Erwischt

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Die vier konnten sich vor Lachen nicht mehr halten. Als sie wieder nahe der Stadtbücherei angekommen waren, stiegen sie aus dem Wagen. 

„Habt ihr deren Gesichter gesehen, als wir nach dem Wenden an denen vorbeigefahren sind?", fragte Belch, der schon fast rot anlief, da er kaum noch atmen konnte vor Lachen. 

„Was ist so witzig daran?" 

Diese Worte ließen Henry das Blut in den Adern gefrieren und ihn stillstehen. Ihm verging von einer Sekunde auf die andere das Lachen, als er die Worte von keiner anderen Person, als von seinem Vater hörte, der hinter ihm stand. Seine Gesichtszüge verwandelten sich von Schadenfreude in Panik und Angst. Langsam drehte er sich um, wagte es jedoch nicht seinen Vater ganz anzusehen. Er blickte nur kurz fluchtartig nach oben. Sein Vater nahm die Sonnenbrille ab und lehnte sich gegen seinen Wagen. 

„Dachtet ihr, ich bekomme das nicht mit?", fragte er und nickte mit seinem Kopf in die Richtung, aus der die Bowers Gang angefahren kam. 

„Dad... wir haben nur..." 

„Halt deinen Mund, du Waschlappen!" Er ging langsam und schwerfällig auf Henry zu. 

„Du bist eine echte Enttäuschung für mich!" 

Henry rührte sich nicht. Er zitterte vor Angst, dass sein Vater ihm jeden Moment eine Ohrfeige verpassen, oder ihn treten würde. Er kannte diese Schmerzen, wenn sein Vater handgreiflich wurde und er hasste sie. Es war wirklich eine regelrechte Angst. 

„Officer Bowers, wir..." 

„Du hältst dich daraus!", unterbrach Butch Patrick. 

Dieser verstummte sofort und rührte sich nicht. 

„Bowers, geh wieder zurück an die Arbeit!", rief einer von Butchs Kollegen ihm zu. 

Butch drehte sich um, blickte dann wieder zu seinem Sohn. Am liebsten hätte er Henry vor allen Leuten zum Gespött gemacht, dann mit nach Hause genommen und ihm eine ordentliche Tracht Prügel verpasst. Doch das ging natürlich mitten in seiner Schicht nicht. 

„Nochmal Glück gehabt... für jetzt! Wir sprechen uns heute Abend, Junge!" 

Er drehte sich um und stieg in seinen Wagen. Ein Kollege stieg ebenfalls in den Wagen und fuhr mit ihm weg. Erleichtert atmeten die vier durch. 

„Sowas hätten wir uns eigentlich denken können", meinte Belch und kratzte sich im Nacken. 

Victor und Patrick lehnten sich gegen den Wagen. 

„Woher wusste er, dass das passiert? Du hast doch gesagt, er war nicht im Wagen", fragte Belch als er Patrick ansah. 

„Nein, aber der andere Mann, der ihn gerufen hat. Er muss in dem Wagen gewesen sein, der zum Schluss nicht mehr da war." 

„Wahrscheinlich hat er uns erkannt und Henrys Vater bescheid gesagt. Vielleicht haben sie uns deswegen gerade nicht mitgenommen", vermutete Victor.

Belch blickte zu Henry, welcher bis jetzt noch kein Wort dazu sagte. 

„Soll ich später mitkommen? Ich meine, wenn du mit deinem Vater sprichst", fragte er ihn. 

„Du willst allen Ernstes zu Henrys Vater? Zu Butch Bowers?", fragte Victor und starrte Belch mit großen Augen an. 

„Wir können doch nicht alles auf Henry schieben. Wir waren schließlich alle dran beteiligt!" 

Henry tat Belch leid. Er hatte schon genug Schwierigkeiten, die Sachen mit seinem Vater würde nochmal eine ordentliche Schippe drauflegen. Henry schaute hoch. 

„Nein, ich mach das allein. Ich komm mit meinem Alten schon klar!" 

„Na gut, sag aber Bescheid, wenn du uns brauchst!" 

Die Jungs fragten sich, was die Polizisten, die eben noch hinter ihnen her waren nun machen würde. Sie fingen an zu Grinsen bei dem Gedanken, dass die Frau, welche ihnen vorhin so auf die Nerven ging, sich nun grün und blau ärgerte, dass sie ihr so knapp entwischt sind. 

Ob Henrys Vater zu ihnen gefahren ist und ihnen verraten würde, wo sie sind? Selbst wenn er ihnen sagen würde, dass er sich persönlich darum kümmert und es keine weitere Arbeit für seine Kollegen mehr sein wird, würde die Frau die Jungs trotzdem aufsuchen. Sie würde die Chance, mit Butch Bowers persönlich zu sprechen, nicht nutzen. Selbst wenn seine Kollegen noch dabei wären, wäre sie vermutlich trotzdem zu feige. 

Bevor die Frau zurückkommen würde, entschieden sich die Jungs dazu wieder in den Wagen zu steigen und wegzufahren. Henry wusste, dass ihn eine Strafe erwarten würde, wenn er am Abend zurück nach Hause kommt und das wird bestimmt keine extra Arbeit auf dem Feld sein. Allein bei dem Gedanken wurde ihn schlecht. Die Angst stieg ihm durch den Körper. 

„Alles in Ordnung Henry?" 

„Was?", fragte Henry, der Belch nicht richtig zugehört hatte. Belch merkte, dass Henry sich Gedanken machte. Er erkannte aber an seinem Gesichtsausdruck, dass es nicht dieselben Gedanken wie die vergangenen Tage waren. 

Es war Angst. 

„Hör mal, du musst nicht zu deinem Vater, du kannst die Nacht auch bei uns bleiben", schlug er Henry vor. 

„Danke, aber je länger ich weg bin, desto schlimmer wird die Situation." 

„Vielleicht vergisst er es ja", sagte Victor. 

„Nicht mein Vater... der sucht förmlich nach Fehlern an mir... lass mich gleich einfach da vorne raus", sagte Henry zu Belch und deutete auf den Straßenrand. 

Belch fuhr an die Seite und ließ Henry aussteigen. 

„Was hast du jetzt noch vor?" 

„Ich laufe noch ein wenig. Vielleicht sehe ich sie nochmal..." 

„Okay. Sehen wir uns morgen?" 

„Sicher." Henry nickte Belch zu, er nickte zurück und fuhr davon. Henry lief die Straße bis zu Kreuzung weiter. Normalerweise hätte er gerade aus laufen müssen um nach Hause zu kommen, doch er bog nach links ab, in die Richtung, zu der es zum dem Pfahl geht, an dem er auf Ava wartete. 

Er setzt sich auf den Boden und lehnte sich gegen den Pfahl, in der Hoffnung, dass Ava noch vorbeikommen würde. Er wollte einfach nur mit ihr reden. Die Minuten zogen sich. Je mehr Zeit verging, desto kleiner wurde seine Hoffnung, dass sie noch auftauchen würde. Ihm wurde langweilig, doch er wollte sich keinen Meter von der Stelle bewegen. Langsam nickte er ein wenig ein, doch er schaffte es noch sich wachzuhalten. 

The Story of Henry Bowers Where stories live. Discover now