- Kapitel 82 -

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Amara

"Aber das hast du ihm wahrscheinlich noch nicht so gesagt.", lache ich leise. 

An seiner Stelle hätte ich es auch für mich behalten.

Er grinst.
"Nicht direkt."

Schmunzelnd lege ich mich wieder in seinen Arm. 

"Wir sollten jetzt schlafen. Wann musst du am Flughafen sein?", will er wissen und nimmt sein Handy in die Hand.

"Mein Flug geht um halb 7. Ich muss von Hermosillo erst nach Mexiko City und dann weiter nach Bogota.", erkläre ich ihm erschöpft. 

"Willst du nicht doch mit meinem Flugzeug rüber? Dann musst keinen Zwischenstop machen.", bietet er mir an, während er seinen Wecker stellt und anschließend das Licht ausknippst. 

Stumm überlege ich.

"Du bist sonst einen ganzen Tag unterwegs, 11 Stunden mindestens.", fährt er fort. 

"In Ordnung. Immerhin kann ich 7 Stunden Wartezeit sparen.", gebe ich nach und ziehe die dünne Decke über uns. Auch wenn es dunkel ist, kann ich sein zufriedenes Lächeln sehen. 

"Ich gebe Bescheid, dann ist morgen alles fertig.", versichert er mir und zieht mich auf seine Brust. 

"Schlaf gut.", flüstere ich gegen seine Lippen und küsse ihn. 


Miguel
04:30 Uhr

Ich brumme genervt auf, als der Wecker klingelt. Mein erster richtiger Urlaubstag und Amara muss um halb fünf morgens aufstehen, damit sie rechtzeitig nach Bogota kommt. 

Tatsächlich könnte ich mir besseres vorstellen. 

Nachdem ich den Wecker ausgestellt habe, teile ich Theo mit, dass ich vermutlich erst in 3 Tagen Urlaub nehme und heute noch geschäftliches erledigen kann.

Dann wecke ich meine Frau.
"Princesa, du musst aufstehen. Wir müssen gleich los."

"Ich bleibe hier, keine Lust jetzt aufzustehen.", brummt sie und dreht sich von mir weg. 

Lachend schiebe ich meine Hand auf ihre Taille. 
"Los jetzt, ich mach dir was zu Essen."

Schmunzelnd küsse ich ihre Haare und steige aus dem Bett. Ich sehe, dass sie die Augen geschlossen hat, aber mir soll es recht sein. Dann habe ich sie noch länger bei mir. 
Während ich in die Küche laufe, checke ich einige Mails und Nachrichten, die über Nacht reingekommen sind. In letzter Zeit passiert nicht viel neues, weshalb ich mich endlich mal auf mein Tagesgeschäft konzentrieren konnte.

Rechnungen, Dienstwagen, Gehälter, meine Clubs. 

Vieles ist in den letzten Monaten aus Zeitgründen einfach liegen geblieben. Eigentlich brauche ich dringend jemanden für die Buchhaltung, damit ich mich mit diesem leidigen Thema nicht mehr auseinandersetzen zu brauche, aber das ist leichter gesagt, als getan. 

Ich brauche jemanden, dem ich zu 100% Vertrauen kann und der sich seiner Aufgabe und seiner Verschwiegenheitspflicht bewusst ist. Es ist schwierig Leute zu finden, die freiwillig ihr Leben aufgeben, ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen und sich damit abfinden, dass sie nie wieder auf der Mafia austreten können. 

Einmal drin, für immer dabei. 

Ich brauche niemanden, der bei Angst zu den Bullen rennt oder der bei Angst mit meinen Feinden quatscht. 
Ich will niemanden, der meine Jahresbilanzen an die Presse weitergibt. Mein Umsatz ist und bleibt mein Umsatz, das geht niemanden etwas an. 

Nicht einmal das Finanzamt. 

Hier interessiert es sowieso niemanden, wie viel Geld ist mache. Hauptsache die Wirtschaft läuft und es gibt nicht jede Woche einen Aufstand. 

Die Polizei gehört mir, wer will mich also festnehmen?

Heute und Morgen kümmere ich mich um Amerika, dass da alles glatt läuft. Den Geschäftstermin werde ich zwei Tage verschieben, damit ich nicht hin und her fahren muss. Und dann muss ich dringend mit Amara verhandeln. 
Ich muss endlich wissen, wie es weitergehen soll. Langsam muss ich meinen Männer erklären, wie ihre Zukunft aussieht. 

Ob sie überhaupt eine Zukunft haben werden... 

Eigentlich hänge ich am seidenen Faden. Ich bin auf Amara angewiesen, wenn ich mein Kartell nicht verlieren will. Eigentlich bin ich nicht in der Positionen Ansprüche zu stellen. Aber Versuch macht Klug, oder?

"Nie wieder fliege ich so früh.", gähnt Amara und lässt sich auf den Stuhl im Esszimmer nieder. Als ich mich umdrehe, hat sie ihren Kopf erschöpft in ihren Armen vergraben. 

Sie trägt einen dunkelgrünen Anzug, der ist fantastisch steht. 

"Hübsch siehst du aus.", mache ich ihr ein Kompliment und reiche ihr frischen Orangensaft. 

"Wenn du in mein Gesicht schaust, änderst du deine Meinung.", kichert sie und weigert sich ihren Kopf zu heben.
Ich führe meine Hand unter ihr Kinn und zwinge sie mich anzusehen.

"Nein.", schüttel ich meinen Kopf.
"Immer noch hübsch."

Ein Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, bevor sie einen Schluck von dem Saft nimmt. 

"Ich mache mich auch eben fertig.", teile ich ihr mit und küsse sie kurz, bevor ich ins Badezimmer gehe und mich wasche. 
Meine Kleine ist groß geworden. 

Erwachsen. 

Reif und noch schlauer. 

Sie ist nicht mehr naiv und lässt sich leicht hinters Licht führen. 

Niemand macht ihr so leicht etwas vor. 

Ich bin mir sicher, dass sie in Bogota das Beste für sich und ihre Leute herausholen wird. Sie fackelt nicht lange und lässt sich nicht auf unsichere Spielchen ein. 

Es würde mich nicht überraschen, wenn sie in zwei Tagen zurückkommt und ihr ganz Kolumbien gehört. 

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now