- Kapitel 25 -

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Amara
17:45 Uhr

Vor dem Spiegel im Büro richte ich meine Haare und trage roten Lippenstift auf meinen Lippen auf.
Dann klopft es.

"Ja."

Pino kommt durch die Tür.
"Bist du soweit? Die ersten Hochrechnungen kommen gleich. Paola hat den Tisch fertig gedeckt.", teilt er mir mit und mustert mich.

"Du siehst toll aus.", macht er mir ein ehrliches Kompliment, woraufhin ich ihn auf die Wange küsse.
Dann verlassen wir mein Büro, nachdem ich das Licht ausgemacht habe.

"Paola? Willst du noch duschen? Zu wann soll ich den Fahrer bestellen?", frage ich sie, als sie mir aus dem Wohnzimmer entgegen kommt.

"Für 19 Uhr, wenn es keine Umstände macht.", bittet sie mich.

"Natürlich nicht. Ich gebe dir Bescheid, wenn er hier ist.", nicke ich und gehe dann mit Pino ins Wohn- und Esszimmer.
Jasper sitzt auf dem Sofa und starrt auf den schwarzen Fernseher.

"Bist du nervös oder warum sitzt du dort, als könntest du es kaum abwarten den Fernseher anzuschalten.", witzel ich und greife nach einer grünen Olive.

"Ich bin nervös, ja. Aber nicht wegen den Hochrechnungen, sondern wegen dem Bastard, der gleich hier reinmarschiert.", brummt er und erhebt sich.

"Vergiss nicht, dass du mich damals fast abgeknallt hättest. Nicht er.", beende ich das Thema und öffne die Terrassentür ein Stück weiter, damit die frische Abendluft durchs Wohnzimmer ziehen kann.

"Er hat unsere Familie-"

"Es reicht jetzt!", werde ich laut.
"Es ist meine Entscheidung, dass er heute Abend hier her kommt, weil wir direkt im Anschluss verhandeln werden. Und das tue ich auch für dich, für uns! Für alle hier. Also halt endlich die Klappe und hör auf mir irgendwas vorzuwerfen.", fahre ich wütend fort.

Es geht mir mächtig gegen den Strich, dass er mich immer wie ein kleines Kind behandelt.

Jasper will gerade etwas erwidern, als es an der Tür klingelt. Stumm, ohne auf seine Worte zu warten, wende ich mich ab und laufe zur Eingangstür. Kurz vorher atme ich tief durch, dann greife ich nach dem Türknauf und ziehe einen Teil der schweren Holztür auf.

"Miguel.", begrüße ich ihn und bin gleichzeitig überrascht, dass er alleine gekommen ist.

"Amara.", schmunzelt er leicht und mustert mein Erscheinungsbild.

Ich gehe einen Schritt zur Seite und signalisiere ihm, dass er eintreten kann, was er auch tut. Er trägt einen pechschwarzen Anzug, ein weißes Hemd und schwarze Lackschuhe.

"Hast du gut hergefunden?", schneide ich ein belangloses Thema an.

"Ja, danke.", nickt er und legt seine Hand um meine Taille, um mich zu ihm zu ziehen. Ich habe keine Zeit mich zu wehren, weil er mir direkt einen Kuss auf die Wange haucht. Federleicht, aber spürbar.
Sein Aftershave steigt mir in Nase, als er sich wieder entfernt.

Miguel schaut mir erst tief in die Augen, dann wandert sein Blick über mein Gesicht auf meine roten Lippen.
"Steht dir, die Farbe."

"Das Wohnzimmer ist in die Richtung.", übergehe ich sein Kompliment absichtlich und deute durch die Tür.
Er nickt zwar verstehend, macht aber eine Handbewegung, die mir verdeutlicht, dass ich vorgehen soll.

"Seit wann so feige?", frage ich belustigt und will an ihm vorbei gehen, doch er hält mich am Oberarm fest.
Seine Hand umgreift meinen Oberarm ganz, während sich seine Fingerkuppen stark aber nicht schmerzhaft in meinen Muskel bohren.

"Provozier mich nicht, mi Amor.", flüstert er und lässt mich kurz darauf wieder los. Stumm gehe ich weiter und trete vor ihm ins Wohnzimmer.
Die zwei Augenpaare liegen zuerst auf mir, dann fallen sie hinter mich auf Miguel.

"Guten Abend, die Herren.", begrüßt er Pino und meinen Bruder provokant.

Ich erkenne in Jaspers Gesicht den Hass, den er Miguel entgegenbringt und bin gleichzeitig überrascht, dass er nichts sagt.

"Ich bin Pino.", stellt sich mein bester Freund vor und reicht Miguel tatsächlich die Hand.

Ich erkenne Miguels Zögern, doch er reißt sich zusammen und umschließt Pinos Hand.
"Miguel Jimenez."

Es ist Absicht, dass er seinen Namen nennt. Er weiß, das Pino weiß, wer er ist. Aber das ist seine Taktik.
Er weiß, dass er Menschen verunsichert, wenn er nur seinen vollen Namen nennt und genau das will er auch hier probieren.

"Und das ist Jasper. Amara's Bruder.", deutet Pino in die Ecke, wo Jasper steht und alles mit Adleraugen beobachtet.

"Wir kennen uns.", faucht Jasper.

Miguel nickt.
"Etwas zu gut, wenn man mich fragt."

"In Ordnung, Jasper mach den Fernseher an. Miguel bedien dich. Wein und Sekt steht auf dem Tisch, Whiskey oder Wasser ist aber auch da.", grätsche ich dazwischen, bevor die Situation zu eskalieren droht.
Es wäre wirklich unnötig, wenn es hier zu einer Auseinandersetzung kommt.

"Das hätte ja auch für Xavier gereicht, oder erwarten wir noch jemanden?", fragt Miguel und nimmt sich eine Olive.

"Wir erwarten niemanden mehr. Und du schonmal gar nicht, wenn dann erwartet Amara jemanden.", beantwortet Jasper Miguels Frage unhöflich.

Miguel schiebt sich seelenruhig die Olive in den Mund und verkneift sich offensichtlich ein breites Grinsen, während er lange kaut und seine Augen dabei nicht von meinem wütenden Bruder nimmt.

"Du führst ein Kartell an, das vielleicht mächtigste des Landes, und hast deinen kleinen Bruder nicht unter Kontrolle?", provoziert Miguel weiter und richtet seine Worte absichtlich direkt an mich.
Er spricht über meinen Bruder, als wäre er nicht anwesend, und das treibt Jasper an seine Grenze.

Er zieht seine Waffe hervor und richtet sie auf Miguel, welcher seine Hände zwar langsam hebt, aber den Angriff auf ihn trotzdem gelassen nimmt.

"Jasper!", rufe ich.

"Dieser Mistkerl taucht hier auf, als wäre nie etwas passiert. Und du lässt dich wieder um den Finger wickeln und merkst nicht, was er eigentlich will!", ruft mein Bruder.

Miguel grinst.

"Das stimmt nicht, ich lasse mich nicht um den Finger wickeln. Ich will rein gar nichts von Miguel, außer geschäftliches.", versuche ich ihn zu beruhigen.

"Ist das so?", runzelt Miguel die Stirn.
"Immerhin hast du letzten Samstag lieber meinen Körper gewählt, als den Tod."

Ich schlucke.
Es war klar, dass er das gegen mich verwenden wird.

"Was sagt er da?", fragt Jasper irritiert.

"Nichts, er lügt.", winke ich ab, um die Sache hier zu deeskalieren.

"Du lügst, Miguel.", wiederholt Jasper an Miguel gerichtet.

Kurz kramt Miguel in seiner Hosentasche, dann zieht er einen roten Slip heraus.
Meinen roten Slip, den ich an der Hochzeit unter dem Kleid getragen habe.

"Hier, den hat deine Schwester bei mir vergessen. Nachdem ich sie die ganze Nacht gefickt habe.", provoziert er Jasper weiter und drückt mir den Slip in die Hand.
Sein lodernder Blick ruht auf meinem Bruder.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now