Kapitel 75 - Wir fangen wieder bei Null an

379 23 3
                                    

Zwei Wochen später

"Wo willst du denn noch so spät hin?", fragte Dag mit einer hochgezogenen Augenbraue.
"Ich hab eine extra Schicht in der Bar übernommen, Susi ist krank geworden."
"Und dann musst du das übernehmen? Ich dachte, wir machen uns mal wieder einen gemütlichen Abend zusammen."
"Ach Dag, das ist so mit uns arbeitenden Menschen... es kommt immer was dazwischen.", lachte ich und tätschelte ihm dabei seinen Kopf.
"Ruf doch Whynee an, der hockt bestimmt im Studio und hat auch viel Langeweile."
"Wenn der im Studio hockt, wird nur gearbeitet - ich brauche Spaß und Freizeit.", jammerte er und sah mich mit seinen blau-grünen Augen direkt an.
"Ein Versuch ist es wert, ich muss jetzt los. Wart nicht auf mich." Mit diesen Worten und einem Lächeln im Gesicht schnappte ich mir meine Schlüssel und verließ die Wohnung.
Seit ein paar Tagen hatte ich einen Job in einer Bar, etwas abseits vom Zentrum Berlins, ergattern können. Ich wollte endlich etwas selbstständiger werden und mein eigenes Geld verdienen. Mein absoluter Traumjob war dies zwar auch nicht, aber ich konnte nicht länger Dag auf der Tasche liegen, auch wenn ihm das alles nichts ausmachte.
Aber apropo Dag - nach dem Festivalwochenende folgte eine lange Aussprache zwischen uns beiden, in der wir beide relativ schnell feststellten, dass zwischen uns beiden niemals mehr laufen wird als bisher. Selbst der Kuss war nicht das, was wir beide uns vorgestellt hatten. Unsere Beziehung war also wie zuvor auch - wir waren die besten Freunde und immer für einander da.
Gleichzeitig haben sich die beiden Prügelanten ausgesprochen und Vincent hat sich ein dutzend Mal bei seinem Freund entschuldigt. Dieser nahm sie natürlich sofort an und scherzte darüber, dass das Boxtraining von Whynee ja doch nicht ganz ohne war.
Die Welt war also wieder ein kleines Stück normaler geworden, was mich zutiefst beruhigte.
Jetzt stand natürlich noch die Frage aus, was denn zwischen Vincent und mir ist, nun ja, ich...

"Hey Fiona, was machst du denn hier?", riss mich die Stimme von Caro aus meinen Gedanken.
"Oh hey, ich hab Susi's Schicht übernommen und du?"
"Ich arbeite freitags immer hier.", lachte sie und zog mich in eine sanfte Umarmung.
Caro arbeitete ebenfalls mit mir in dieser Bar und ich lernte sie gleich an meinem ersten Arbeitstag kennen. Während ich mit den vielen Gläsern hantierte, zeigte sie mir ein paar Tricks, wie ich das benutzte Geschirr besser stapeln konnte. Eigentlich stand sie hinter der Bar und bereitete dort die besten Cocktails von Berlin vor. Aber an diesem Tag nahm sie sich Zeit für mich und arbeitete mich ein. Seitdem verstanden wir uns wirklich gut und entdeckten nach und nach immer mehr Gemeinsamkeiten an uns. Und den selben Humor teilten wir auch noch - besser konnte es gar nicht mehr sein. So konnte ich es definitiv auf dieser Arbeit hier aushalten.
"Na komm, dann lass uns mal rein gehen.", sagte sie und zog mich mit sich.
Während sie den Platz hinter der Bar einnahm, band ich mir eine Schürze um, schnappte mir einen Notizblock plus Stift und stürzte mich in das Getümmel. Freitagabend war definitiv einiges los und ich war froh, nicht alleine im Servicebereich zu sein. Die Masse, die an Bestellungen rein kam, war überwältigend und schon für drei Leute kaum schaffbar.
Als ich meine nächste Bestellung vorne an Caro abgab, hielt sie mich an meinem Arm fest.
"Was ist los?", fragte ich sie verwirrt.
"Raste jetzt nicht aus, aber weißt du wer gerade unsere Bar betreten hat?", fragte sie aufgeregt.
"Obama? Nein, keine ahnung. Wer denn?"
Anstatt zu antworten, deutete sie mit ihrem Finger auf zwei Männer, die gerade einen Platz zugewiesen bekamen.
"Oh das darf doch nicht wahr sein.", nuschelte ich genervt
"Ja oder? Ich glaub, ich spinne. Was treibt denn die Jungs von SDP zu uns?"
"Das wollen wir doch gleich mal heraus finden.", zischte ich und stapfte in deren Richtung, ohne auf weitere Worte von Caro zu reagieren.

"Es war eine gute Idee von dir, nochmal ne Bar aufzusuchen. Wie bist du denn auf die hier gekommen?", hörte ich Vincent fragen, kurz bevor ich am Tisch stand. Überrascht sah man mich an, nun ja, Dag nicht unbedingt. Denn dieser wusste ganz genau wo ich arbeitete und ich hatte ihn darum explizit gebeten, es niemanden zu verraten.
"Fiona?! Was machst du denn hier?", fragte mich der Jüngere von beiden.
"Ich arbeite hier seit ein paar Tagen. Nicht wahr, Dag?", fragte ich und funkelte ihn finster an.
"Ach das war diese Bar hier? Ich dachte du meintest die Andere da, an der Ecke, da vorne..."
"Tu bloß nicht so. Du wusstest das ganz genau!", meinte ich und gab ihm mit meinem Notizblock einen Klaps auf den Hinterkopf.
"Schon gut, schon gut, ich ergebe mich. Ich dachte mir, es würde dir eine Freude bereiten, etwas Ablenkung auf der Arbeit zu haben."
"Ich arbeite Dag. Da kann ich keine Ablenkung gebrauchen!"
Vincent blickte inzwischen in die Karte und tat so, als würde er von der Diskussion nichts mitbekommen.
Ich stöhnte genervt auf und räusperte mich dann kurz. "Was darfs denn sein?", fragte ich.
"Ich nehm ein Bier.", sagte Dag und lehnte sich dabei etwas zurück.
"Und du?", fragte ich Vincent.
"Kannst du was empfehlen?"
"Kommt drauf an, was du magst."
"Überrasch mich.", lächelte er mich an und klappte die Karte wieder zu.
"Bist du dir sicher?", fragte ich skeptisch.
"Ich vertraue dir da voll und ganz."
Seine Worte schafften es, mir ein kleines Lächeln auf die Lippen zu zaubern, ehe ich dann zurück an die Bar ging.

"Und? Wie sind sie so? Was haben sie gesagt? Hast du Dag wirklich mit dem Notizblock gehauen?", wollte Caro wissen.
"Sag mal, hast du uns die ganze Zeit beobachtet?", fragte ich sie grinsend.
"Nein, also ja, also vielleicht ein bisschen.", grinste sie mich an.
"Ich hab dir doch von dem Freund erzählt, bei dem ich z.Z. wohne."
Sie nickte eifrig und hörte mir gespannt zu.
"Das ist Dag. Wir wohnen zusammen und kennen uns seit ich denken kann. Deshalb darf ich ihn auch mal hauen.", lachte ich.
"Kein Scheiß?!"
Ich schüttelte den Kopf und grinste sie weiter an.
"Ey du hast so ein geiles Leben. Du kennst die Jungs von SDP höchstpersönlich. Ich beneide dich." Na wenn Caro wüsste, wohin mich das schon alles gebracht hatte und was ich mit den beiden schon alles durchmachen musste...
"Ich werde sie dir in nächster Zeit mal vorstellen, ja? Aber erstmal machst du ihnen bitte ein Bier fertig und ... eine Pina Colada.", lächelte ich und entfernte mich dann von der Bar, um den nächsten Tisch bedienen zu können.
Als die Getränke fertig waren, brachte ich sie den Jungs an den Tisch.
"Einmal das Bier und eine Pina Colada für dich.", lächelte ich.
"Interessant, warum hast du gerade den ausgewählt?", wollte Vincent wissen.
"Aber echt mal, das ist doch voll das süße, cremige Pussygetränk.", lachte Dag. "Obwohl, passt vielleicht auch ganz gut zu dir Dickerchen."
"Pass auf, dass du nicht noch ein Veilchen bekommst.", grinste er seinen Kumpel an.
"Jungs bitte.", meinte ich und wandte mich dann mehr Vincent zu. "Es ist mein Lieblingscocktail und ich dachte mir... du solltest ihn mal probieren."
Lächelnd schob er den Cocktail dichter zu sich heran und nahm einen Schluck.
Gespannt sah ich ihn an.
"Genau meinen Geschmack getroffen."

Am Ende meiner Schicht war kaum mehr etwas in der Bar los. Zufrieden legte ich all meine Sachen ab und nahm meine Tasche.
"Bis übermorgen.", verabschiedete ich mich von allen und verließ dann die Bar.
"Wohin des Weges?", fragte mich draußen eine tiefe Stimme.
"Ihr seid noch hier?"
"Als ob wir dich im dunkeln alleine durch die Straßen ziehen lassen.", grinste Dag mich an.
"Ich habe da so ein Deja-vu und ich weiß, dass ich das letzte Mal auch keine Chance gegen eure Argumente hatte.", lächelte ich beide an.
"Ist auch ziemlich schwer, gegen uns beide anzukommen.", meinte Vincent und lächelte dabei ebenfalls.
"Eindeutig zu viel Männlichkeit.", lachte ich.
"Kommst du jetzt oder willst du noch länger hier rum stehen und quatschen? Ich will ins Bett.", jammerte Dag.
Kopfschüttelnd hakte ich mich unter dem jeweiligen Arm des Anderen unter und zog beide sanft mit mir nach vorne.
Und mit diesem Bild verließen wir die Straßen von Berlin und es schien eine Art Neustart für uns drei zu sein...

Millionen Liebeslieder Where stories live. Discover now