliche Dinge, während im Hintergrund die Berichterstattung zu den Wahlen läuft.
Naja, Pino, Jasper und Miguel quatschen. Ich höre mit einem Ohr zu, während meine Gedanken zu immer wieder um Miguels Worte kreisen.

Hat es ihn wirklich verletzt oder ist das nur eine Masche?
Will er nur wissen, ob seine Gefühle und Worte mich interessieren oder will er mich hinters Licht führen?

"Amara?"
Jasper hat mir gegen das Schienbein getreten, weshalb ich schnell mein Bein zurück ziehe und mit dem Knie unter die Tischplatte knalle.

"Aua.", beschwere ich mich und schaue ihn irritiert an.
Warum tritt er mich?

"Woran denkst du?", erhebt Miguel seine Stimme, nachdem er einen Schluck von dem Rotwein getrunken hat, und leckt mit der Zunge den letzten Tropfen Wein von seiner Unterlippe. Warum sieht der Kerl so verboten gut aus?

Der Anzug, das weiße Hemd auf seiner gebräunten Haut, der Schriftzug an seinem Hals. Die kurzen Haare. Die starke Hand, die den Stil des Weinglases elegant aber sicher umschließt und der Rotwein, der das warme Licht über dem Esstisch bricht und das Licht auf das kleine M auf seinem Handrücken zur Geltung bringt.
Er lehnt so verdammt selbstbewusst in diesem Stuhl und schaut mich an, als würde all das hier ihm gehören.
Inklusive mir.

Er schaut mich an, als wäre ich die wichtigste Trophäe in seinem Leben, als wäre ich das wichtigste für ihn und als wäre er nie stolzer gewesen, so etwas zu besitzen.

"Nichts wichtiges.", winke ich beschämt ab und beäuge den Wein in meinem Glas.

Kurz ist es still, dann greift Jasper nach seiner Kippenpackung und nickt nach draußen, doch Miguel lehnt ab.
Nur Pino steht auf und folgt meinem Bruder, nachdem er sich noch ein Stück Pizza gegriffen hat.

"Ich warte schon die ganze Zeit auf einen frechen Spruch von dir, bezüglich der Hochrechnungen, aber es kommt nichts. Und gegessen hast du auch kaum was, abgesehen von den zwei Oliven und dem vierten Glas Wein.", stellt er fest und beäugt mich seltsam.

Erkenne ich da Sorgen in seinem Gesichtsausdruck?

Miguel spielt mit dem Daumen und dem Zeigefinger an dem Boden des Weinglases herum und schiebt mir dann die Pizza entgegen.

"Iss das, bevor der Wein kickt.", schmunzelt er.

Ich lehne ab.
"Sehr aufmerksam von dir, aber danke. Ich kann auf mich selber aufpassen."

"Das hat nichts mit "aufpassen" zu tun. Dein Ego ist zu groß und du würdest eher besoffen vom Stuhl fallen, als Hilfe von mir anzunehmen.", diskutiert er mit mir und greift stattdessen nach einem Stück Pizza.

"Schmeckt gut.", stellt er fest, während er kaut.

Dieser einfache Satz bringt mich zum Lachen. Das erste Mal nach anstrengenden Stunden.

"Das habe ich vermisst.", spricht er plötzlich und wird ernster.
Er legt das Stück Pizza auf seinen Teller und kaut zuende.

"Hör auf.", bitte ich ihn fast schon flehend.

"Womit? Mit der Wahrheit? Du kennst mich, ich lüge nicht. Du hast mir gefehlt und ich hätte mir für Samstag keinen besseren Tagesabschluss wünschen können, als dich endlich wieder unter mir zu haben.", offenbart er mir.

Ich nehme einen großen Schluck Wein, hauptsächlich um mich hinter dem großen Bauch des Glases zu verstecken.
Trotzdem ich nicht antworte, lächelt er leicht.

"Schläfst du heute Abend hier? Es wird bestimmt spät und du trinkst Alkohol.", räuspere ich mich.

Miguel beginnt zu grinsen.

"Wir haben noch ein Gästezimmer, in dem du unterkommen kannst.", füge ich schnell hinzu, auch wenn ich mein Bett gerne mit ihm teilen will.

Er befeuchtet seine Lippen.
"Dein Bett ist mit Sicherheit groß genug für zwei, oder?"

Ich will gerade etwas erwidern, als Pino und Jasper gut gelaunt zurück ins Esszimmer und unterbrechen unsere anzügliche Unterhaltung.

Miguel zwinkert mir kurz zu und steht dann vom Tisch auf.
"Wo ist das Bad?", fragt er an mich gerichtet, weshalb ich ebenfalls aufstehe.

"Ich zeige es dir.", teile ich ihm mit und laufe vor.

Mit großen, aber langsamen Schritten führe ich ihn aus dem Wohnzimmer und gehe mit ihm den Flur entlang zum Gästebad. Freundlich halte ich ihm die Tür auf, und als er schon fast im Badezimmer steht, umgreift sein rechter Arm meine Taille und zieht mich mit.

Mit der linken Hand schließt er ruckartig die Tür und drückt mich dagegen. Kurz darauf drückt er seine Lippen auf meine. Miguel führt seine rechte Hand an meinen Hintern und drückt mich noch enger an seine Mitte, während er seine Zunge in meinen Mund schiebt.

Bevor das ganze ausartet, schiebe ich seinen Oberkörper weg. Schweratmend sehe wir uns in die Augen, während ich nebenbei über seine Unterlippe streiche und den Lippenstift entferne.

Er greift sanft nach meiner Hand und haucht einen leichten Kuss auf meinen Handrücken, bevor er die Tür öffnet.
"Ich müsste jetzt wirklich mal pinkeln."

Ich verkneife mir ein Lachen, was er mit einem Schmunzeln quittiert und mich dann langsam aber sicher aus dem Gästebad schiebt. Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, atme ich tief durch und richte meinen Blazer. Dann mache ich mich zurück auf den Weg zu Pino und Jasper, die immer noch gut gelaunt am Tisch sitzen und Scherze machen.

"Du musst noch was essen."
Jasper deutet auf das Stück Pizza auf meinem Teller.

Auch wenn ich es hasse, bevormundet zu werden, höre ich diesmal auf ihn. Und vielleicht auch, weil Miguel mich schon drauf hingewiesen hat. Stumm greife ich nach der Pizza und schaue auf den Fernseher. Es sieht gut für uns aus, aber irgendwie verschafft es mir nicht die Genugtuung, die ich erwartete hatte.

Ich bin erleichtert, ja. Aber ich freue mich nicht wirklich. Viel lieber würde ich jetzt in meinem Bett liegen und einen Film gucken.

"Wir sollten heute Abend noch feiern gehen.", schlägt Pino vor und öffnet sich eine Bierflasche.

Ich winke ab.
"Wir sollten uns nicht zu früh freuen und die nächste Woche abwarten."

"Da muss ich meiner Schwester ausnahmsweise Mal recht geben.", stimmt Jasper mir zu und geht zur Couch herüber, um sich die Nachrichten genauer anzusehen. Auch Pino steht auf und folgt Jasper auf die Couch.
Zufrieden schaue ich den beiden hinterher, bis ich eine Hand auf meinem unteren Rücken spüre, die mich in die Realität zurückholt.

La Reina de MexicoOn viuen les histories. Descobreix ara