- Kapitel 63 -

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Amara
13:52 Uhr

"Hier lasse ich das Koks auf Schiffe verladen. Ein Teil geht nach Südamerika über den Seeweg, der andere Teil weiter über Hermosillo nach Amerika. In Tucson wird es dann aufgeteilt. 20% bleiben in Arizona und Kalifornien, 50% gehen weiter nach New York, 30% gehen nach Florida.", erklärt er mir beiläufig, während er den Wagen geschickt am Straßenrand parkt.

Wir sind nicht im Zentrum von Obregon, sondern gut 40 Minuten entfernt an der Küste. Vor uns steht eine von vielen riesigen Lagerhallen.

"Hast du deine Waffe?", fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen. Erst als ich nicke, verlässt er das Auto. Stillschweigend folge ich ihm. Ich weiß von diesen Lagerhallen, aber trotzdem wundert es mich, dass er mir einen so tiefen Einblick in seine Geschäfte gibt.

Vertraut er mir wirklich so sehr?

"Warte Mal. So kann ich da nicht reingehen.", halte ich ihn auf und deute auf das schwarze Shirt.

Er schmunzelt erst, dann zieht er mich mit zum Auto und reicht mir meinen schwarzen Blazer. Stillschweigen schaue ich zu, wie er mir das Shirt über de Kopf zieht und mir in den Blazer hilft.

"Heiß.", grinst er und schließt die Autotür.

Augenverdrehend folge ich ihm zu der großen Stahltür.

"Du bleibst hinter mir, comprende?", spricht er deutlich und schaut mich intensiv an, während er auf meine Antwort wartet.

"Ja, in Ordnung.", nicke ich.

Miguel steckt einen kleinen Schlüssel ins Türschloss. Gespannt schaue ich ihm über die Schulter, während wir die große Lagerhalle betreten. Einige Frauen schauen zu uns herüber und plötzlich wird es unangenehm still, als alle uns bemerken.

"Señor. Ich wusste gar nicht, dass sie kommen.", ruft ein großer, sportlicher Mann durch die Halle.
Miguel erwidert nichts, geht aber mit langsamen Schritten dem Mann entgegen. Es dauert nicht lange, bis die halbnackten Frauen wieder ihre Arbeit aufnehmen.

"Wie sieht es aus mit der Ware, die rüber gehen soll nach Loreto? Ist die fertig abgepackt?", kommt Miguel direkt zur Sache.
Der fremde Mann bleibt stehen und schaut unsicher zwischen uns her.

Er weiß nicht, was er sagen soll.
Er weiß nicht, was er davon halten soll, dass eine Frau neben Miguel steht.

Er kennt mich nicht und er kennt die Beziehung zwischen Miguel und mir nicht.

"Zata, ich habe dich was gefragt.", brummt Miguel und schaut kurz zu den Frauen herüber.

"Die Frauen packen gerade alles ab.", nickt er schnell und zeigt in den hinteren Teil der großen Lagerhalle. Es ist stickig und viel zu warm hier. Miguel beutet diese Frauen mit Sicherheit aus. Wahrscheinlich können sie von ihrem Lohn gerade mal ein Brot und zwei Flaschen Wasser kaufen.

"Kommst du?", reißt mich Miguel aus meinen Beobachtungen.

"Geh ruhig schonmal.", lehne ich ab und schaue mich weiter um.

Er packt mich grob am Oberarm und beugt sich zu mir herunter.
"Amara, das hier ist kein Spiel."

Ohne auf meine Antwort zu warten, zieht er mich hinter sich her. Die Blicke der Frauen liegen auf mir, während Miguel mich mitschleift. Angepisst schüttel ich seine Hand ab, woraufhin er mich nur warnend ansieht. Still laufe ich dem Mann hinterher, von dem ich denke, dass er Zata heißt.

Miguels Klackern von Miguels Lackschuhe dröhnt durch die Halle und erinnert mich gleichzeitig, wer er überhaupt ist. Es ist Absicht, dass er hinter mir her läuft. So hat er mich im Blick.

Unter Kontrolle.

Der unverkennbare Geruch von Zigarettenrauch steigt mir in die Nase und mir wird schnell klar, dass Miguel derjenige ist, der sich eine Zigarette angezündet hat.

"Wo ist denn die Ware, die verschifft werden soll?", erhebe ich zum ersten Mal meine Stimme. Zata schaut mich überrascht und irritiert zugleich an, während er mir skeptisch die Tür zu seinem Büro aufhält.

Mit der flachen Hand deute ich an, dass er zuerst ins Büro gehen soll.

"Die Lieferung wird gerade gepackt, Señora.", antwortet mir der ekelige Typ.

"Zata, Sie halten sich nicht an den Zeitplan. Eine Überfahrt nach Loreto dauert mindestens 3 Stunden. Wir haben gleich fast 14 Uhr. Wie soll die Ware also heute noch pünktlich zu den Kunden kommen?"

Miguels Blick brennt in meinem Nacken und trotzdem geht er nicht dazwischen. Zu groß ist das Bedürfnis zu erfahren, ob ich was von seinen Tipps behalten habe. Im Augenwinkel sehe ich, wie er seine Zigarette angespannt raucht und mich beobachtet.

"Señora, ich bitte sie. Die Frauen brauchen auch mal eine Pause. Sie arbeiten fast 19 Stunden am Tag.", erklärt er den Grund für die Verspätung.

"Ich auch Zata, ich auch.", mischt sich Miguel nun ein. Mit der glühenden Zigarette zwischen den rosigen Lippen, beugt er sich nach vorne und stützt seine Hände direkt vor Zata auf dem Tisch ab.

"Und sag mir noch was, Zata. Diese Frauen verpacken nur Kokain. Ist das harte Arbeit? Ist das harte Arbeit im Vergleich zu meiner Arbeit? Weinen Sie, weil sie sich die kleinen Finger wund drücken? Deshalb gibst du ihnen frei?", zieht er Zatas Aussage flüsternd ins Lächerliche.

"Ich kümmere mich um halb Mexiko. Habe die Staatsanwaltschaft am Hals. Habe andere Kartelle am Hals. Sorge dafür, dass die mexikanische Wirtschaft am Laufen bleibt. Kümmere mich um Handelsrouten und um über 200 meiner Männer, die in ganz Mexiko verteilt sind. Ich knalle Leute ab, Zata. Und du sagst mir, dass 19 Stunden Kokain abpacken hart sei?", faucht er und schlägt anschließend mit der flachen Hand auf den Tisch.

Seine Worte öffnen mir zum ersten Mal die Augen. Miguel wirkt erschöpft und ermüdet. Irgendwie schwach und verletzlich.

Zum ersten Mal erkenne ich, dass sein Beruf nicht spurlos an ihm vorbei geht. Dass er mit dem vielen Blut an seinen Händen hadert, dass er vermutlich immer öfter nachts nicht zur Ruhe kommt, weil er die Leichen nicht mehr so einfach vergessen kann.

"Ich bin es so satt, mir anhören zu müssen, wie hart andere Leute arbeiten. Während ich nun wirklich nichts anderes mache, als zu arbeiten. Ohne mich darüber zu beschweren. Ich sorge Tag und Nacht dafür, dass du im kommenden Monat noch einen Job hast. Und das hier ist dein Dank?"
Miguel hat sich zwar wieder aufgerichtet, dennoch ist er nicht weniger wütend.

" Señor, so meinte ich das nicht.", will sich Zata rausreden, doch es ist vermutlich zu spät.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now