Kapitel 42 - "Ich bin seine Freundin!"

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Das wiederholende Klingeln der Haustür wurde an diesem Morgen immer unerträglicher. Es war ein nervtötendes Dröhnen, was immer und immer wieder durch meine Gedanken huschte. Und es wollte einfach nicht aufhören.
"Whynee, mach das es aufhört!", jammerte ich und piekte ihn sanft in die Seite. Doch als Antwort darauf bekam ich nur ein Schnarchen.
Widerwillig schlug ich die Bettdecke beiseite und verließ das Bett. Auf dem Weg zur Haustür, musste ich durch das Wohnzimmer und dabei aufpassen, dass ich nicht über Dag und Jana stolperte, die quer über den Boden auf Matratzen lagen. Das sie durch das Klingeln nicht wach wurden, wunderte mich doch extrem.
Als ich die Tür endlich erreicht hatte, riss ich diese genervt auf und musste zweimal hinsehen, welch ein Anblick mir da geboten wurde: eine junge Frau, vielleicht so um die 30 rum, stand in einem sehr knappen Outfit vor mir. Ihre blonden Haare, schienen fast schon zu perfekt über ihre Schultern zu fallen und das Make up war alles andere als dezent. Ich fühlte mich neben ihr, wie der letzte Bauerntrampel - ungeschminkt, Haare verwuschelt und das Shirt von Vincent reichte mir als Nachthemd.
"Ist Vincent da?", fragte die Frau mich in einem auffordernden Ton, doch bevor ich überhaupt antworten konnte, schob sie mich zur Seite und trat in die Wohnung ein - so als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt gewesen.
"Äh, entschuldige mal bitte, du kannst hier nicht einfach so rein.", sagte ich und schloss die Tür wieder.
"Das geht schon klar, Vincent und ich kennen uns sehr gut."
Die Blondine marschierte geradewegs durch das Wohnzimmer, auf direktem Weg ins Schlafzimmer. Ungläubig blickte ich ihr nach und lief ihr dann aber eilig hinter her.
"Hey! Raus hier!", sagte ich wütend und zog sie an ihrem Ärmel nach draußen.
"Finger weg!", schrie sie mich an, doch ich hatte sie bereits zurück ins Wohnzimmer gezogen. Seltsamerweise wurden durch diesen Lärm alle wach.
Dag rieb sich verschlafen die Augen und blickte etwas verträumt um sich. Dies änderte sich jedoch, als er die Frau neben mir erblickte.
"Was machst DU denn hier?"
"Ah Dag, hätte mir ja denken können, dass du auch hier bist. Man trifft euch ja selten alleine an. Ich bin hier, um mit Vincent zu reden. Aber diese Pute lässt mich nicht zu ihm!", sagte sie und riss sich von mir los.
"Pute? Hör mal zu, was denkst du eigentlich genau wer du bist?", fragte ich sie empört.
"Ich bin Maja, Vincent's große Liebe.", grinste sie mich frech an.
Kurz blieb mir bei diesen Worten das Herz stehen und ich mochte nicht wahr haben, was ich da gerade gehört hatte.
"Du hast Ex Freundin vergessen." Plötzlich erschien Vincent aus dem Schlafzimmer und schien über diese Begegnung alles andere als begeistert zu sein.
"Vinnie, da bist du ja endlich. Dieses Ding hier wollte mich einfach nicht zu dir lassen.", sagte sie und schenkte ihm dabei ein zuckersüßes Lächeln.
Wütend ballte ich meine Hände zu  Fäusten und stellte mich sofort zwischen den Beiden, bevor sie noch auf die Idee kam, ihm näher zu kommen.
"Ich bin weder eine Pute, noch irgendein Ding. Ich bin seine Freundin!", stellte ich klar.

Diese Aussage schien sie nicht erwartet zu haben, denn einen Moment lang starrte sie fassungslos zwischen uns beiden hin und her. Dann aber setzte sie wieder ein Grinsen auf ihre Lippen und biss sich leicht auf ihre Unterlippe.
"Nun, jetzt verstehe ich natürlich, warum du keine Zeit hattest mit mir zu telefonieren vor einer Woche. Dann will ich auch mal nicht weiter stören. Ich hoffe, du hast bald mal wieder Zeit für mich - wenn dein kleiner Terrier es erlaubt." Augenzwinkernd machte sie auf ihrem Absatz kehrt und verließ die Wohnung.
Niemand wagte etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Die ganze Szene, schien so surreal gewesen zu sein, das ich nicht glauben konnte, was sich vor meinen Augen gerade abgespielt hatte.
"Ein Vertreter war das also am Telefon?", fragte ich monoton, ohne mich zu ihm umzudrehen.
"Können wir darüber bitte in Ruhe und vor allem alleine reden?", fragte er mich und legte dabei eine Hand auf meine Schulter.
Die anderen drei wechselten einige kurze Blicke und standen dann sofort auf, um irgendwelchen Tätigkeiten nachgehen zu können.
Seufzend lockerte ich meine Haltung und ging vorweg ins Schlafzimmer zurück.
Vincent kratzte sich an seinem Hinterkopf und stand vor mir wie ein Schuljunge, der etwas ausgefressen hatte.
"Ich ... ich habe dich angelogen, weil ich dich nicht zu unrecht beunruhigen wollte. Ich weiß nicht, warum Maja plötzlich wieder den Kontakt zu mir sucht. Wir sind seit einem Jahr getrennt und es war für uns beide in Ordnung. Aber ich hatte kein großes Interesse daran, den Kontakt aufrecht zu halten. Vor allem nicht, als du wieder in mein Leben getreten bist. Vor einigen Wochen kam sie dann plötzlich wieder bei mir an, von wegen sie würde mich vermissen und hätte gerne noch eine Chance. Ich habe ihr klar gesagt, dass es vorbei ist und ich nichts mehr von ihr hören möchte. Das musst du mir glauben, ich will sie nicht mehr, das ist Vergangenheit und lange her. Du bist meine Gegenwart und meine Zukunft."
Seine braunen Augen fixierten mich und ich konnte in ihnen erkennen, dass er es Ernst meinte und wie leid ihm diese Lüge tat. Ich weiß nicht, ob ich nicht genau so gehandelt hätte. Hätte er mir die Wahrheit damals erzählt, hätte ich mir sicherlich Sorgen und Gedanken darum gemacht. Aber tat ich das jetzt nicht auch? Immer hin war sie hier bei ihm in der Wohnung, wusste mit großer Sicherheit auch wo er arbeitete ... wenn ich zurück in meiner Kleinstadt war und er hier alleine, konnte ich mir dann zu 100% sicher sein, dass die beiden sich nicht wieder über den Weg liefen? Ich kannte sie nicht, aber sie schien jemand zu sein, der ihr Ziel klar vor Augen hatte und mit allen Mitteln dies auch erreichen wollte.
Und immerhin hatten die beiden eine gemeinsame Vergangenheit miteinander, in der vermutlich auch tiefe Gefühle füreinander eine große Rolle spielten.

"Fiona? Hey nun ... nun sag doch irgendetwas..." Ich musste eine ganze Weile lang geschwiegen haben, denn Vince sah mich noch besorgter und fast schon ängstlicher an, als zuvor.
"Ich ... ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Ich bin nunmal ein sehr ängstlicher Mensch was dieses Thema angeht. Es war nicht schön, dass du mich angelogen hast und ebenso war das gerade nicht sehr schön mitzuerleben. Keine Ahnung wie weit sie noch gehen würde, immerhin bin ich bald nicht mehr da. Und auch wenn ich dir zu 100% vertraue, habe ich Angst, das etwas schlimmes passiert."
Vincent nahm neben mir auf dem Bett platz und nahm meine Hand sanft in seine.
"Die Angst hätte ich umgekehrt genau so. Ich kann dir nur sagen und versprechen, dass ich mich auf nichts einlassen werde und keinen Kontakt zu ihr suche. Sollten unsere Wege sich kreuzen, werde ich dem so schnell es geht wieder entkommen. Ich möchte dich nicht beunruhigen oder dir Kummer bereiten, verstehst du? Und du kennst mich, die meiste Zeit bin ich eh im Studio und da lasse ich nur Menschen rein, die ich auch bei mir haben möchte, genau so wie in meine Wohnung. Das heute hätte nicht passieren dürfen und es tut mir von ganzem Herzen leid, dass du das durchmachen musstest." Vorsichtig hob er meine Hand an und hauchte einen zarten Kuss darauf.
"Nichts und niemand wird sich zwischen uns stellen können, das verspreche ich dir!"
Ehe ich mich versah, lag ich eng angekuschelt an seiner Brust und hatte die Arme um ihn gelegt. Ich musste versuchen meine Sorgen in den Griff zu kriegen und Vincent hierbei einfach vollkommen zu vertrauen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass er mich jemals betrügen würde. Dafür war er einfach nicht der Typ gewesen.
Trotzdem blieb ein kleines Unwohlsein in mir, das ich aber jetzt einfach vergessen wollte, da ich viel lieber nur die gemeinsame Zeit mit ihm genießen wollte.

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