Kapitel 20 - Es macht Klopf Klopf

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Tick. Tack. Tick. Tack.
Jemand schien in meinem Kopf mit einem kleinen Hammer gegen meine Schläfen zu schlagen - immer und immer wieder. Gleichzeitig wurde das Ticken in meinem Kopf immer lauter, bis ich es nicht mehr aushielt und meine Augen öffnete.
Ich brauchte eine ganze Weile, um mich im Raum zu orientieren und zu begreifen, wo genau ich war und wie ich hierher gekommen war.
Ein schleierhaftes Bild zeichnete sich mir vor meinen Augen ab und irgendwie schien das alles mit der gestrigen Spontanparty zusammen zu hängen. Ich tastete mit meiner Hand  nach meinem Handy und zog es an mich, als ich es endlich ergriffen hatte.
3 verpasste Anrufe, fünf Nachrichten und ein Bild von Vincent, Dag und mir strahlten mich förmlich an.
"Schon 12:30 Uhr?! Fuck!", stöhnte ich auf und wählte Franzi's Nummer rasch.
"Guten Mittag Dornröschen, wie schön von dir zu hören.", begrüßte mich ihre helle und fröhliche Stimme.
"Wieso bist du denn schon wach?", fragte ich sie angestrengt.
"Ich bin seit halb 10 wach. Habe super geschlafen und hab ne heiße Dusche hinter mir. Ich bin ready.", lachte sie.
"Du bist unmöglich.", nuschelte ich und stöhnte kurz auf. "Ich bin noch nicht soweit, ihr könnt ohne mich los fahren."
"Bist du dir sicher? Wolltest du nicht Jana mit nach Hause nehmen?"
"Ja eigentlich schon, aber ich werde noch ein paar Stunden brauchen."
Just in dem Moment, als ich meinen Satz beendet hatte, öffnete sich die Tür und Vince kam mit einem Tablett, auf dem einiges an Leckereien bereit lagen, hinein.
Mit seinen Lippen formte er ein 'Guten Morgen' und stellte schließlich das Tablett neben mir auf dem Nachttisch ab.
"Na gut. Dann sehen wir uns spätestens morgen in der Schule. Mach dich in Ruhe fertig und fahr nachher schön vorsichtig."
Damit war das Telefonat beendet und ich zog mir sofort die Decke über meinen Kopf - nie wieder Alkohol!

Vorsichtig hob Vincent die Decke an und sah mich mit einem Schmunzeln an.
"Schön geschlafen?"
"Irgendwie schon... hab ich irgendetwas angestellt? Ich fühle mich so, als hätte ich gestern etwas gemacht, wofür ich mich entschuldigen müsste.", sagte ich kleinlaut.
"Nein, eigentlich nicht.", lächelte er mich an.
Ich atmete erleichtert aus und setzte mich anschließend aufrecht hin.
"Es sei denn natürlich, du meinst deine niedliche Art, die du entwickelst, wenn du betrunken bist.", ergänzte er seine Aussage und ich konnte ihm dabei ansehen, wie schwer es ihm fiel, sich ein Lachen zu verkneifen.
"Whynee ... wovon sprichst du da? Los, sag es mir, sofort!", forderte ich ihn auf und bekam es mit der Angst zu tun.
"Schon gut, schon gut, beruhige dich. Es war nichts schlimmes. Du wolltest mir lediglich in dieser Nacht ganz nahe sein."
Meine sonst so blasse Haut, verfärbte sich von 0 auf 100 in einen knallroten Ton, der über mein komplettes Gesicht verlief. Gleichzeitig klopfte mein Herz ununterbrochen schnell und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
"Zu deiner Beruhigung, es ist nichts passiert. Und wenn ich ehrlich sein darf, gibt es wesentlich schlimmere Verhaltensweisen, wenn jemand betrunken ist."
Vincent tätschelte meinen Kopf vorsichtig, doch das half mir auch nichts über die Beschämtheit hinweg zu kommen.
"Es tut mir so leid.", murmelte ich und vergrub mein Gesicht in meine Hände.
"Mir nicht.", flüsterte er leise an mein Ohr und drückte mir dann einen zarten Kuss auf mein Haar.
"Ich habe dir etwas zum Frühstück, naja wohl eher zum Brunch, gemacht.  Ich hoffe da ist etwas für dich dabei. Dag hat mir noch eine SMS geschickt, dass dein Koffer bei ihm ist. Weißt du schon, wann du abreist?", fragte er mich.
"Hm nein, nicht wirklich. Ich wollte auf jeden fall duschen gehen, wenn ich das darf. Und danach ... naja, vielleicht machen wir noch etwas zusammen, bevor ich dann fahre."
"Tut mir Leid Fiona, aber ich bin heute den Tag über im Studio beschäftigt. Eigentlich hätte ich schon längst da sein müssen."
"Oh, das ist ja echt schade. Wie komme ich denn nachher zu Dag?"
"Wie jeder andere Mensch vermutlich auch, mit der Bahn.", sagte er und zuckte kurz mit den Schultern.
"Na vielen Dank auch.", nuschelte ich und biss ein Stück vom Croissant ab.
"Entschuldige bitte, dass nicht jeder so ein Langschläfer ist wie du und nun mal auch arbeiten muss und sich nicht einfach so mal einen freien Tag gönnen kann.", meinte Vince und klang dabei etwas schnippisch.
"Oh verzeihung der Herr, dass ich seinetwegen mir einen Tag frei genommen habe und das ich ihn daran hindere pünktlich zur Arbeit zu kommen. Keiner hat verlangt, dass du das für mich machen musst!" Mein Tonfall wurde etwas wütender und lauter, als ich es eigentlich wollte.

Das Ende vom Lied war alles andere, als die wundervolle Melodie von letzter Nacht. Vincent verließ nach einem Streit wutentbrannt die Wohnung, nachdem ich ihm an den Kopf geschmissen hatte, dass er nur für seine Arbeit lebte und diese ihn irgendwann kaputt machen würde. Ich wollte das alles nicht sagen, aber irgendwie habe ich mich so verletzt gefühlt. Vielleicht war ich aber auch einfach nur zu egoistisch, um zu erkennen, dass er bereits das zweite Mal seine Arbeit hinten an stellte, um bei mir sein zu können. Mit einem mulmigen Gefühl und einem stechendem Schmerz im Brustbereich, fuhr ich mit der Bahn zu Dag, schnappte mir meinen Koffer und verließ so schnell ich konnte Berlin. Eine Erklärung bekam er nur in Kurzform, ich wollte nicht, dass er sich irgendwelche Sorgen um mich machte. Ich wollte weg von dieser Stadt und seinen Bewohnern. Weg von den Gefühlen und Erinnerungen, die ich hiermit verband. Einfach nur weg von ihm.

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