Kapitel 14 - Mir geht es gut

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Es war so ein typisches Phänomen: wenn man sich auf etwas ganz doll freute und es kaum abwarten konnte, bis es endlich soweit war und dir dann die Zeit einen Strich durch diese Vorfreude macht - denn sie verging einfach viel zu langsam.
Zwei Wochen waren nicht die Welt, aber in dem Gefühlschaos, in dem ich zur Zeit steckte, fühlten sich diese Wochen wie ein ganzes Jahr an. Da half es auch nichts, dass ich fast täglich mit beiden Jungs schrieb und hin und und wieder auch mal skypte mit ihnen. Sie live und in Farbe vor mir zu haben war etwas, was nichts und niemand ersetzen konnte.
Irgendwann wurde ich einfach nur noch unausstehlich, sodass meine Eltern und meine Freunde nur noch genervt von mir waren und vermutlich froh waren, wenn ich nicht bei ihnen war. Dadurch, dass ich mir aber selbst einen so inneren Stress machte, merkte ich, dass es mir gesundheitlich nicht ganz so gut ging und ich die letzte Woche zu schwächeln begann.
"Auf gar keinen Fall fährst du nach Berlin, wenn es dir nicht gut geht.", hörte ich die Stimme meines Vaters immer und immer wieder sagen, als er mich am Mittwochnachmittag mit verschnupfter Nase und geröteten Wangen sah.
Mir war es egal was er wollte und was nicht. Ich war alt genug selbst zu entscheiden, ob ich in diesem Zustand drei Stunden Auto fuhr oder nicht.
Nichts und niemand konnte mich davon abhalten am Freitag dorthin zu fahren.

Meine Euphorie und mein Wille in allen Ehren, aber als ich endlich mein Auto vor dem Hotel zum Stehen brachte, lehnte ich meinen Kopf gegen das Lenkrad und atmete erleichtert tief ein und aus. Die Autofahrt nach Berlin rein war der reinste Horror! Ich bin von fünf Spuren auf drei Spuren gefahren und plötzlich wurden es wieder gefühlt sieben Spuren - ich kann euch sagen, in einer Großstadt Auto zu fahren macht keinen Spaß. Leider hatte sich mein gesundheitlicher Zustand nicht wirklich gebessert und ich hatte es nur mit Medikamenten geschafft hier her zukommen.
Seufzend kramte ich mein Handy heraus und wählte Dag seine Nummer.
"Also ich wäre jetzt vor dem Hotel.", sagte ich und versuchte nicht allzu angestrengt zu klingen.
"Prima, ich bin in zehn Minuten bei dir. Bis gleich."
Da Dag in der Nähe des Hotels wohnte, hatte er vorgeschlagen mich zu 'empfangen' und ein wenig Zeit mit mir zu verbringen, so lange Vincent am Arbeiten war. Angeblich produzierte er gerade wieder einige neue Songs mit bekannten Künstlern.
Ich wusste ja bereits vom letzten Mal, dass er ein viel beschäftigter Mann war. Und trotzdem konnte ich eine kleine Enttäuschung in mir nicht verbergen, dass er nicht auch jetzt hier war, um mich zu empfangen.
Dafür aber hatten wir uns vorgenommen am Abend einen kleinen Videomarathon zu starten, der Erlebnisse aus unserer Kindheit beinhaltete.

In Gedanken versunken, bemerkte ich nicht, wie Dag längst neben meinem Auto stand und gegen die Scheibe klopfte.
Mit einem kleinen Lächeln öffnete ich die Tür und gab ihm zur Begrüßung eine sanfte Umarmung.
"Schön das du da bist. Wie war die Fahrt?", wollte Dag wissen und half mir mit meinem Gepäck, was eigentlich nur ein Handkoffer war - aber er wollte vermutlich den Gentlemen spielen.
"Anstrengend, ich hasse es hier Autofahren zu müssen.", sagte ich und begleitete ihn zu sich nach Hause.
Da meine beiden Freundinnen am Sonntag ebenfalls anreisten, konnte ich die Zeit über so lange bei Dag unterkommen, da wir das Hotel nur für eine Nacht gebucht hatten.
"Das verstehe ich. Und sonst, ist alles gut bei dir? Du wirkst etwas k.o."
"Jaja, alles gut. Bin nur etwas müde.", log ich schnell und überspielte das mit einem Lachen.
Dag sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue skeptisch an und beließ es erst einmal bei dieser Aussage.
Bei seiner Wohnung angekommen, gab er mir einen kleinen Rundgang, ehe er dann meinen Koffer ins Wohnzimmer abstellte.
"So, Vince muss ungefähr bis um 20uhr arbeiten. So lange musst du dir mit mir die Zeit tot schlagen.", grinste Dag mich an.
"Fünf Stunden mit dir alleine? Na, ob ich das schaffe?", überlegte ich laut und kicherte dann. "Was kann man denn hier so in der Gegen nettes anstellen?", fragte ich ihn.
"Wir könnten in den Park gehen und dort etwas abhängen. Oder ich weiß ja nicht wie es bei dir mit dem Hunger aussieht - sonst gehen wir erst einmal eine Kleinigkeit essen."
"Essen gehen hört sich ganz gut an. Ich mache mich nur kurz etwas frisch.", sagte ich und ging an ihm vorbei, um ins Badezimmer gehen zu können.
Ich blickte in den Spiegel und merkte mit einem Mal, wie sich langsam aber sicher alles zu drehen began. Ich hielt mich etwas fester am Waschbecken fest und kniff für einen Moment meine Augen zu. Ich durfte jetzt nicht schlapp machen.

Das Nächste woran ich mich erinnerte, war ein besorgter Dag, der mich mitfühlend ansah, während er gleichzeitig am Telefon war. Etwas verwirrt über dieses Bild, blinzelte ich ein paar Mal und versuchte um mich zu sehen. Dabei entstand jedoch wieder ein Schwindelgefühl und ich entschloss mich schnell wieder dafür, nur in eine Richtung zu sehen.
"Ja nun beruhig dich. Es ist alles okay, du musst jetzt nichts ... Dicker, sie ist ja nicht tot. Ja, ich weiß, ja das kannst du ihr ja auch gerne nochmal sagen. Gut, bis gleich." Dag legte mit einem genervten Stöhnen auf und wandte sich wieder mir zu.
"Na du kannst dich ja gleich auf was gefasst machen.", sagte er mit einem kleinen Schmunzeln und setzte sich zu mir aufs Bett. "So viel dazu, dass es dir gut geht."

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