Kapitel 91 - Alles ist gut

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Unsanft aus dem Schlaf gerissen zu werden, ist vermutlich mit das schlimmste, was man mir antun kann. Vor allem, wenn die Uhr erst kurz nach acht anzeigt.
Ich drehte mich stöhnend auf die andere Seite und stubste Vincent in die Seite, bis auch er wach zu sein schien.
"Jemand klopft an deine Tür.", nuschelte ich.
"Lass ihn klopfen.", antwortete er leicht genervt und drehte mir den Rücken zu.
"Das stört mich aber beim Schlafen."
"Dann mach die Tür auf."
"Ich bin aber müde."
"Dann bleib liegen und warte bis das Klopfen aufgehört hat."
...
"Ich kann so aber nicht schlafen."
Vincent schlug die Decke beiseite und stapfte in Richtung Haustür. Anscheinend hatte ich meinen Willen gekriegt, wenn auch auf seine Kosten.
Sobald das Klopfen verstummte, seufzte ich zufrieden auf und kuschelte mich wieder in das Kissen zurück.
Allerdings hatte ich mich geirrt, jetzt meine Ruhe zu haben. Denn im nächsten Moment hörte ich lautes Gerede - könnte er denn nicht das Gespräch an der Haustür klären?
Schritte und Stimmen näherten sich dem Zimmer, sodass ich mir die Bettdecke über den Kopf zog. Ich wollte doch einfach nur schlafen.

"Dickie sie ist weg, sie ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich mache mir wahnsinnige Sorgen."
Dags Stimme war nicht zu überhören. Die dunkle und leicht raue Stimme des Berliners würde ich vermutlich überall heraus hören und dieses Mal klang sie sogar voller Sorge.
"Brauchst du nicht, es geht ihr gut."
"Woher willst du das wissen, hä? Vielleicht hat sie im Auto geschlafen oder ihr ist etwas zugestoßen und sie liegt im Krankenhaus. Man ich mach mir Sorgen um sie, kannst du das nicht verstehen?"
"Brudi, ich weiß das es ihr gut geht."
In diesem Moment stubste Vincent die Tür zu seinem Schlafzimmer auf und ich lugte unter der Bettdecke hervor.
"Weil sie nämlich die Nacht bei mir war.", ergänzte er seine Worte und präsentierte mich so wie auf einem Silbertablett.
Dags Augen weiteten sich und sein Mund stand weit offen.
Ein wenig schlaftrunken setzte ich mich auf, richtete meine Haare und blickte ihn dann ganz unschuldig an.
"Du warst die ganze Zeit bei Vincent?"
"Wo sollte ich denn sonst hin?"
"Du hättest anrufen können!"
"Hab ich vergessen, tut mir leid."
Dag trat in das Zimmer ein und schmiss sich regelrecht um meinen Hals.
"Man Kleines, ich hab mir verdammte Sorgen um dich gemacht. Es tut mir so leid, wegen gestern. Ich hätte mit dir reden müssen und dir nichts verheimlichen dürfen."
"Ist schon gut Dag. Ich habe vermutlich auch etwas überreagiert.", beruhigte ich ihn und strich dabei sanft über seinen Rücken.
"Kannst du mir verzeihen?"
"Hab ich doch schon längst.", lächelte ich und sah direkt in seine Augen.
Dag schien erleichtert zu sein, seine komplette Körperhaltung entspannte sich und auf seinem Gesicht erblickte ich endlich wieder ein Lächeln.

Das Lächeln war allerdings nur von kurzer Dauer, denn mit einem mal zeichneten sich seine Lippen zu einer schmalen Linie und seine Stirn legte sich dabei in Falten.
"Moment Mal...", fing er an und blickte zwischen Vincent und mir hin und her.
"Du warst also die ganze Nacht hier? Bei ihm? So als wäre das normalste auf der ganzen Welt?", fragte er skeptisch und ließ dabei seinen Blick wieder auf mir Ruhen.
Ich rollte mit den Augen und fing dann an zu Schmunzeln.
"Genau so war es."
"Bedeutet das etwa...?"
Wieder wechselte er den Blick zwischen uns beiden hin und her.
"Ja genau."
Dag sprang vom Bett auf und klatschte Vincent gegen die Schulter.
"Ich habs doch gesagt alles wird wieder gut. Du musst nur deinen Hintern hoch kriegen.", lachte er und schlug gegen die andere Schulter seines besten Freundes.
"Aua, ist ja gut. Deswegen musst du mich ja nicht gleich hauen."
Grinsend ärgerte der Lockenkopf den jüngeren von ihnen beiden, was ich mit einem Lachen beobachtete.
"Und du!", sprach er nun mich an und zog mich schwungvoll am Handgelenk aus dem Bett.
"Dag was machst du denn da?", fragte ich überrascht und wäre beinahe ins Stolpern geraten.
Er legte seine Arme sowohl um mich, als auch um Vincent und drückte so fest es ging zu.
"Du zerquetscht mich."
"Das ist mir egal! Man ihr glaubt gar nicht wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe. Endlich ist die Truppe wieder so vereint wie es einmal war. Ich hab mein kleines Turteltauben Paar wieder.", schniefte er und grinste uns beide mit einem breiten Lächeln an.
Vincent und ich konnten nicht anders, als mit zu lachen.
Es war noch ein wenig surreal, dass wir beide wieder zueinander gefunden hatten. Aber die Freude, die Dag dabei empfand, genau so wie das pure Glück, welches durch meine Venen floss, machten das Ganze realer und ließen die Gefühle noch intensiver werden.
Wir waren wieder vereint, nach einer gefühlten Ewigkeit des Kummers.

Dag ließ langsam wieder von uns ab und verabschiedete sich wenige Minuten später von uns. Er konnte nun wieder beruhigt sein, nachdem er wusste wo ich war.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ihn das so sehr ... in Euphorie versetzt.", gab ich lächelnd zu, nachdem wir die Türe hinter ihm geschlossen hatten.
"Wenn ich daran denke, wie niedergeschlagen er war, als wir uns getrennt haben, wundert mich diese Reaktion eigentlich so gar nicht."
Vincent lächelte und legte dabei seine beiden Arme um mich.
"Was hälst du von einem Frühstück?"
"Hast du denn noch etwas da, in diesem ganzen Packchaos."
"Die Küche ist noch nicht ganz leer geräumt.", grinste er.
"Dann lass uns etwas frühstücken. Und wenn du magst, helfe ich dir später noch beim Zusammenpacken von einigen Dingen.", schlug ich vor.
"Das hört sich nach einem sehr guten Plan an."
Der junge Berliner beugte sich ein Stück mir entgegen und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, welchen ich ebenso sanft erwiderte.
Dann gingen wir beide Hand in Hand in seine Küche, wo wir uns gemeinsam ein Frühstück herrichten, welches wir anschließend auf seiner Dachterrasse einnahmen.
"Musst du heute noch ins Studio?", fragte ich ihn, während ich von meinem Toast abbiss.
"Heute nicht, wir haben also genug Zeit, die restlichen Sachen einzuräumen. Aber wenn du magst, können wir gerne mal zu dem Haus fahren, dann kannst du es dir einmal ansehen.", schlug Vincent vor.
"Oh das hört sich nach einer guten Idee an. Lass uns das gleich nach dem Frühstück tun."
"Na da hat es aber jemand eilig.", lachte er und griff über den Tisch nach meiner Hand, über die er sanft mit seinem Daumen fuhr. "Es ist schön, dich wieder bei mir zu haben."
"Geht mir genau so.", lächelte ich und beugte mich über den Tisch, um ihn erneut küssen zu können.
Wie hatte ich diese Zärtlichkeiten doch nur vermisst.

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