Kapitel 16 - Herzbeben

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"So ihr kleinen Mäusezähnchen, ich bin kaputt und werde mich jetzt aufs Ohr legen." Dag streckte sich und gab dabei ein lautes Stöhnen von sich.
Mittlerweile hatten wir es kurz vor Mitternacht und auch ich merkte, wie ich so langsam aber sicher müde wurde.
"Na schön, dann werde ich mich jetzt auch mal auf den Weg nach Hause machen." Vincent erhob sich von der Couch und reckte sich ebenfalls einmal kurz.
Dann sahen beide Jungs mich fast schon erwartungsvoll an, so als müsste ich jetzt irgendetwas bestimmtes von mir geben.
"Äh .. ich bin auch müde?!", sagte ich und runzelte verwirrt die Stirn.
Grinsend schüttelte Dag seinen Kopf und schaltete den Fernseher aus.
"Bleibst du hier oder fährst du mit Whynee mit?"
Nun schien mir eine Erleuchtung zu kommen und ich wusste, worauf sie beide hinaus wollten. Diese Erkenntnis weckte in mir jedoch eine kleine Unsicherheit, da ich nicht genau wusste, was ich jetzt tun sollte.
Dag hatte sich so lieb um mich gekümmert und eigentlich war es abgemacht, dass ich die Tage bei ihm blieb, da auch das Hotel ganz in seiner Nähe war.
Andererseits ... eine Nacht erneut neben Vincent zu verbringen hatte definitiv etwas sehr schönes an sich. Und nachdem ich sowieso in eine Art Gefühlschaos steckte, konnte ich so vielleicht heraus finden, was das zwischen uns war.
"Alles klar, ich geh dann mal schlafen. Wir sehen uns morgen." Mit diesen Worten nahm Dag mir meine endgültige Entscheidung ab und verließ das Wohnzimmer. Vielleicht kannte er mich aber auch einfach zu gut und wusste, dass ich insgeheim lieber bei Vince bleiben wollte.

Ich schnappte mir meinen kleinen Koffer und stieg dann zu Vincent ins Auto ein. Vor uns lag eine ca. 20 minütige Autofahrt, die wir die meiste Zeit mit Schweigen verbrachten. Vielleicht lag es daran, dass wir beide echt erledigt waren oder aber niemand wusste so recht, was er sagen sollte. Ich schaute aus dem Fenster und verfiel meinen Tagträumereien, während im Radio leise Musik vor sich her erklang.
Auf den Straßen war einiges los, kein Wunder an einem Freitagabend. Menschen saßen in kleinen Bars oder lauschten der Musik von Straßenkünstlern. Berlin war um diese Zeit wirklich lebhaft und ich fand es ganz angenehm mir dieses Lebhafte anzusehen.
Hin und wieder schweifte mein Blick kurz zu Vincent, doch dieser schien sich voll und ganz auf den Verkehr zu konzentrieren, so dass ich mich wieder dem Spektakel dort draußen widmete.
Im Radio erklang das Lied 'Zu Dir' von Lea, welches ich leise mitsang und meine Füße passend zum Rhythmus mitwippen ließ. In Gedanken verloren bemerkte ich nicht, wie plötzlich etwas warmes meine Hand berührte. Erst eine kurz Zeit später nahm ich es wahr und zuckte vor Schreck kurz zusammen.
Vince zog seine Hand schnell wieder weg, ohne dabei etwas zu sagen. Als ich endlich realisierte, dass es eben seine Hand war, die auf meiner lag, konnte ich mir ein verlegenes Lächeln nicht verkneifen. Augenblicklich schlug mein Herz um einen Ton höher und ich spürte eine aufkommende Hitze in mir.
Ich überlegte nicht lange und legte wenig später meine Hand ganz sanft auf seine, die währenddessen auf dem Schaltknauf lag.
Aus dem Augenwinkel aus konnte ich nun auch auf seinem Gesicht ein Lächeln wahrnehmen. Wie in Zeitlupe verschränkte er seine Finger mit meinen und hob unsere Hände soweit an, dass er mit seinen Lippen mir einen hauchzarten Kuss auf meinen Handrücken geben konnte.
Nun hatte ich das Gefühl, dass das Herzbeben immer lauter wurde.

"Du weißt ja schon, wo alles zu finden ist, oder? Ich hüpfe noch schnell unter die Dusche und bin dann sofort bei dir." Vincent stellte meinen Koffer im Flur ab und schaltete überall die Lichter an, ehe er dann selbst rasch im Badezimmer verschwand und mich alleine ließ.
Noch immer ein wenig gerührt von der vorherigen Szene, schnappte ich mir meinen Koffer und kramte meinen Pyjama daraus, den ich mir sogleich auch anzog.
Anschließend schaltete ich das Licht im Flur aus und ging in sein Schlafzimmer. Das letzte Mal als ich hier war, war nach unserer Wiedervereinigung und mir kam es so vor, als sei bis hier hin unglaublich viel passiert, vor allem was meine Gefühle angeht. Ich bin eine regelrechte Achterbahn gefahren und leider beschlich mich das Gefühl, dass das noch lange nicht alles war.
Mit diesen Gedanken schloss ich das alles erst einmal ab und versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Wie auch schon damals im Hotelzimmer, krabbelte ich in sein Bett und kuschelte mich hinein.
Das Kissen roch nach ihm und zauberte mir erneut ein Lächeln auf meine Lippen. Ich konnte nicht an mich halten und drückte mein Gesicht einmal fest in das Kissen und gab dabei einen wohligen Seufzer von mir.
"So gemütlich?" Vincent stand im Türrahmen und sah mich mit einem frechen Grinsen an.
Sofort nahmen meine Wangen die Farbe einer reifen Tomate an und ich versuchte irgendwie zu vertuschen, was ich da gerade getan hatte.
"Das ging ja fix mit dem Duschen.", versuchte ich schnell das Thema zu wechseln.
Schmunzelnd schlug Vince die Decke beiseite und schlüpfte sogleich unter diese. Mein Herz schlug erneut wie verrückt gegen meine Brust - dieses mal lag es aber vermutlich an meiner peinlichen Situation, in der ich mich gerade verband.
"Weißt du schon, was du morgen machen möchtest?"
"Ehm, nein darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht gehen wir etwas bummeln oder machen typischen Tourikram. Oder ihr zeigt mir euer Studio.", schlug ich vor.
"Gute Idee, dann können wir uns endlich einmal von deinen Gesangskünsten verzaubern lassen.", grinste er mich an.
"Oh nein, vergiss es. Das wird niemals und ich wiederhole, niemals passieren!"
"Wir werden sehen."
Damit war das Gespräch beendet und wenig später lagen wir schlafend eng beieinander und jeder von uns genoss in diesem Augenblick wohl einfach nur die Nähe des jeweiligen anderen.


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