Rache ist süß

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Am nächsten Morgen wachte Henry auf. Er hatte sich die letzte Nacht in den Schlaf geweint. Die Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster, direkt in Henrys Gesicht. Er stand vorsichtig auf und lief ins Badezimmer. 

Im Spiegel sah er, dass sein rechtes Auge leicht angeschwollen und sein Nasenrücken etwas blau war. Er tastete beides leicht ab, lies aber blitzschnell los, als er merkte, wie sehr es noch weh tat. 

Er legte eine Hand an den Spiegel und fuhr mit der anderen durch sein Gesicht. Henry wandte sich vom Spiegel ab. Er bekam es mit der Angst zu tun, als er sein Gesicht so im Spiegel sah. Er konnte sich nicht länger ansehen. 

„Ich muss hier raus", dachte er sich. 

Also ging er zur Haustür und zog an dem Griff. 

„Was ist das denn?" Henry zog immer fester und fester, trat schließlich sogar gegen die Tür. Er fing an in Panik an der Tür zu rütteln, doch sie ging nicht auf. Sein Vater hatte ihn eingeschlossen. Henry donnerte so laut er konnte gegen die Tür. 

„Verdammt!" Als er sich umdrehte und aufgeben wollte, sah er einen Schraubenzieher auf dem Regal liegen. 

„Könnte funktionieren", dachte er und schnappte sich den Schraubenzieher. Er setzte ihn zwischen der Schlossseite der Tür und dem Türrahmen an und tatsächlich: Er schaffte es die Tür auszuhebeln. Erleichtert warf Henry den Schraubenzieher weg und rannte hinaus ins Freie. 

„Wenn er denkt, er kann mich hier festhalten, hat er sich gewaltig geirrt", dachte er sich. Henry schaute sich zuerst ein bisschen um, in der Hoffnung, dass sein Vater bloß nicht in Sichtweite ist. Ihm kamen die alten Gedanken wieder hoch. 

Als Henry noch kleiner war, sperrte ihn sein Vater regelmäßig weg. Henry musste nicht einmal etwas angestellt haben. Sein Vater war entweder mies drauf, betrunken oder hatte einfach nur die Schnauze voll vom seinem Sohn. Er sperrte Henry immer in sein Zimmer, manchmal sogar über Tage, teils ohne Essen oder Trinken. Damals hätte es Henry nicht so einfach gewagt, sich gegen seinen Vater zu stellen. Aber mit der Zeit hat er es gelernt, sich zu wehren. Teils auch, weil er sich viel von seinem Vater abgeguckt hat. Als seine Mutter die Familie verließ, blieb die Erziehung am Vater hängen. Sein Ziel war es, seinen Sohn so zu erziehen, dass er einmal genau so wird, wie sein Vater. Butch benutzte seinen Sohn oft für krumme Dinge, beispielsweise Diebstähle oder Ähnliches. Dass er nur Mittel zum Zweck für seinen Vater war, merkte Henry nicht. Er bewunderte sein Vater, hatte aber auch gleichzeitig Angst vor ihm. 

Henry schüttelte den Kopf. „Wenn mein Vater nicht gewesen wäre, hätte mich niemand großgezogen", sagte er sich. Er wollte jedoch nicht länger an seinen Vater denken. Er lief ein paar Schritte über die Straße. 

„Henry!" 

„Oh Gott", dachte sich Henry, als er Patrick aus einer Ecke kommen sah. 

„Was willst du hier?" 

„Ich wollte nur mit dir reden", antwortete Patrick. Er bemerkte Henrys Auge und Nase, sprach ihn jedoch nicht darauf an. 

„Dein Gerede kenne ich, du Arschloch!" Henry versuchte an Patrick vorbei zu laufen, doch dieser hielt ihn fest. 

„Ach komm schon, lass mich das von gestern wieder gut machen!" Henry warf Patrick einen angewiderten blick zu. 

„Es hat eine neue Bar geöffnet. Wir können uns in dem Schuppen ja mal umsehen? Was sagst du?" Henry blieb still. 

„Komm schon. Bitte! Komm schon Henry." Etwas Ablenkung wäre jetzt genau das, was Henry bräuchte. 

„Von mir aus, wenn du dann Ruhe gibst..." 

„Klasse! Na dann los!" Patrick nahm Henry am Handgelenk und zog in mit.

An der Bar angekommen blieb Henry kurz stehen. Er sah zu Patrick hinüber, welche das blinkende Schild vor der Bar ansah. 'Das Falcon' stand in dicken, schwarzen Buchstaben auf dem Schild, welches aussah, als hätte man es frisch von der Müllkippe geholt, ein bisschen poliert und jetzt hier aufgestellt. Total verrußt und verrostet. 

„Woher wusstest du eigentlich, dass es hier eine neue Bar gibt?" 

„Mein Onkel hat es mir erzählt. Na komm, gehen wir rein!" Patrick hatte es in Henrys Augen viel zu eilig. Da konnte doch etwas nicht stimmen. Die beiden betraten die Bar. Es schien alles ganz normal zu sein. Nur eine kleine Sache wunderte Henry. In der Bar standen rundum nur Männer. Naja gut, dass musste ja nicht schlimm sein. Entspannt setzte sich Henry auf einen der Barhocker. Er sah zwei Männer miteinander tanzen, aber kein gewöhnliches Tanzen. Nein. Die beiden tanzten eng umschlungen. 

„Oh Gott, ich glaube die haben schon zu viel getankt", flüsterte er leise vor sich hin. Doch das allein war nicht das Merkwürdigste. Die meisten Männer waren ganz anders angezogen und bewegten sich ganz anders. Henry störte das aber nicht so. 

Er bestellte sich etwas zu trinken. Plötzlich setzte sich ein Mann neben Henry an den Tresen. „Na du." Er zwinkerte Henry zu. Henry ignorierte ihn gekonnt. Als der Mann jedoch seine Hand auf Henrys Knie legte schubste Henry ihn weg. 

„Fass mich nicht an!" „Henry bleib locker!" „Nein! Alter hast du das gerade nicht gesehen?" 

„Das ist nun mal in einer Bar so." 

„Nein! Ich lasse mich doch nicht von einem Kerl anfassen, ich bin doch nicht schw-" Henry hielt kurz inne. „Moment mal..." Er starrte Patrick zornig an. 

„Du hast mich in eine Schwulenbar geschleppt, Hockstetter!!!" Henry war außer sich vor Wut. Er schlug auf Patrick ein, der das alles anscheinend immer noch lustig fand. 

„Tja, Rache ist süß", sagte Patrick. „Wofür Rache??" 

„Dafür, dass du mich gestern so abgewiesen hast!" 

„Das ist nicht dein Ernst du Hurensohn! Nur weil du dich für Männer interessierst und ich nicht-" „Moment!" Patrick unterbrach Henry. „Ich bin doch nicht schwul! Kann man nicht einfach so mit seinem Freund Spaß haben?" 

Patrick setzte sein Grinsen wieder auf. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Henry trat Patrick so fest er konnte in den Bauch. Dieser krümmte sich vor Schmerz. Henry lief zur Tür und stieß sie auf. Als er aus der Bar trat, sah er seinen Vater genau 5 Meter entfernt stehen, der gerade auf die Bar blickte. Henry wurde kreidebleich und schluckte.


The Story of Henry Bowers Where stories live. Discover now