Kapitel 61 - Ein Grund zum Feiern?

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"Die Zeit heilt nicht alle Wunden,
sie lehrt uns nur, mit dem
Unbegreiflichen zu leben."

Vier Monate später

"Du siehst unglaublich schön aus in diesem Kleid. Es sitzt wie angegossen." Meine Mutter stand mit Tränen in den Augen vor mir und betrachtete meine Person von allen Seiten genau.
Der Tag der Abschlussfeier war gekommen. Nach endlosen langen Jahren, bekam ich heute den Verdienst für das viele Lernen und Arbeiten. Ich hatte es endlich geschafft.
"Warte, da fehlt noch ein kleines Detail!" Lächelnd holte sie eine feingliedrige, silberne Kette und legte sie mir um den Hals. "Perfekt."
In meinem korallfarbenen Abendkleid stand ich nun vor dem Spiegel und sah mich gedankenverloren an. Meine Hand glitt automatisch zu der Kette, die nicht mehr dieselbe war, wie vor einigen Monaten. Kurz durchfuhr mich der Schmerz der letzten Monate noch einmal, aber er verschwand auch schnell wieder.
Mittlerweile konnte ich damit einigermaßen umgehen, doch ich mochte nicht an die Anfangszeit zurück denken, indem alles ganz frisch war. Nächtelang weinte ich mich in den Schlaf. Hatte Alpträume, die mich nachts aus dem Schlaf rissen und dutzende Gedanken, die mich wach hielten. Ich habe seit dem nichts mehr von ihm gehört. Die Posts auf Instagram hatte ich ausgeblendet, ich wollte in keinster Weise an ihn erinnert werden. Ich verbannte alle Bilder in eine Schachtel, die ich unter meinem Bett verstaute und noch anderes Zeugs, was mich an ihn und unsere gemeinsame Zeit zurück erinnerte.
Meine Freundinnen und das Lernen für die Prüfungen lenkten mich so gut es ging ab. Meine Eltern stellten nicht viele Fragen, denn sie bekamen auch so genug mit, wie ich mich fühlte.
Das Einzige, was mich eine Zeit lang noch mit Vincent verband, war Dag. Und es schien irgendwie zu funktionieren. Wir schrieben fast täglich und mindestens zweimal in der Woche telefonierten wir. Dag war klasse, was das alles anging. Er wusste genau, was er erzählen konnte und was nicht. Ich glaube, die mit schönste Nachricht, die er mir einmal mitteilte, war, das Stefan Maja rausschmeißen ließ, nachdem die Jungs gedroht hatten, nicht auf die Bühne zu gehen. Ob Vincent dafür jetzt der Vorreiter war, wusste ich nicht, aber es war mir auch egal. Diesen Schritt hätten sie alle schon viel früher gehen müssen!

"Bist du soweit? Wir müssen los."
Die Stimme meiner Mutter weckte mich aus meinen Gedanken. Mit einem leichten Nicken richtete ich noch einmal mein Outfit und verließ dann die Wohnung, gemeinsam mit meinen Eltern. Wir fuhren eine knappe dreiviertel Stunde zur Schule und parkten direkt vor dieser.
Vor dem Eingang warteten schon Jana und Franzi mit ihren Eltern.
"Wow, schau dich nur an. Unglaublich.", begrüßte Franzi mich mit einem großen Staunen.
"Ach du übertreibst.", winkte ich schnell ab und umarmte die Beiden.
"Es steht dir wirklich sehr gut.", fügte Jana hinzu, die ein dunkelrotes Cocktailkleid trug.
"Lasst uns rein gehen, bevor die guten Plätze alle belegt sind."
Franzi schritt in ihrem grünen Abendkleid voran, in welchem sie wie eine Meerjungfrau auf mich wirkte.
Wir bekamen einen Platz in der zweiten Reihe und eine halbe Stunde später fing die Feierlichkeit an.
Nach einigen Reden von Lehrern und dem Schulleiter, fand ein musikalisches Programm statt. Einige Klassen hatten hierfür einen Song einstudiert, den sie uns nun präsentierten.
"Psst, du sag mal, gehst du auch auf die Party im Anschluss?", fragte Jana mich leise.
"Ich weiß noch nicht genau. Eigentlich ist mir nicht so nach Party.", gab ich ehrlich zu.
"Das verstehe ich total. Ich habe nur gehört, die Location soll der Wahnsinn sein, direkt am See. Vielleicht können wir ja doch gemeinsam einmal vorbei schauen."
"Hm ... einverstanden. Einmal vorbei schauen kann ja nicht schaden."
Als der letzte Ton erklang, applaudierte das Publikum und es war Zeit für die Zeugnisvergabe. Einzelnd wurden wir Schüler aufgerufen und erhielten neben unserem Abschlusszeugnis auch noch eine Rose.
Im Anschluss gab es noch einen Sektausschank und einige Fotos wurden gemacht. Alles in allem war es eine schöne Feier und es fühlte sich mehr als gut an, endlich mit allem fertig zu sein

In Franzi's Auto fuhren wir zur Location, bei der unsere klasseninterne Feier veranstaltet wurde.
"Ich war ja erst skeptisch, aber ich muss sagen, das haben sie hier ganz gut hingekriegt.", meinte Franzi, nachdem wir das Auto wieder verlassen hatten.
Einige unserer Klassenkameraden waren schon anwesend und trafen die letzten Vorbereitungen. Auf einer Wiese wurde ein Buffet aufgestellt und am Ende des Stegs fanden sich einige Sitzmöglichkeiten. Geschmückt war das ganze mit vielen Laternen und Feuerschalen.
"Wollen wir uns setzen?", fragte Jana und deutete auf eine der Bänke hin.
Wie drei Hühner auf der Hühnerstange, saßen wir drei nebeneinander und beobachteten die einzelnen Leute.
"Gott, musste denn unbedingt jeder seinen Partner mitbringen?", fragte Franzi genervt. "Das wird nachher nur ein rum geturtel hier sein. Und wenn sie alle betrunken sind, dann knutschen sie wie wild herum."
"Ja ... da kann man ja fast schon neidisch werden.", seufzte Jana und stützte ihre Ellenbogen auf ihren Oberschenkeln ab.
"Wie bitte?"
"Ach komm gibs zu, du hättest das auch gerne."
"Naja, nein, ich meine ... vielleicht schon. Aber darum gehts ja jetzt gar nicht. Fiona, hilf mir doch mal."
Ich löste den Blick von einem Pärchen und wandte mich dann dem eigentlichen Gespräch neben mir zu.
"Es ist schon schön jemanden zu haben.", meinte ich nur und seufzte leise auf.
Jana und Franzi wechselten einen kurzen Blick miteinander und sahen dann wieder zu mir.
"Hat Dag sich schon mal gemeldet?"
"Nein, aber das ist auch nicht schlimm. Manchmal schreiben wir auch nicht miteinander..."
"Und ... hast du sonst was von jemanden gehört?", fragten die Beiden mich vorsichtig.
Wieder schüttelte ich den Kopf.
"Ihr glaubt doch nicht, dass er sich melden würde. Es sind vier Monate vergangen, da herrscht absolute Funkstille zwischen uns."
"Fiona ... wir haben nie wirklich mit dir darüber geredet, weil wir dich nicht noch mehr in Trauer versetzen wollten...", fing Franzi an.
"...aber wir würden schon gerne wissen, wie es in dir aussieht. Wie du fühlst, wenn du an ihn denkst. Ob du ihn vermisst oder ob du ihm ... vielleicht nochmal eine Chance geben möchtest."

Anstatt den beiden zu antworten, entdeckte ich vor mir einen jungen Mann, der definitiv keine Einladung bekommen hatte. Ich erhob mich von der Bank und ging auf ihn zu. Ich wusste nicht, ob ich träumen würde, aber je näher ich an ihn heran trat, desto mehr realisierte ich, dass er es wirklich war. Und wie gut er aussah, in seinem dunklen Anzug. Ein Bild, welches ich selten von ihm zu Gesicht bekommen habe. Obwohl ... habe ich ihn überhaupt schon einmal in einem Anzug gesehen?
Als ich direkt vor ihm stand, blickte ich zu ihm auf und lächelte.
"Woher wusstest du, wo du mich finden kannst?"

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