Kapitel 82 - Nur über meine Leiche

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"Was hast du mich gerade gefragt?"
Vincent hatte sich abrupt von mir gelöst und mich mit einem skeptischen Blick angesehen.
"Ich denke, du hast mich da schon richtig verstanden. Ich gehe mal davon aus, dass du noch immer ihre Nummer hast. Wenn nicht, kennst du vielleicht jemanden, der mir ihre Nummer beschaffen kann."
"Was versprichst du dir davon? Was genau ist dein Plan?"
"Das brauchst du nicht zu wissen, noch nicht. Ich bitte dich nur um diesen einen kleinen Gefallen."
Er schien zu merken, dass mir diese Angelegenheit wichtig erschien, auch wenn ihm vermutlich nicht bewusst war wieso. Dennoch konnte ich in seinen Augen sehen, das er mit sich haderte.
"Ich habe sie nicht mehr. Und keine Ahnung, wer die Nummer haben könnte. Vielleicht hat Stefan noch Kontakt mit ihr."
"Vincent es ist vollkommen okay, wenn du ihre Nummer noch hast. Das mache ich dir nicht zum Vorwurf.", beteuerte ich schnell, da ich nicht wollte, dass er zum Lügen meinerseits gezwungen wurde.
"Fiona, was willst du von ihr?", fragte er mich nun etwas ernster als zuvor.
"Ich will nur reden, versprochen."
"Das brauchst du nicht. Wenn du etwas über den Vorfall wissen möchtest, dann rede mit mir darüber."
"Warum bist du denn plötzlich so komisch? Du weißt doch gar nicht was ich mit ihr bereden will."
"Ich will einfach, dass du dich von ihr fern hälst. Sie tut dir nicht gut. Und ich will nicht, dass unsere neu gewonnene Beziehung dadurch wieder beschädigt wird."
Mittlerweile hatte Vincent eine seiner Hände zu einer Faust gebildet. Es schien ihm wirklich nahe zu gehen und im Nachhinein hätte ich mich vielleicht an eine andere Person wenden sollen, statt ihn darum zu bitten.
"Tut mir Leid, Whynee. Ich weiß, du machst dir nur Sorgen. Ich hätte dich damit nicht beauftragen dürfen.", entschuldigte ich mich und fuhr durch meine nassen Haare.
"Lass uns zurück zu den anderen gehen.", schlug ich vor und drehte mich zum Strand um.
Vincent jedoch zog mich an meinen Handgelenken zurück zu ihm, sodass ich nun ganz dicht vor ihm stand.
Vereinzelte Wassertropfen fielen von seinem Gesicht direkt auf meines.
"Nur über meine Leiche, lasse ich mir das hier von ihr kaputt machen. Und ich hoffe, es liegt auch in deinem Interesse nichts herauszufordern, was du am Ende doch wieder bereuen könntest."

Mit diesen Worten ließen wir voneinander ab und wateten zurück an den Strand, wo die Sonnenanbeter uns lächelnd in Empfang nahmen.
Den restlichen Aufenthalt kam das Thema nicht mehr zur Sprache und leider beschlich mich das Gefühl, dass Vincent eine gewisse Distanz nun zu mir wahrte. Seufzend packte ich am Ende des Tages meine Sachen zusammen und gemeinsam gingen wir fünf zurück zu unserem Auto.
Die Rückfahrt über ratterte es in meinem Kopf: wen konnte ich noch nach der Nummer von Maja fragen, ohne das Vincent davon etwas mit bekam? Ich wollte selbstverständlich nichts hinter seinem Rücken tun, aber in dieser Sache konnte ich einmal keine Rücksicht auf ihn nehmen. Ich musste mir Klarheit verschaffen und ich wollte sie ehrlich gesagt lieber von Maja haben, als von ihm. Der Grund dafür war ganz simpel: Maja scherte einen Dreck meine Gefühle und würde mir alles schonungslos erzählen, wohin gegen Vincent eventuell einige Dinge anders ausdrücken würde. Es bestand natürlich auch die Chance, dass Maja mich absichtlich anlügen würde, doch dieses Risiko musste ich eingehen. Ich brauchte diese Klarheit für meinen Seelenfrieden. Und da Vincent dies leider nicht nachvollziehen konnte, musste ich mich anderen Menschen in dieser Sache anvertrauen.
Ich war so tief in meinen Grübeleien versunken, das ich nicht mitbekam, wie der Bus vor Dags Wohnung zum Halten kam und alle bereits ausgestiegen waren.
Ich krabbelte über die Sitzbank und holte anschließend meinen Rucksack aus dem Kofferraum.
"Danke fürs Fahren Vincent, es war heute sehr lustig mit euch allen.", sagte Jana und drückt den Großen einmal kurz an sich.
Franzi und Dag nahmen ebenfalls Abschied von ihm, sodass ich die Letzte war, die nun vor ihm stand. Und leider wusste ich auch nicht, was ich wirklich sagen sollte.
"Hat Spaß gebracht.", sagte er und lächelte mich kurz an.
"Fand ich auch. Vielleicht... vielleicht wiederholt man das nochmal...", stammelte ich hilflos vor mich her.
"Wir sehen uns. Und ... mach bitte keine Dummheiten."
Vincent hob die Hand zum Abschied und ging dann zur Fahrerseite. Kurze Zeit später fuhr der Bus vom Hof.
"Wenn mich nicht alles täuscht, ist da irgendetwas vorgefallen zwischen den beiden.", meinte Dag und versuchte es erst gar nicht leise auszusprechen.

Franzi, Jana und ich hatten es uns in Dags Schlafzimmer gemütlich gemacht. Der Berliner war so freundlich uns das Zimmer zu überlassen, während er auf der Couch schlief.
"Versteht ihr, ich brauche diese Nummer von ihr. Nur sie kann mir wirklich die Klarheit geben, die ich brauche.", seufzte ich verzweifelt.
"So hatte ich das eigentlich nicht gemeint, als ich sagte, du solltest vielleicht herausfinden was zwischen den beiden vorgefallen ist.", meinte Jana etwas besorgt. "Du weißt doch selbst was für eine Natter sie ist. Vielleicht solltest du auf Vince hören und das Ruhen lassen, bevor du etwas erfährst, was dir nur noch mehr Kummer bereitet."
"Ich bin durch die Hölle gegangen, die Monate nach der Trennung. Ich halte das schon aus!"
Während Jana und ich heftig am Diskutieren waren, stöberte Franzi in ihrem Handy und würdigte unserer Unterhaltung keine Beachtung.
"Hilf mir doch mal, statt die ganze Zeit mit irgendeinem Typen zu schreiben!", meckerte ich sie an und stubste sie leicht in die Seite.
"Aua. Also erstens einmal, schreibe ich mit keinem Typen. Und zweitens, wozu brauchst du ihre Handynummer? Wenn du Kontakt mit ihr aufnehmen willst, dann check doch ihre sozialen Medien ab. Als wenn so jemand wie Maja nirgendwo angemeldet ist."
"Heißt das, du hast sie gefunden?"
"Natürlich habe ich das." Stolz präsentierte Franzi uns ihre Instagram Seite mit allen möglichen Fotos von Maja und ihren Aktivitäten.
"Und wenn ich das recht lese, nimmt sie morgen Abend an einer gemeinnützigen Veranstaltung Teil, wo der Eintritt kostenlos ist."
Ich riss Franzi das Handy aus der Hand und las mir diesen Post zur besagten Veranstaltung genau durch. Das war die Chance, besser ging es doch gar nicht. Es gab nur ein Problem.
"Was soll ich denn Dag sagen, warum ich weg bin?"
"Ganz einfach. Wir drei haben uns dazu entschieden, abends ne Runde feiern zu gehen, ein Mädelsabend eben. So kommt er auch gar nicht auf die Idee, dass er mit kann.", zwinkerte Franzi uns zu.
"Was sagst du dazu Jana?", fragte ich sie unsicher, da mir ihre Meinung mit die wichtigste war.
"Na schön ich bin dabei. Aber wenn du danach tot traurig bist und ein gebrochenes Herz hast, dann darf ich dir eine Ohrfeige verpassen."
"Du darfst dann alles tun was du willst. Danke Jana!"

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