Kapitel 10 - Ich bin unsportlich

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"Und es ist wirklich okay, dass wir Vincent jetzt wieder zurück ins Studio gebracht haben?", fragte ich Dag, nachdem wir uns von Vincent verabschiedet hatten und Dag sich für das Training umgezogen hatte.
"Na klar, der Junge ist eh ein Arbeitstier. So etwas wie Freizeit kennt er nicht.", scherzte er mit einem Grinsen. "Spaß beiseite, Vincent arbeitet nebenbei ja noch als Produzent. Deshalb hat er oft mehr Arbeit am Hals und daher häufig viel zu tun. Ich denke aber, er findet sicherlich nochmal etwas freie Zeit für dich." Augenzwinkernd sah er zu mir rüber und ließ seine Aussage einfach so stehen.
Ich konnte mir denken, was er damit genau meinte, aber ausgerechnet jetzt mit Dag darüber reden zu wollen, war nicht meine Absicht.
"Na schön, dann bin ich jetzt erst einmal gespannt, was du mir so zu zeigen hast von deinem Parkour. Ich glaube, ich kenne so etwas nur aus Filmen.", erzählte ich ihm und musste dabei leise los lachen.
Dag stimmte in mein Lachen mit ein und gemeinsam gingen wir in einen nahegelegenen Park, indem bereits einige Jungs auf uns warteten.
"Grüß dich mein Lieber. Super, dass du es geschafft hast.", begrüßte einer der Männer ihn mit einem Handschlag.
"Aber sicher doch, wenn ihr mich schon einladet, dann kann ich schlecht nein sagen. Ich hoffe es stört euch nicht, dass ich jemanden mitgebracht habe. Das ist Fiona und sie würde sich das hier gerne einmal ansehen."
"Natürlich geht das in Ordnung, freut mich dich kennenzulernen. Ich heiße John.", stellte sich ein großer, blonder Mann vor, der mir lächelnd seine Hand hinhielt.
"Freut mich ebenfalls und danke.", sagte ich und schüttelte mit einem Lächeln auf den Lippen seine Hand.

Nach einem kurzen Warm up, legten die Jungs einer nach der Reihe los. Sie erklommen Mauern, sprangen über Felsen und andere Hindernisse und machten dabei auch noch eine gute Figur. Zwischendurch bat mich Dag einige Videoaufnahmen davon zu machen, die er dann im Laufe des Tages auf seinem Instagram Profil hochladen wollte - damit seine Fans einen kleinen Einblick aus seinem Alltag bekommen konnten.
"Und was sagst du bisher?", fragte er mich etwas aus der Puste.
"Ich bin vollkommen fasziniert davon. Diese Präzision und dieses Können einfach, wie ihr jedes Hindernis mit solch einer Leichtigkeit überwinden könnt - das flasht mich total.", sagte ich begeistert und reichte ihm dabei eine Flasche Wasser, die er dankend annahm.
"Jahrelanges Training. Was so leicht aussehen mag in deinen Augen, hat viel Training und Disziplin gekostet. Aber es freut mich, dass es dir gefällt.", sagte er und nahm einen ordentlichen Schluck von dem Wasser.
"Seit wievielen Jahren machst du das denn schon?", fragte ich ihn interessiert.
"Seit mehr als zehn Jahren. Früher habe ich auch aktiv als Trainer mitgewirkt, aber durch den Aufstieg von SDP sag ich mal, hab ich das an den Nagel gehängt.", erklärte er mir und sprang auf die Mauer neben mir.
"Wow, unglaublich. Ich bin wirklich beeindruckt, Dag. Es ist schön, dass du neben der Musik noch eine Art Ausgleich gefunden hast."
Lächelnd sah er mich an und schien einen kurzen Moment in Gedanken zu versinken.
"Willst du auch mal eine Kleinigkeit ausprobieren?", fragte er mich und deutete auf eine Art Zaun hin. "Ich zeig dir, wie du mit Leichtigkeit dort hinüber kommst."
"Wer, ich? Oh nein, kommt nicht in Frage. Ich bin die unsportlichste Person überhaupt. Ich tu mir bestimmt weh."
"Ach quatsch. Ich bin da und fang dich zur Not auf.", grinste er mich an und zog mich mit sich von der Mauer.

Widerwillig stand ich nun vor dem Zaun, den ich mit einem skeptischen Blick begutachtete.
"Dag, ich will das nicht machen. Ich habe wirklich Angst.", jammerte ich.
"Schau, ich zeig dir noch einmal, wie du am Besten hier rüber kommst und dann probierst du es einfach mal.", schlug er vor und machte den Sprung noch einmal. Er hatte ja auch leicht reden: wenn ich seit über zehn Jahren so etwas tat, dann wäre das für mich auch alles nur ein Klacks. Aber ich hatte wirklich hiervon absolut keine Ahnung und tatsächlich beschlich mich ein leichtes Gefühl von Panik.
Bei Dag sah alles so einfach und geschmeidig aus. Selbst wenn er Übungen wiederholte, weil sie beim ersten Mal nicht klappten, so sah dies immer noch besser aus, als das, was ich gleich praktizieren würde.
"Gut, jetzt versuch du es einmal."
"Nein."
"Fiona, ich steh genau hier und fang dich auf, falls etwas passieren sollte. Ich bin ja da.", versuchte er mich zu beruhigen.
Doch seine Worte halfen nichts, ich blieb wie erstarrt stehen und bewegte mich keinen Millimeter.
Stirnrunzelnd ging Dag auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen.
"Wovor hast du am meisten Angst?"
"Dass ich hinfalle und mir schrecklich weh tue."
"Und wenn ich dir versichere, dass dir nichts passiert und ich sofort zur Stelle bin, falls ich mich seltsamerweise irren sollte."
Zögerlich biss ich mir auf meine Unterlippe und wägte in meinem Kopf die Möglichkeiten ab, die passieren könnten.
"Na schön. Ein Mal versuche ich es.", nuschelte ich und Dag nickte darauf hin zufrieden.
Er stellte sich hinter den Zaun und gab mir das Signal zum Losrennen.
Ich versuchte mir keine großen Gedanken zu machen, sondern lief einfach drauf los, so wie Dag es mir gezeigt hatte.
Doch sobald ich mich dem Zaun näherte, wurde ich langsamer und panischer, so dass ich den Absprung nicht richtig schaffte und volle Kanne dagegen lief.
Da ich aber noch etwas an Schwung drauf hatte, drohte ich vorne über weg zu kippen und zu Boden zu fallen. Stattdessen jedoch landete ich direkt in Dags Arme und gemeinsam fielen wir auf den Steinboden.
"Hey du hattest Recht. Mir ist nichts passiert.", sagte ich erleichtert und sah auf ihn herab.
"Sehr lustig. Dafür spür ich gewisse Teile meines Körpers gerade nicht mehr.", murmelte er, musste dabei aber anfangen zu lachen.
"Ich danke dir, mein Retter in der Not.", sagte ich mit einem Schmunzeln.
"Gerne doch, oh holde Maid."
Lachend blieben wir einen Moment lang auf dem Boden liegen, Arm in Arm, so als sei es das Natürlichste auf der Welt gewesen.
Doch während ich so in seine blauen Augen sah, hatte ich mit einem Mal eine ganz andere Szene vor meinem inneren Auge...

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