Eine Enttäuschung

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Am nächsten Tag stand Henry schon recht früh auf. Er zog sich schnell um und rannte aus dem Haus zu der Stelle, an der er Ava am vorherigen Tage weinend aufgefunden hatte und an der er ihr verraten hatte, wer er war. 

Ihm ging zu dem Zeitpunkt alles Mögliche durch den Kopf. Er war nervös, hatte Angst davor, wie sich Ava nun gegenüber ihm verhalten würde. Nach ihrer Reaktion und dem kurz darauffolgenden Verschwinden sah Henry die ganze Sache etwas negativ. 

Er wollte nur zu gern wissen, welche Gerüchte genau an Ava geraten sind und was man ihr so von ihm erzählte. Es war keine Frage, dass Henrys Straftaten-liste lang war, doch er war sich sicher, dass die Hälfte von dem Geschwätz nur erfunden war. Er erblickte den Pfahl, an dem er Ava gestern antraf und setzte sich hin. Je länger Ava auf sich warten ließ, desto nervöser wurde er. Minuten fühlten sich an wie Stunden. Henry begann vor Nervosität an seinen Fingernägeln zu kauen. 

Er wartete... und wartete. 

Nichts. 

Ava tauchte nicht auf. 

Wo ist sie nur, fragte er sich. 

Zunächst machte sich Henry Sorgen. Ob ihr Vater sie wieder in ihrer Gewalt hatte? Ob er ihr etwas angetan hat? Doch diese Gedanken verflogen schnell. Er war viel mehr davon überzeugt, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. 

Wieso auch? Wer würde auch schon gern mit Henry Bowers gesehen werden wollen, dachte er sich. 

Henry zerbrach sich üblicher Weise über solche Dinge nicht den Kopf. Ava war die erste Person, bei der er sich all diese Fragen stellte. Das lag vermutlich daran, weil sie sich anscheinend für Henry interessierte. 

Von Wut und Trauer gepackt stand Henry auf. Er wusste nicht mal so richtig, weswegen er wütend war. Um seine Wut ein wenig rauszulassen trat er mit voller Wucht gegen den Pfahl. Dieser wackelte darauf hin für einen kurzen Moment. 

Henry wollte den Gedanken, dass Avas Vater etwas mit ihr angestellt hat, jedoch nicht einfach so stehen lassen und lief die Straße entlang, die zu ihrem Haus führte. Er kannte sich gut in Derry aus und konnte sich noch daran erinnern, wo ihr Haus stand. 

Henry betrat das Grundstück. Es war weit und breit kein Auto zu sehen, also schien der Vater schon mal nicht zu Hause zu sein. Er näherte sich dem Haus,wischte die Spinnenweben, welche an der äußeren Scheibe des Fensters klebten, weg und drückte sein Gesicht gegen die Fensterscheibe. Es war nichts und niemand zu sehen, auch nichts zu hören. Dem Anschein nach war das Haus vollkommen leer. 

Ob sie das Treffen auch einfach nur vergessen hat? 

Nein. 

An diesen Vorfall müsste sie sich erinnern. 

Henry ging ein paar Schritte zurück und betrachtete das Haus ein wenig. Als er zum ersten Mal hier war, hatte er dazu ja kaum Gelegenheit. 

Das Haus sah ziemlich heruntergekommen aus. Wenn man es so ansah hatte man Angst, dass er womöglich beim nächsten Windstoß in sich zusammenfällt. Der Garten war die reinste Müllhalde. Überall lagen Plastiktüten verstreut, an der einen Stelle ein ausgeschütteter Werkzeugkasten und ein kaputter Regenschirm. 

Nun ja, bei den Bowers' sah es an manchen Tagen auch nicht besser aus, aber das Haus war bei ihnen zumindest stabiler. Während Henry sich das Haus betrachtete, wurde er von einem lauten Hupen aus seinen Gedanken gerissen. 

Blitzartig drehte er sich um. Ein Glück, es war nur Belch. Henry lief zu den Wagen und setzte sich auf den Beifahrer sich. Mit einem lauten Knall schlug er die Autotür zu. 

„Was machst du hier?" 

„Ich sollte was für meinen Vater erledigen, nichts Wichtiges", antwortete Henry genervt. 

Er war immer noch leicht angespannt. „Und was genau?" „Wen interessiert das?!" Henrys Brüllen lies Belch sofort verstummen und nach vorne schauen. 

Henry schaute ihn an. 

„Würdest du vielleicht mal losfahren? Heute noch?" 

Ohne zu zögern trat Belch auf das Gaspedal. Manchmal bekam er auch leicht Angst vor Henry. 

„Die anderen sind schon an der Brücke." 

„Wundervoll", antwortete Henry leicht ironisch und verdrehte die Augen. 

Er ließ sich die Enttäuschung nicht anmerken und versteckte sie wie immer mit Wut. Belch bog ab und hielt direkt an der Brücke. 

„Alles in Ordnung, Henry?" 

Doch ohne etwas zu sagen stieg Henry aus dem Wagen und ging auf die anderen beiden zu. 

Dann eben nicht, dachte sich Belch. 

„Na Henry. Drei Mal darfst du raten, wer eben hier war", begrüßte Patrick ihn. 

„Ist mir doch egal", entgegnete Henry trotzig und lief an ihnen vorbei. 

Verwundert sahen die Jungs ihm hinterher und dann Belch an. Dieser zuckte auch nur mit den Schultern. 

„Unsere kleinen Freunde!", schrie Patrick ihm hinterher. 

Doch aus das interessierte Henry nicht. Patrick rannte ihm hinterher und hielt ihn fest. 

„Wir haben sie festgehalten. Victor hat ihnen die Handgelenke umgedreht. Du hättest die Gesichter mal sehen sollen. Wir haben uns totgelacht, als sie nach ihren Mamis gerufen haben!" 

„Schön", entgegnete Henry trocken. Er hörte Patrick gar nicht richtig zu. 

„Das ist deine Reaktion darauf? Wir hätten sie ja auch einfach gehen lassen können!" 

Henry antwortete nichts. 

The Story of Henry Bowers Where stories live. Discover now