Trauer

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Die Sonne ging am nächsten Morgen schon recht früh auf und strahlte Henry ins Gesicht.

Er hatte die Nacht in den Barrens verbracht, weinend, schluchzend, in ständiger Trauer um seine Mutter.

Als er von der Sonne geweckt wurde und er die ersten Autos hörte, stand er sofort auf und lief aus den Barrens.

Er war nur ein kleines Stück unterwegs, da kam ihm auch schon Ava entgegen. Sie hatte es geschafft sich von den Fesseln zu befreien und sich an seinem Vater vorbei durchs Haus zu schleichen.

„Henry! Mein Gott was ist passiert?", fragte sie und rannte auf ihn zu.

Henry lief in ihre Arme, umklammerte sie, ließ sie nicht mehr los. Er weinte sich an ihrer Schulter aus und schluchzte.

„Was ist denn los? Henry, rede mit mir", sagte sie und strich ihm über den Rücken.

„M-Mein Vater und u-und meine Mu..."

Er schaffte es nicht, den Satz zu Ende zu bringen.

„Was ist mit deinem Vater und deiner Mutter? Hat dein Vater dir was angetan??", fragte sie.

Sie wollte dringend wissen was los war.

„Meine Mutter ist tot... er hat sie umgebracht", keuchte Henry in fast heiserem Ton.

Ava schüttelte ungläubig den Kopf. Sie nahm ihn in die Arme, drückte ihn ganz fest.

„Ich bring dich hier erstmal weg...", meinte Ava und fing langsam mit Henry in Richtung Park.

Dort angekommen setzten sie sich auf die Wiese.

„Ava... Bitte hilf mit", sagte Henry verzweifelt und zerquetschte fast ihre Hand.

„Ich wünschte ich könnte", entgegnete sie und rückte näher an ihn ran.

„Kannst... kannst du sie nicht wieder zurück bringen? Irgendwie? Da muss man doch was machen können", keuchte Henry.

Seine Augen waren angerötet, die Tränen liefen ihm die Wange hinunter.

„Bist du dir sicher, dass sie tot ist?" Henry nickte sofort.

„Ich weiß, wie mein Vater sich anhört, wenn er es ernst meint. Es brach aus ihm raus... es brach einfach aus ihm raus..."

Henry schniefte und wischte sich die Tränen vom Gesicht.

„Ich bin für dich da Henry. Ich weiß, wie schwer das ist... wir schaffen das gemeinsam", sprach Ava ihm zu und nahm in den Arm.

„Deine Mutter ist immer bei dir!"
Henry starrte sie ungläubig an.

„Wie... wie meinst du das?"

„Deine Mutter ist zwar nicht mehr direkt bei dir, aber sie wird auf dich aufpassen. Du wirst immer in ihrem Herzen sein und solange du an sie denkst, wird sie für dich da sein, dich beschützen, auch wenn du sie nicht mehr sehen kannst, aber du kannst es spüren. Du wirst spüren, dass sie noch da ist."

Sie wischte ihm die Tränen mit ihrem linken Daumen vom Gesicht. Henry lehnte sich an sie.

„Kann ich etwas für dich tun?", fragte Ava. Henry schüttelte den Kopf.

„Du bist hier, das ist schon genug", meinte Henry und lächelte sie an.

Sie lächelte zurück.

„Hat dein Vater irgendetwas gesagt, wegen dem Vorfall?", fragte Ava.

Henry schüttelte den Kopf und fragte sie das gleiche. Sie schüttelte ebenfalls den Kopf, jedoch langsamer.

„Was ist los?", fragte Henry.

„Er... er hat es mitbekommen, dass ihr im Vorgarten gewartet habt", antwortete sie nach einer kurzen Pause.

„Was?! Ava...", er setzte sich strack auf.

„Als du uns am Fenster gesehen hast... er meinte ich sollte euch signalisieren, dass alles in Ordnung wäre", sagte sie.

Henry hätte sich ohrfeigen können. Seine Gefühle haben ihn nicht getäuscht und trotzdem ist er weggefahren.

„Ich hätte es wissen sollen!", zischte er und schlug auf das Gras.

„Es ist alles gut! Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn er euch etwa angetan hätte", meinte Ava.

„Was hat er dir angetan?", fragte Henry.

„Nichts... er verhielt sich danach ruhig", sagte Ava.

Sie wollte Henry keine Schuldgefühle oder Ähnliches geben, sie empfand es auch nicht so, sondern war froh, dass es ihnen bis dahin gut ging, deswegen redete sie erst gar nicht darüber, dass ihr Vater sie an die Heizung gefesselt hatte.

„Ich konnte mich heute Morgen davon schleichen", sagte Ava.

Henry lehnte sich gegen sie.

„Wieso bist du überhaupt noch hier in Derry? Du könntest so viel machen! Du hast so viel vor dir. Dir steh nichts im Wege", meinte Henry und sah Ava an.

„Nein. Ich bleibe hier... hier bei dir. Du bist mir wichtig, Henry", sagte sie und strich ihm über die Wange.
„Du bist mir auch wichtig, aber wenn du dich mit mir abgibst ist das zu gefährlich. Du kannst hier weg. Du kannst aus diesem Albtraum verschwinden. Gib das alles nicht auf für mich!"

Diese Worte fielen Henry schwer. Er wollte sie nicht gehen lassen, doch er wollte sie aus den ganzen Gefahren raushalten.

„Das ist mir alles egal! Du bist mir wichtig und mit dir geht es mir gut! Ich könnte nie gehen", sagte sie und nahm Henrys Hand.

The Story of Henry Bowers Où les histoires vivent. Découvrez maintenant