Kapitel 15 - Standpauken & andere Vergnügen

533 22 1
                                    

"Es kann einfach nicht sein, dass ich einer erwachsenen Frau erklären muss, dass sie auf sich aufpassen muss, wenn es ihr nicht gut geht. Ich erwarte, dass sie weiß, das sie keine drei stündige Autofahrt auf sich nimmt, sondern auf sich achtet und auf ihr Wohlbefinden hört. Es kann ebenfalls nicht sein, dass du bei Nachfrage immer noch beteuerst, es sei alles in Ordnung. Und dann zusammen brichst, sodass Dag dich aus dem Badezimmer holen muss und dabei selbst vor Schreck fast einen Herzinfakt bekommt. Des Weiteren..."
Gefühlt verlief die Standpauke von Vincent seit einer gefühlten Ewigkeit. Irgendwann hatte ich auf Durchzug gestellt, denn es kam mir so vor, als würden meine Eltern mir eine Standpauke halten und nicht mein bester Freund aus Kindheitstagen.
"Nun komm mal wieder runter. Ich denke nicht, dass sie das in irgendeiner Hinsicht mit Absicht getan hat. Sie wollte lediglich bei uns beiden sein und Zeit mit uns verbringen - das kann man ihr nun wirklich nicht verübeln." Dag saß neben mir auf dem Bett und nahm mich wie immer in Schutz vor dem Jüngeren der Beiden.
Vincent redete immer noch auf mich ein und Dag reagierte immer wieder darauf. Mittlerweile war ich komplett woanders und war froh gewesen, dass mein Schwindel endlich davon gegangen war und ich mich normal und ohne Probleme im Raum umsehen konnte.
"Ey, ey! Hast du mir überhaupt zugehört?" Vince sah mich mit einem leicht strengen Gesichtsausdruck an und hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt.
"Ab jetzt achte ich mehr auf mich und wenn es mir nicht gut geht, dann sag ich das auch ganz ehrlich. Und Dag hat im Übrigen recht: ich wollte euch unbedingt sehen und Zeit mit euch verbringen.", sagte ich und sah ihn mit einem entschuldigenden Lächeln an. Das behielt ich so lange bei, bis er endlich seine harte Miene fallen ließ und mir ebenfalls ein Lächeln, wenn auch nur ein kleines, schenkte.
Er hatte sich Sorgen um mich gemacht und das nicht gerade wenig.

Dag hatte im Wohnzimmer den Tisch mit den verschiedensten Knabberein und Leckereien gedeckt und ebenfalls noch ein paar Getränke bereit gestellt. Da es mir wieder besser ging, konnten wir drei nun endlich unseren lang ersehnten Videoabend starten. Hierfür hatten wir alle drei alte Kassetten von früher heraus gesucht, die die verschiedensten Erlebnisse von uns als Kinder zeigten. Vincent und Dag waren dafür sogar bei ihren Eltern. Hier bekamen sie nicht nur einiges an Material mit, sondern erhielten auch eine mündliche Einladung zum Kaffeekränzchen, bei dem sie mich doch bitte mitbringen sollten.
Die Couch war groß genug für uns drei und gespannt schauten wir uns die erste Kassette an, die einen Tag am Strand von uns dokumentierte.
Wir lachten über uns selbst und über die anderen und verfielen so immer wieder in Gespräche über unsere Erinnerungen und Erlebnisse. Ich konnte mir den Abend nicht schöner vorstellen, als mit meinen besten Freunden hier zu sitzen und in Erinnerungen zu schwelgen.
"Macht schon mal weiter, ich geh kurz ins Bad.", sagte Dag nach einer Weile und sprang über uns rüber.
"Was schauen wir als nächstes? Weihnachten oder Geburtstag 1998?"
"War das dein Geburtstag?", fragte ich ihn.
"Ich glaube schon, die Kassette müsste ich mitgebracht haben."
"Oh ja, dann lass uns die ansehen. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern."
Vincent erhob sich von der Couch und legte die Kassette ein. Ich drückte dann auf Play und sah gespannt zum Bildschirm.
Es gab eine Feier im Garten, das Wetter war für diese Jahreszeit wirklich schön. Freunde und Familie waren da, Musik erklang und in mitten drin saß ein kleines Mädchen, mit einem Krönchen auf ihrem Kopf und dem geliebten Teddybären in der Hand - das war ich.
"Und du wunderst dich wirklich, warum du immer Prinzessin genannt wurdest?", fragte er mich und musste sich ein Lachen verkneifen.
"Guck dich lieber mal an.", nuschelte ich und zwickte ihn in die Seite.
Lachend zuckte er zusammen und tat dasselbe dann bei mir.
"Hey! Lass das!", beschwerte ich mich und schlug ein Kissen gegen ihn.
"Oh jetzt werden hier aber harte Geschütze ausgefahren." Vince schnappte sich ebenfalls ein Kissen, und schlug mir dieses direkt in mein Gesicht.
"Na warte!" Prompt setzte ich mich aufrecht hin und schlug mit dem Kissen auf ihn ein. Ein lautes Lachen und Gekreische hallte durch das Wohnzimmer und die Kisschenschlacht wurde immer actionreicher.
Ich merkte jedoch schnell, dass mir die Kondition fehlte und mein Unwohlsein von vorhin, langsam wieder hoch kam.
Erschöpft sackte ich auf der Couch zusammen und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter.
"Ich gebe auf.", sagte ich schwer atmend und schloss für einen kurzen Moment meine Augen.

"Was war das denn eben für ein Gekreische?", wollte Dag wissen, als er das Wohnzimmer erneut betrat.
"Hier musste kurz mal bewiesen werden, wer die stärkere Person in einer Kissenschlacht ist.", antwortete Vincent ihm mit einem Grinsen.
"Da ist man einmal auf Toilette..." Kopfschüttelnd nahm er wieder neben mir Platz und sah zum Fernseher.
'Ich hab dich ganz doll lieb Whynee.' Die kleine Fiona auf dem Band hatte sich auf den Schoß ihres Nachbarn gesetzt und sich dicht an ihn heran gekuschelt, während die Gäste nur ein liebes 'Ohh' von sich gaben.
Mit einem Lächeln hob ich meinen Kopf an und sah mit voller Aufmerksamkeit zum Fernseher. Vincent war im Video dabei mein Geschenk auszupacken - es war ein selbstgemaltes Bild von uns beiden - als Brautpaar.
"Daran erinnere ich mich gar nicht mehr.", sagte ich leise und sah automatisch zu meiner Rechten.
Vincent hatte einen leicht verträumten Blick in seinen Augen, sowie ein verschmitzes Lächeln auf seinen Lippen.
"Er hat das Bild immer noch.", flüsterte Dag mir zu und nun konnte auch ich diesen leicht verträumten Blick nicht mehr aus meinen Augen bekommen, während ich ihn ansah.

Millionen Liebeslieder Where stories live. Discover now