Kapitel 86 - Es war einmal

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PoV Vincent

16 Monate zuvor

"Schatz, hast du meine Schlüssel gesehen?" Maja durchwühlte jede einzelne Manteltasche, jede Schüssel, in der sie normalerweise immer ihre Schlüssel aufbewahrten, bis sie vollkommen gestresst vor mir stand. Ihre zuvor gestylten Haare, standen nun gefühlt in alle Richtungen ab und vereinzelte Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
"Die liegen in der Küche in der Obstschale.", rief ich ihr aus dem Arbeitszimmer zu.
"Wie kommen die da hin?", fragte sie vollkommen gestresst und ich konnte hören, wie sie hektisch durch die Wohnung schritt und endlich das langersehnte Klimpern ihrer Schlüssel erklang.
"Wo steckst du eigentlich?", fragte sie.
"Bin hier hinten."
"Wie immer. Hör mal, ich verstehe es, dass du viel zu tun hast, gerade jetzt, wo euer Jubiläumskonzert im August startet. Aber es wäre auch schön, wenn mal wieder ein wenig Zweisamkeit in unsere Beziehung rein kommt. Ich habe zur Zeit eher das Gefühl, als würden wir nebeneinander her leben, anstatt zusammen.", seufzte sie und legte dabei ihre Hände auf meine Schulter.
Ich erwiderte ihr Seufzen, denn sie hatte mit ihrer Aussage vollkommen Recht, es fühlte sich nicht mehr so an, als würden wir zusammen leben. In letzter Zeit stand unsere Beziehung ziemlich unter Strom und musste einige Zerreißproben überstehen. Meine Arbeit war da nicht ganz unschuldig dran, das wusste ich.
Und Maja wusste, worauf sie sich einließ, als sie mit mir zusammen kam. Naja und die letzten drei Jahre hatte es geklappt, aber jetzt... jetzt schien es zu kriseln.
"Ich verspreche dir, der heutige Abend wird nur uns gehören, ja? Such dir etwas schönes aus, was wir machen könnten.", schlug ich ihr vor und zog sie sanft auf meinen Schoß, um sie küssen zu können.
"Vince hör auf damit, du ruinierst noch das Make up. Wir sehen uns später.", meinte sie nur und erhob sich schnell wieder von mir.
Ein Luftkuss war das Einzige, was sie mir an diesem Tag an Zärtlichkeiten gab.

Nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, fuhr ich mit dem Auto zum Studio - Dag und ich hatten uns wie so oft verabredet. Ein weiterer Grund, was Maja in letzter Zeit in dieser Beziehung sehr störte - meine verbrachte Zeit mit Dag. In ihren Augen würde ich mehr mit ihm machen als mit ihr. Ich verstand ihre Sorge ja schon, aber mir war nicht genau klar, wieso sie das plötzlich so störte. Dag und ich waren seit einer unendlich langen Zeit miteinander befreundet, er war wie ein Bruder für mich. Und ich würde mich niemals gegen ihn stellen, das wusste sie und hatte es bis dato auch immer akzeptiert. Vielleicht sollten wir einfach noch einmal ein klärendes Gespräch führen, ich wollte nicht, das sie unglücklich war in unserer Beziehung.
"Grüß dich Dicker.", begrüßte mich der Lockenkopf vor der Tür.
"Hast du deinen Schlüssel nicht dabei?", fragte ich ihn grinsend.
"Ach du weißt doch wie ich bin.", lachte er und trat durch die geöffnete Tür hindurch.
Wir gingen auf direktem Weg nach oben ins Aufnahmestudio, wo Dag sich auf das Sofa schmiss und ich meinen Standardplatz vor dem PC einnahm.
"Also, wir müssen noch ein paar Dinge planen bzgl der Wuhlheide. Ein Programm ist auch noch nicht geschrieben.", zählte ich die Dinge auf, die wir noch abarbeiten mussten, bevor wir im August unser 20 jähriges Jubiläum mit 17.000 Fans, Freunden und Familie feiern konnten.
"Kriegen wir schon alles noch hin. Wir können ja erstmal überlegen, was wir für Songs nehmen.", schlug Dag vor, während er mit seinem Handy beschäftigt war.
"Gute Idee, also Lieder aus dem neuen Album müssen auf jeden Fall dabei sein. Ich würde aber auch gerne Lieder der älteren Generation mit reinnehmen."
"Hey Whynee, guck dir das mal an. Kennen wir die nicht?"
Dag schoss plötzlich nach oben und stolperte auf mich zu, um mir dann sein Handy direkt vor die Nase halten zu können.
"Können wir uns nicht erst einmal auf das Wichtige konzentrieren?", fragte ich und schob sein Handy beiseite.
"Ey doch, das ist sie hundertpro. Die kleine Fiona von damals, erinnerst du dich noch?" Dag schien ganz aufgeregt zu sein und starrte grinsend auf sein Handy.
"Die kleine ... Fiona?", wiederholte ich ungläubig und zog an seiner Hand, sodass ich mir das Bild ebenfalls ansehen konnte, welches mein Kumpel auf seinem Handy hatte.
"Man ist die groß geworden und wie hübsch sie ist.", lächelte er.
"Das ist unmöglich.", nuschelte ich und hatte gar nicht gemerkt, wie ich mittlerweile Dag das Handy entnommen hatte und auf den Bildschirm förmlich starrte.

Der eigentlich angedachte, arbeitsreiche Tag entwickelte sich dahin, dass Dag und ich in Nostalgie verfielen und über unsere Kindheit, die wir mit diesem Mädchen verbracht haben, erzählten. Ich erinnerte mich, dass ich sogar noch zwei, drei Fotos von uns als kleine Gruppe hatte.
Fiona, das Mädchen, das mir in meiner Jugend so oft die Nerven raubte und mir gleichzeitig so viel gab. Leider ist sie mit ihrer Familie weggezogen und wir haben uns nie wieder gesehen, 15 Jahre müssten das jetzt schon her sein. Und dann fand Dag sie einfach so auf Instagram, das konnte doch kein Zufall sein, oder?
Normalerweise glaubte ich an so etwas wie Schicksal nicht, das war doch Humbug. Aber jetzt kam ich ins Grübeln, solch ein Zufall konnte doch wirklich nicht sein.
"Schreib ihr doch mal. Vielleicht erinnert sie sich auch noch an uns.", schlug Dag mir vor.
"Was soll ich denn schreiben? 'Hey, ich weiß ja nicht ob du noch weißt wer ich bin, aber als du noch ein Kind warst, waren wir miteinander befreundet.' Vielleicht kennt sie uns ja gar nicht mehr, ich meine sie hätte sich doch auch irgendwie mal melden können, oder nicht?"
"Haben wir ja auch nicht gemacht. Denke, da kann man ihr keinen Vorwurf machen. Ihr beide hattet doch immer ein sehr enges Verhältnis zueinander. Überleg's dir, vielleicht schreibst du ihr ja noch."
Ich grübelte eine Weile über seine Aussage, bis mein Blick auf die Uhr fiel.
"Fuck, ich bin mit Maja verabredet. Scheiße, ich habe es schon wieder vermasselt, oh sie wird so sauer sein.", fluchte ich und hastete nach draußen. "Wir schreiben Dickerchen.", rief ich Dag noch beim Gehen zu.

Unterwegs hielt ich noch an einem Kiosk an, der noch einen Strauß gelber Tulpen hatte. Das war vermutlich nicht zufrieden stellend für Maja, aber mit ganz leeren Händen wollte ich nicht auftauchen. Sie würde mir so oder so die Hölle heiß machen.
Ich hetzte nach Hause und schloss eilig die Tür zu meiner Wohnung auf.
"Maja, Schatz? Es tut mir so unendlich leid. Dag und ich waren schon wieder voll drin in der Arbeit. Ich mach es wieder gut, versprochen.", sagte ich, da war ich noch nicht einmal ganz in der Wohnung angekommen.
Allerdings bekam ich keine Antwort. Es hatte nicht einmal den Anschein, als ob sich überhaupt jemand hier in der Wohnung befand.
"Maja?", rief ich in die Stille hinein.
Ich tastete mich durch die Dunkelheit, bis ich den Lichtschalter im Wohnzimmer betätigte.
Ich warf einen Blick auf mein Handy - eine Nachricht hatte sie mir nicht geschrieben. War sie vielleicht noch am Arbeiten? Ich entschied mich dazu sie anzurufen und wählte ihre Nummer.
"Komm schon Maja, geh ran."
"Hallo?"

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