Kapitel 1 - Erinnerungen

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Mein Herz schlug wie verrückt, als ich in dieser Nacht schreckhaft und schweißgebadet aufwachte. Es kam in letzter Zeit nicht selten vor, dass mich seltsame Träume nachts heimsuchten und mich am Schlafen hinderten. Das merkwürdige war, dass immer dasselbe passierte. Ich sah ein kleines Mädchen, das fürchterlich weinte und auf einer Straße stand. Vor ihr war ein Junge, der seine Hand nach ihr ausstreckte. Sie wollte nach dieser greifen, aber der Junge trat immer weiter weg von ihr. Sie rief einen Namen, doch den konnte ich nie so ganz verstehen, denn in diesem Moment wachte ich meistens auf.
Ich verstand nicht genau, was mir dieser Traum sagen wollte, doch ich hatte das Gefühl, als käme mir dieses Szenario irgendwie bekannt vor.

Am nächsten Morgen machte ich mich für die Schule fertig. Zur Zeit steckte ich im letzten Jahr meiner Erzieherausbildung fest und war innerlich froh, wenn ich sie bald hinter mir hatte. Die Arbeit mit Kindern machte mir wirklich viel Spaß, aber es verschaffte mir nicht dieses Gefühl von ... Erfüllung, es erfüllte mich nicht mit vollkommener Zufriedenheit. Viele aus meinem Umfeld konnten dies nicht nachvollziehen und das ließ mich manchmal schon fast einsam wirken.
Ich schnappte mir also meine Autoschlüssel und meine Schultasche und fuhr gemeinsam mit meiner besten Freundin zur Schule.
Während unserem alltäglichen Mädchengespräch, lief nebenbei das Radio und die neuste Musik von heute erklang aus den Boxen.
"Übrigens, ich hab eine Karte für ein Jubiläums Konzert übrig. Hast du Lust mit mir dorthin zu gehen?", fragte Jana mich und drehte dabei ihren Kopf in meine Richtung.
"Ein Jubiläums Konzert?! Klar, hört sich nicht schlecht an. Wer tritt denn auf?", fragte ich sie neugierig.
"SDP, sie feiern ihr 20 jähriges. Das wird eine spektakuläre Show und es wäre cool, wenn du dabei wärst."
Stirnrunzelnd versuchte ich mich daran zu erinnern, wer dieser Künstler war. Irgendwo hatte ich den Namen bestimmt schon einmal gehört, aber ich bekam einfach kein Bild vor meinen Augen.
"Sagt mir spontan gerade nichts. Aber wenn die Musik gut ist, komm ich mit."
Jana schien auf diese Worte gewartet zu haben, denn im Nu schaltete sie das Bluetooth Gerät meines Autos ein und spielte kurzehand einige Lieder der Band vor.
Das Bekannteste war wohl für mich das Lied 'Die Nacht von Freitag auf Montag.'
"Klingt nicht schlecht. Also ich komm gerne mit, wenn das so eine Musik ist."
Die Brünette nickte zufrieden und ließ nebenbei weiter die Musik laufen.
"Die beiden sind echt klasse. Bisher habe ich leider noch nicht viel live von ihnen gesehen, aber das Jubiläum konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Vincent und Dag haben es echt drauf.", schwärmte sie.
"Vincent und Dag?", wiederholte ich die Namen der Künstler, so als würden sie etwas in meinem Kopf auslösen. Vermutlich hatte ich aber auch einfach nur zu wenig Schlaf abbekommen, sodass ich anfing mir über Dinge einen Kopf zu machen, die gar nicht von Wert waren.
Nach einer halben Stunde, parkte ich den Wagen vor dem Haus einer weiteren Freundin, die nur fünf Minuten von unserer Schule entfernt wohnte. Gerade als ich das Auto ausstellen wollte, erklang aus dem Radio eine tiefe, männliche Stimme, die eine Art Flashback vor meinem inneren Augen auslöste:

Ich saß in einer riesen großen Halle und vor mir war eine Bühne, auf der zwei Jungen standen, mit ihren Gitarren. Und sie spielten dieses Lied, dieses Lied, was sie für mich geschrieben hatten. Um mich wieder lächeln zu sehen.

"Fiona?! Hallo!! Träumst du etwa?" Jana schüttelte mich leicht an meinem Oberarm und winkte mit ihrer anderen Hand vor meinem Gesicht auf und ab.
Ich zuckte regelrecht zusammen und blickte mit einer leichten Panik in meinen Augen zu Jana.
"Ich ... ich hab geträumt, ja. Tut mir Leid.", nuschelte ich und schaltete nun den Motor aus.
Gemeinsam stiegen wir aus dem Auto aus und trafen auf Franzi, die mit einem strahlenden Lächeln auf ihren Lippen uns empfing.
"Guten Morgen ihr beiden.", begrüßte sie uns mit einer Umarmung.
Während wir zur Schule gingen, blieb dieses Bild von eben in meinem Kopf hängen. Es schien, als würde ich mich an etwas erinnern wollen, was ich verdrängt habe. Aber was konnte das nur genau sein?
Und welche Rolle spielten diese Jungen und das kleine Mädchen aus meinem Traum?
Seufzend ließ ich mich auf den Stuhl im Klassenzimmer nieder und hoffte inständig, dass der Tag schnell vorrüber gehen würde.
"Du wirkst heute etwas neben der Spur.", bemerkte Jana flüsternd während des Unterrichts.
"Ich schlaf im Moment nicht so gut.", gab ich leise zurück und überlegte, ob ich mich ihr anvertrauen sollte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich für verrückt hielt, war zwar hoch, aber sie hielt mich fast immer für verrückt mit meinen seltsamen Ideen und Gedanken. Da sollte das hier keine große Rolle spielen.
"Wir reden nach der Schule drüber."
Der Minutenzeiger der Wanduhr hatte sich heute wohl dazu entschlossen alles in langsamen Abständen zu verarbeiten, denn erst nach einer gefühlten Ewigkeit erklang der langersehnte Gong, der uns alle in die 'Freiheit'entließ.
Sobald die Autotüren geschlossen waren und ich den Parkplatz verließ, erzählte ich Jana alles über meine letzten Nächte, die seltsamen Träume und das Erlebnis von heute morgen.
Es war irgendwie befreiend diese Gedanken mit jemanden teilen zu können. Vielleicht hatte sie ja eine Idee, was das alles zu bedeuten hatte oder konnte mir dabei helfen, das alles zu verstehen.
"Hm, hört sich schon etwas seltsam an. Aber es kann trotzdem vorkommen, dass unser Unterbewusstsein uns etwas mitteilen  will durch unsere Träume. Vielleicht fragst du mal deine Eltern danach. Es könnte ja sein, dass es eine Erinnerung aus deiner Kindheit war.", meinte Jana und sprach damit ein Kapitel in meinem Leben an, an das ich mich tatsächlich gar nicht so gut erinnern konnte. Und es wurde auch nie in Gegenwart meiner Eltern angesprochen. Vielleicht sollte ich dem Rat meiner besten Freundin folgen und mit meinen Eltern darüber reden. So konnten Erinnerungen evtl. wieder aufgefrischt werden.

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