Kapitel 11 - Mein Retter

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18 Jahre zuvor...

Es war ein bewölkter Nachmittag gewesen, als ich beschloss, mit meinem quietsch gelben Ball, zum Sportplatz zu gehen, um den Jungs einen kleinen Besuch abzustatten.
Fr. Stein hatte mir extra ganz still und heimlich verraten, wo Vincent und Dag waren und ich musste hoch und heilig versprechen, sie nicht zu verraten.
Mit gut gelaunter Miene, tänzelte ich den Feldweg entlang, bis ich schon von weitem die Stimmen der Jungs wahrnehmen konnte.
"Dicker, du kannst auch nichts richtig machen. Jetzt liegen wir schon zwei Tore hinten.", meckerte Vincent seinen Kumpel an.
"Was kann ich denn dafür, wenn DU zu langsam für dieses Spiel bist?", fragte Dag ihn genervt.
"Vielleicht solltet ihr beiden lieber bei der Musik bleiben.", lachten zwei ihrer Freunde sie aus.
"Halt deine Schnauze und spiel weiter.", nuschelte Vincent und schoss den Ball zu ihm.
Die vier Jungen waren so sehr in ihr Spiel vertieft, dass sie nicht mitbekamen, wie ich den Platz betrat. Ich suchte mir eine gute Ecke aus, von der aus ich das Spiel gut beobachten konnte.
"Oh nein, nicht die schon wieder.", nörgelte einer der Jungen und stoppte den Ball mit seinem Fuß. Die anderen drei hielten ebenfalls inne und drehten sich allesamt zu mir um.
"Dag, Vincent, so langsam ist das echt schon nervig. Gibt es euch jetzt nur noch im Dreierpack oder wie?"
Vincent, der sowieso schon angesäuert war, stapfte mit schnellen Schritten auf mich zu und sah von oben auf mich herab.
"Guck mal Whynee, den hat mein Papa mir heute gekauft. Können wir damit spielen?", fragte ich ihn fröhlich und präsentierte ihm stolz meinen Ball.
"Fiona! Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst uns nicht ständig nachlaufen wie ein Hund? Wir brauchen auch mal Zeit nur für uns." Seine Stimme klang wütend, so dass meine Fröhlichkeit sofort aus dem Gesicht verschwand.
"Ich wollte doch nur mit euch spielen.", sagte ich kleinlaut und sah dabei zu Boden.
"Spiel mit dir alleine, wir haben jetzt keine Zeit. Und nimm deinen doofen Ball gleich mit." Vincent entriss mir den Ball und kickte ihn weg.
Fassungslos sprang ich auf und began sofort an zu weinen.
"Du bist so gemein. Ich hasse dich!", schluchzte ich und lief dem Ball sofort hinter her.
"Ey musste das jetzt sein?", fragte Dag und schüttelte dabei verständnislos den Kopf.

Vincent hatte gute Arbeit geleistet - der Ball landete außerhalb des Sportplatzes, mitten im Gebüsch.
Als ich ihn endlich hatte, wischte ich mir die restlichen Tränen von meinen Wangen und sah um mich. Irgendwie hatte ich die Orientierung verloren und wusste daher nicht mehr genau, wo ich lang musste, um wieder nach Hause zu kommen.
Zu allem Überfluss fing es nun auch noch an regnen.
"Mama!!", rief ich ängstlich und lief einfach drauf los. Irgendwann müsste ich ja vielleicht an einem Punkt ankommen, der mir bekannt vorkam.
Doch als ich nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch im Wald umher irrte, gab ich die Hoffnung auf und ließ mich weinend an einen Baumstamm nieder.
Blöder Vincent, dass war alles seine Schuld. Ich würde nie wieder ein Wort mit ihm reden!
"Fiona?"
"Fiona wo bist du??"
Grummelnd horchte ich auf und sah um mich. Hatte dort eben jemand nach mir gerufen?
"Verdammt, hier ist sie auch nicht.", fluchte eine mir bekannte Stimme, die ganz in meiner Nähe zu sein schien.
"Dag? Daaaag!!", rief ich und rappelte mich schnell auf, um der Stimme folgen zu können.
"Ich bin hier.", schluchzte ich und wenige Augenblicke später lag ich in den Armen von Dag, der tatsächlich nach mir gesucht hatte.
"Ich dachte mir schon, dass du dich verlaufen hast. Ein Glück, hab ich dich aber jetzt gefunden.", lächelte er mich an und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.
Fest klammerte ich mich an ihn und war einfach nur froh, dass mich jemand gefunden hatte.

Dag und ich verließen den Wald und gingen gemeinsam zu mir nach Hause.
Unterwegs begegneten wir noch den anderen beiden Jungs, denen Dag jedoch nur einen finsteren Blick zu warf und ohne ein weiteres Wort links liegen ließ.
"Wo ist Whynee?", fragte ich leise, während ich mich weiter an ihn kuschelte.
"Ich glaube, er ist schon zu Hause. Aber mach dir keinen Kopf um ihn, morgen hat er sich schon wieder beruhigt und alles ist wieder gut."
"Er war ganz gemein zu mir."
"Ich weiß, aber bestimmt hat er es nicht so gemeint. Denn eigentlich, hat er dich doch ziemlich gern'."
Sein Lächeln beruhigte mich in gewisser Weise und gab mir ein wohlfühlendes Gefühl.
Zuhause angekommen, erblickten wir beide Vincent, wie er fast schon panisch vor dem Haus auf und ab lief.
"Dickerchen, was machst du denn hier?", fragte Dag ihn überrascht.
Der Jüngere von beiden drehte sich ruckartig um und schien wieder etwas mehr Farbe in sein Gesicht zu bekommen.
"Fiona!" Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schnappte er mich und wirbelte mich einmal um sich herum, ehe er mich dann an sich drückte.
"Gott, ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.", flüsterte er.
"Dag hat mich gerettet.", kicherte ich und sah ihn an.
"Es tut mir unendlich Leid, was ich getan habe. Kannst du mir verzeihen?", fragte er mich schuldbewusst.
Ich sah kurz hinüber zu Dag, der mir zunickte und wandte mich dann wieder Vincent zu.
"Jaaa!!!", lachte ich und legte meine kurzen Arme um seinen Hals, um ihn sanft umarmen zu können.

Zurück im Hier und Jetzt...

"Fiona? Hey, Träumerle. Könntest du jetzt wieder von mir runter gehen?"
Ich blinzelte ein paar Mal auf, ehe ich feststellen musste, dass ich zurück im Hier und Jetzt war und immer noch auf Dag lag. Schnell rutschte ich von ihm herunter und half ihm beim Aufstehen.
"Wo warst du gerade mit deinen Gedanken?", fragte er mich neugierig.
"Mir ist wieder etwas aus unserer Kindheit eingefallen, wo du schon einmal mein Retter in der Not warst.", erzählte ich ihm lächelnd.
"Wann war ich das mal nicht?" Mit einem Grinsen sah Dag mich an und fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar.
"Was hälst du davon, wenn wir etwas zu Essen besorgen und Vincent einen Besuch abstatten?"
Ich stimmte seinem Vorschlag mit einem Nicken zu und musste bei seinen vorherigen Worten ein wenig schmunzeln: Dag hatte Recht, er war früher oft mein Retter in der Not gewesen. Und dafür würde ich ihm immer dankbar sein.

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