Kindheitserinnerungen

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Die Bowers Gang suchte und suchte, doch nirgends sahen sie Henry. Weder in den Barrens, noch in der Stadtmitte. 

„Vielleicht ist er wieder bei uns?", meinte Patrick.

„Könnte sein. Es bringt wahrscheinlich eh nichts, jetzt als durch die Gegend zu fahren", sagte Belch und drehte wieder um.

Henry konnte überall sein. In der Hoffnung, dass Henry vielleicht wieder zu Hause sein könnte, fuhren die Jungs also wieder zurück. 

Butch Bowers diskutierte immer noch mit dem Mann. Diesem wurde es jedoch zu viel und er hörte Butch gar nicht mehr zu. Er stieg wieder in seinen Wagen ein und fuhr mit einem schüttelnden Kopf davon. Henrys Vater schrie ihm noch hinterher, doch der Mann gab dann erst richtig Gas. Nach diesem Streit hatte er auch keine Lust mehr, nach seinem Sohn zu suchen und gab es auf. Henry würde früher oder später eh wieder nach Hause kommen, daran Bestand kein Zweifel. 

Henry und Ava sahen sich noch ein paar Orte an. Gerade standen sie vor dem Kino.

„Derry scheint wirklich schön zu sein", meinte Ava, als sie sich die Gebäude in der Straße ansah. 

„Nein, Derry ist das letzte Loch", lachte Henry und verschränkte die Arme.

Ava kicherte. Es war für einen kurzen Moment still. Henry genoss die Zeit mit Ava und sie auch mit ihm. Plötzlich sank er ein wenig den Kopf.

„Was ist los?", fragte Ava.

Henry schaute blitzschnell hoch. Er atmete tief ein und aus.

„Nichts... nur... meine Mutter und ich sind damals auch immer hier entlang gelaufen..."

Er sank erneut den Kopf.

„Du musst sie wirklich stark vermissen", meinte Ava, der bei diesem Anblick selbst fast die Tränen kamen, und legte die Hand auf seinen Rücken.

Henry nickte nur flüchtig.

„Meine Mutter ist damals immer mit mir Eis essen gegangen", sagte sie und lächelte.

„Immer dann, wenn wir beim Arzt waren... als Belohnung sozuagen. Ich war was das anging richtig schlimm. Ich hatte richtige Angst vor Ärzten. Das Eis essen war immer das Beste", meinte sie.

Henry lächelte.

„War das bei dir auch so?", fragte sie vorsichtig, um nicht in Henrys Wunde tiefer zu graben.

Henry zuckte nur flüchtig mit den Schultern.

„Warst du nie mit deiner Mutter Eis essen?"

Henry schüttelte leicht den Kopf.

„Wir konnten uns kaum blicken lassen. Überall haben die Leute uns komisch angestarrt, oder uns auch teils vertrieben."

Ava hielt mit starker Kraft ihre Tränen zurück.

„Dann holen wir das nach", sagte sie und lächelte Henry an.

„Wie jetzt?"

„Wir holen uns jetzt Eis", meinte sie und nahm Henry an der Hand.

„Was... warte..."

Doch ehe Henry richtig reagieren konnte nahm Ava ihn mit. Sie bleiben ein paar Meter vor einem Eiswagen in einer der Seitenstraßen stehen.

„Also gut, was magst du haben?"

Ava sah ihn an und wackelte mit den Augenbrauen. Henry lachte.

„Ich weiß nicht..."

„Dann holen wir uns einfach Vanille! Das geht immer", meinte sie und zog ein paar Scheine aus ihrer Hosentasche.

„In Ordnung?", fragte sie und lächelte.

Henry schaute sie mit großen Augen an.

„J-Ja, aber... du kannst das doch nicht bezahlen... ich kann doch..."

Henry fühlte sich schlecht dabei, wenn Ava ihr das Eis bezahlen würde, immerhin war er der Junge. Doch er kam aus ärmeren Verhältnissen und wusste, dass er das Geld dazu nicht wirklich hatte.

„Alles okay... wirklich", meinte sie und lächelte erneut.

Ihr Lächeln wirkte beruhigend auf Henry, ihre Augen funkelten. Sie machte sich also auf dem Weg zum Eisverkäufer. Henry betrachtete sie genauer. Er wusste nicht was es war, aber dieses Mädchen hatte etwas an sich, etwas Außergewöhnliches.

Vielleicht, weil sie das gleiche Schicksal, wie Henry hatte? Vielleicht weil sie ihn so ansah, wie er wirklich war und nicht nur auf die Gerüchte hörte? Egal, was es war, er mochte es.

Ava kam wieder zurück und drückte Henry das Eis in die Hand.

„Danke", sagte Henry und lief ein wenig rot an.

Das nächste Mal würde er auf jeden Fall bezahlen.
Die beiden liefen ein Stück weiter.

„Das ist so gut! Ich weiß echt nicht mehr, wann ich das letzte Mal irgendwas süßes gegessen habe", sagte Henry.

Ava verschluckte sich.

„Was? Meinst du das ernst?"

Henry nickte. Ava überlegte.

„Was wäre, wenn wir uns mal richtig eindecken würden mit Süßigkeiten?", fragte sie.

„Das wäre schön", antwortete Henry und machte ein verträumtes Gesicht.

„Na dann los", sagte sie und rannte vor.

„Meinst du das ernst?", fragte Henry mit großen Augen.

„Na klar", lachte Ava und rannte weiter.

„Du kannst doch nicht..."

„Was hält mich davon ab?", grinste Ava und blieb kurz stehen.

„Wir können das alles nachholen", meinte Ava und lief ein paar Schritte auf Henry zu.

„Dein Vater hat dir deine Kindheit genommen... aber das muss dich nicht davon abhalten, das alles nachzuholen."

Sie wollte etwas für Henry tun. Sie wollte ihn glücklich sehen.

Henry lächelte. Er ist wirklich unter schlimmen Verhältnissen aufgewachsen. Und jetzt war da ein Mädchen, dass sich für all dies interessierte. Sie brachte Henry zum Lachen, sie gab ihm das Gefühl, dass er wertvoll ist.

„Okay", lachte Henry und rannte Ava hinterher.

The Story of Henry Bowers Where stories live. Discover now