Kapitel 87 - Wenn du in meinem Armen bist

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Gespannt hing ich an Vincent seinen Lippen, seine Geschichte hatte mich förmlich in einen Bann gezogen.
Als er jedoch eine Weile lang nichts sagte, machte ich mir Sorgen, dass das, was er mir als nächstes erzählen würde, einfach alles verändern würde.
"Whynee? Wer ... wer war denn am Telefon?", fragte ich ihn vorsichtig und drückte dabei sanft seine Hand.
Mittlerweile hatten wir uns in Dags Schlafzimmer zurück gezogen und saßen auf seinem Bett.
Vincent holte tief Luft und setzte seine Geschichte anschließend fort:

Pov Vincent

"Äh, hallo. Wer ist denn dran?", fragte ich unsicher und hatte im ersten Moment geglaubt, ich hätte mich verwählt.
Ein Rauschen war auf der anderen Seite der Leitung zu hören, gefolgt von Getuschel und wütenden Geplärre.
"Vince, Schatz, was gibt es denn?", erklang mit einem mal ihre liebliche Stimme.
"Wer war denn das gerade?", wollte ich wissen, ohne auf ihre Frage einzugehen.
"Ach das, das war Leonard, ein Kollege von mir. Wir hatten noch etwas zu besprechen bzgl der Arbeit.", erklärte sie.
"So? Ehm ja, also ich dachte, wir wollten heute Abend etwas gemeinsames machen."
"Ich hatte mir schon gedacht, dass du es eh versäumen wirst, die Arbeit nimmt dich immer so in Anspruch. Also habe ich mir etwas anderes vorgenommen, wir holen das einfach nach, ja?"
"Äh ja gut, das machen wir. Wann kommst du denn nach Hause?", wollte ich von ihr wissen.
"Das weiß ich noch nicht, du brauchst nicht auf mich warten."
Es folgte eine kurze Verabschiedung und dann legte Maja auch schon wieder auf.
Mich beschlich mit einem mal ein unglaublich mulmiges Gefühl, mir wurde fast schon schlecht in meiner Magengegend.
Maja und ich waren seit drei Jahren ein Paar und noch nie hat sie so spät noch gearbeitet. Und da sie in der selben Agentur tätig war, unter der wir unter Vertrag standen, kannte ich so gut wie alle Mitarbeiter. Und ein Leonard war mir bisher nicht bekannt gewesen.
Wurde ich vielleicht paranoid?
Seufzend ließ ich mich auf das Sofa fallen und starrte in die Leere.
Dies tat ich so lange, bis mir wieder dieses Gesicht vor Augen kam. Dieses Gesicht von diesem Mädchen.
Ich zückte mein Handy und durchstöberte das Profil von ihr. Es waren nicht viele Fotos vorhanden, aber einige davon, lösten irgendetwas in mir aus - es entstand ein so vertrautes und warmes Gefühl in mir, dass ich lange nicht mehr empfunden hatte.
Und dann entdeckte ich ein Foto von ihr direkt vor dem Brandenburger Tor. Sie war also hier und trotzdem hatte sie sich nie gemeldet bei mir. Hatte sie mich vielleicht wirklich vergessen?

Leider behielt ich dieses mulmige Gefühl in Bezug auf Maja noch lange bei. Es kam immer öfters vor, dass sie bis spätabends unterwegs war und unsere Beziehung wurde immer liebloser und irgendwann mochte ich einfach nicht mehr so leben.
Wir hatten uns auseinander gelebt und Misstrauen und Geheimnisse zwischen uns trugen zum Ende hinzu.
Ich hatte mit Dag gesprochen, über alles. Über Maja und dem langsamem Ende unserer Beziehung und auch über Fiona, das ich immer kurz da vor war ihr zu schreiben und mich am Ende dann doch nicht getraut habe. Ich erzählte ihm auch, dass ich bei dem Gedanken an das Mädchen von früher merkwürdige Gefühle hatte. Wenn ich sie jetzt so sah, dann wollte ich sie einfach unbedingt kennenlernen. Ich wollte sie sehen, mit ihr sprechen und alles über sie wissen. Und innerlich hatte ich die Hoffnung, sie würde mir den Schmerz nehmen, dieses mulmige Gefühl, das ich einfach nicht los wurde, seit dem Abend, an dem Maja mich mit größter Wahrscheinlichkeit betrog.
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"Naja, kurz darauf habe ich dann Maja verlassen.", beendete Vincent seine Erzählung und blickte mich direkt an.
"Aber eins verstehe ich nicht, Maja hat mir erzählt, dass sie mit Dag gesprochen hat, weil sie die Trennung nicht nachvollziehen konnte. Und er hat gesagt, dass du sie meinetwegen verlassen hast, für ein Mädchen, das du von früher kennst."
"Ich wollte Maja in dem Glauben lassen, dass es nicht ihre Schuld war. Ich habe sie gesehen, weißt du, sie und diesen Leonard."
"Spinnst du? Ich meine, sie betrügt dich und du willst ihr nicht die Schuld für die Trennung geben?", fragte ich ihn verständnislos.
"Das verstehst du nicht.", sagte er und löste sich von mir, um dann aufstehen zu können.
Er hatte Recht, ich verstand es nicht. Ich konnte nicht verstehen, wie man jemanden in Schutz nehmen konnte, der einem solche Schmerzen zufügte. Was ich aber verstand, war der Schmerz, den Vincent erfahren musste. Mein erster Freund hatte mich auch betrogen, mehrmals. Und ich hatte es ebenfalls durch einen Anruf erfahren, als sich plötzlich seine Verlobte am Telefon meldete. Ich wusste also genau, wie sich dieses Gefühl in einem breit machte und immer stärker wurde. Wie dich der Schmerz von innen auffraß und du das Gefühl bekommst, nie wieder glücklich sein zu können. Es war ein abscheuliches Gefühl, das ich niemanden wünschte.
Vincent lief im Zimmer auf und ab, bis er direkt vor mir stehen blieb.
"Auch wenn das Ende schmerzhaft war, so hatte ich mit Maja eine wirklich schöne Zeit. Und ich gebe mir selbst die Schuld, dass ich sie durch meine Abwesenheit in die Arme eines anderen Typen getrieben habe. Sie hatte besseres verdient, also ließ ich sie in dem Glauben, ich hätte eine andere gefunden, was ich indirekt auch getan hatte.", sagte er leise und sah auf mich herab.
"Du bist ein viel zu guter Mensch, Vincent Stein, weißt du das eigentlich?" Erneut griff ich nach seiner Hand und erhob mich ebenfalls vom Bett. "Aber du darfst dir nicht die Schuld an allem geben. Sie hätte auch mit dir reden können über ihre Einsamkeit und Sorgen. Wenn man wirklich an etwas festhalten will, dann versucht man alles. Sie hätte dir nicht wehtun dürfen, nur weil sie von deiner Abwesenheit verletzt war.
Ich habe gesehen, dass du alles stehen und liegen lassen würdest, um dem Menschen, den du liebst, glücklich zu machen. Du hast damals die Rückfahrt nach Berlin sausen lassen, nur um ein paar Stunden mehr Zeit mit mir verbringen zu können. Das hättest du nicht getan, wenn dir die Gefühle von anderen egal wären. Also bitte rede dir nicht ein, das alles deine alleinige Schuld war. Sie trägt ihren Teil genau so zu dieser Trennung bei, wie du."
Vincent schien von meinen Worten gerührt zu sein. Seine Augen leuchteten und ich hätte schwören können, das sich Tränen in ihnen gebildet hatten.
"Danke Fiona. Danke für alles.", flüsterte er und zog mich ohne weitere Worte in eine feste Umarmung.
Es schien wie eine Last von ihm abgefallen zu sein, endlich konnte er die ganz Wahrheit aussprechen, er konnte mir erklären, warum es mit Maja nicht funktioniert hatte und ich bekam die Bestätigung, das dahinter sich mehr verbarg, als sie mir erzählt hatte - zumindest ließ sie den Teil mit Leonard aus. Aber sie blieb weiterhin in dem Glauben, dass sie keine Schuld trug.

Sanft fuhr ich über seinen Rücken, malte kleine Kreise auf ihm und vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge. Wie hatte ich diese Nähe zwischen uns vermisst. Dieses vertraute, liebevolle Miteinander, welches mir solch ein warmes Gefühl vermittelte, dass ich förmlich danach süchtig wurde.
Vorsichtig hob ich meinen Kopf an und legte meine Hände sanft an Vincents Wangen, sodass er mich ansehen musste.
"Das nächste Mal schreibst du mir aber sofort und lässt dir nicht wieder so lange Zeit.", lächelte ich ihn an.
"Ich verspreche es dir.", lächelte er und drückte mich erneut in eine liebevolle und endlos lange Umarmung.

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