Verfolgungsjagd

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Sie setzten sich in den Wagen. 

Als Victor die Tür schloss fragte er Henry: „Meinst du wirklich, dass sie nicht mehr aufgetaucht ist, weil sie weiß, wer du bist?" 

„Ja. Sie hat immerhin ganz komisch reagiert, als sie es rausgefunden hat." 

Henry blieb eher kalt.

„Hmm..." 

Für die Gang war es eine ganz neue Erfahrung, ihren Anführer so zu sehen, der sich etwas aus jemandem machte, dem eigentlich alles egal war. Als Belch den Rückspiegel richtete, sah er durch ihn, dass sich die Frau von vorhin mit zwei Polizisten näherte. 

„Da! Da sind diese Bengel! Da im Wagen!", brüllte sie Frau und deutete auf Belchs Auto. Die Jungs drehten sich gleichzeitig um. 

„Mein Gott!", sagte Victor unglaublich, aber auch genervt. 

„Gibt die denn nie auf?", fragte er. 

„Ganz schön hartnäckig, die Alte", meinte Belch. 

„Ist dein Vater dabei?" 

„Nein", antwortete Henry. 

„Hey! Ihr da!", schrien die Polizisten. 

„Drück auf's Gas!", rief Patrick. 

Sofort warf Belch den Motor an und drückte auf die Tube. Die Victor, Henry und Patrick schauten zu den Polizisten und der Frau. Sie mussten anfangen zu lachen, als sie sahen, dass sie nicht mehr hinterherrennen konnten. Patrick zeigte ihnen noch den Mittelfinger und drehte sich dann um. 

„Hättest du sie nicht überfahren können?", fragte Henry und blickte zu Belch. 

Dieser lachte kurz darauf. 

„Nein, sonst mach ich noch die Karre kaputt", entgegnete er. Die Jungs waren erleichtert, dass sie die Frau endlich losgeworden sind. Sie hatten weit Besseres zu tun, als sich mit so einer rumzuschlagen. Belch hatte schon Recht. Wieso ging sie nicht selbst zu Butch Bowers? Nun gut, sie wussten insgeheim alle, warum. Wer ging schon freiwillig zu den Bowers'? Und dann auch noch zu Butch. Butch war immerhin bekannt als 'der verrückte und irre Bowers', an den sich niemand rantraute. 

Deswegen gingen die Leute immer zu Henry, falls es Probleme mit seinem Vater gab. Das musste schon etwas heißen, wenn selbst die Erwachsenen Angst vor Butch hatten. Schließlich war er auch Polizist. In Henrys Augen hatte er den Beruf gewaltig verfehlt. Ihm war immer noch nicht ganz klar, wie er es überhaupt geschafft hat, dort aufgenommen zu werden, aber das war ihm auch egal. Gerade dann, als die Jungs dachten, dass sie dem Ärger endlich entkommen waren, hörten sie Sirenen hinter sich. Als sie zurückblickten, waren drei Polizeiwagen dicht hinter ihnen aufgefahren. 

„Fuck", flüsterte Belch vor sich hin, doch er dachte nicht daran, an die Seite zu fahren und anzuhalten, im Gegenteil, jetzt gab er erst recht Gas. 

„Schneller!", schrie Henry. 

„Ist ja gut!" 

Die Polizisten gaben ihnen Zeichen, dass sie anhalten sollten, doch diese wurden ignoriert. Plötzlich lehnte sich einer der Polizisten aus dem Fenster und schoss auf die Windschutzscheibe von Belchs Auto. Die Kugel verfehlte jedoch knapp die Scheibe und traf das Auto nicht. Die Jungs duckten sich vor Schreck. Nervös schauten sie sich an. 

„Sag mal geht's noch?!", rief Patrick den Polizisten zu, als er sich umdrehte, und zeigte ihnen erneut den Mittelfinger. 

„Versucht doch uns zu fangen!" 

Die Polizisten kamen dem Wagen der Bande immer näher. Obwohl sie wussten, dass das alles wahrscheinlich nicht gut ausgehen würde, konnten die vier es nicht lassen, die Polizisten bis auf's Mark zu reizen und zu provozieren. 

„Die holen uns gleich ein, mach schneller!" 

„Beruhig dich Vic! Ich hol ja schon alles raus!" 

Als Patrick erneut zu den Polizeiwagen sah, schaute er genau die Polizisten an. 

„Ist Henrys Vater dabei?", fragte Belch nervös. 

„Nein, aber... Moment..." 

Patrick kniff die Augen zusammen und blickte genauer in die Wagen. Auf dem Beifahrersitz des mittleren Wagens sah er die Frau sitzen, die gerade bemerkte, dass Patrick sie ansah und ihm den Mittelfinger zeigte. Victor sah dies auch. 

„Die Irre von eben sitzt im Wagen!" 

Belch klatschte sich gegen die Stirn. 

„Wenn ich die in die Finger kriege!" 

Henry konnte sich über diese Frau nur aufregen. 

„Ne, lass mal. Vorher überfahre ich die wirklich. Falls die mir nicht den Wagen kaputt schießen", meinte Belch und richtete noch einmal den Rückspiegel. 

Victor und Patrick machten sich mit Grimassen über die Polizisten lustig. Die Wagen fuhren kreuz und quer über die Straßen und nahmen keine Rücksicht auf die Fußgänger. Nicht einmal die Polizisten. Belch versuchte den Verfolgern zu entkommen, indem er scharfe, enge Kurven fuhr. Doch die Wagen ließen sich nicht abschütteln. 

„Was machen wir jetzt?" 

Victor wurde allmählich nervös und bekam Panik, als die Polizisten immer mehr aufholten. 

„Fahr da hinten lang", befahl Henry und deutete auf einen Abhang. 

„Am Ende wendest du den Wagen schnell!" 

„Bist du wahnsinnig?!" 

„Tu es!" 

Patrick und Victor schauten Henry ängstlich an, dann auf den Abhang, der immer näher kam. 

„Na schön! Ich hoffe du weißt, was du tust!" 

Belch hatte kein besonders großes Vertrauen zu dem Plan, aber schnappen lassen wollte er sich auch nicht. Er fuhr geradewegs auf den Abhang zu. Niemandem war wohl bei der Sache, auch die Polizisten machten verwirrte Gesichter. 

„Die werden sich doch wohl nicht in den Selbstmord stürzen?", fragte ein Polizist seinen Kollegen im Wagen. 

Die Jungs wurden langsam nervös, je näher sie dem Abhang kamen. Nur Henry blieb ruhig. Als die vier nach hinten blickten, waren plötzlich nur noch zwei Wagen zu sehen. Die beiden folgte ihnen aber immer noch, auch bis zu Abhang. 

Patrick spürte, wie sein Herz immer schneller und schneller pochte. Diese Verfolgungsjagd war der Adrenalinkick schlecht hin! Der Abhang kam näher und näher. Schweißperlen bildeten sich auf Belch's Stirn. Es hing alles von ihm ab. Jeder wusste, dass sie es unmöglich überleben konnten, wenn es Belch nicht gelingen sollte, den Wagen rechtzeitig zu wenden. Er begann zu zittern und tief durchzuatmen. Es war riskant. Vielleicht zu riskant? War es die Sache wirklich wert? Doch für Gedanken war keine Zeit mehr.

Ein paar Meter vor dem Hang schrie Henry: „WENDEN!" 

Belch kurbelte das Lenkrad mehrere Male um und schaffte es tatsächlich haarscharf an dem Hang vorbei zu fahren. Das Auto fing an leicht zu Seite zu kippen. Die Jungs schrien vor Panik, doch als das Auto wieder auf allen vier Rädern stand, drückte Belch so gut wie es ging auf das Gas und sie schafften es tatsächlich zu entkommen. Die Polizeiwagen kamen mit einer Vollbremsung vor dem Abhang zum Stehen. 

Die Jungs drehten sich ein letztes Mal um und lachten laut drauf los. 

„Das habt ihr davon!", schrie Patrick ihnen hinterher.

The Story of Henry Bowers Where stories live. Discover now