Kapitel 65 - Darf ich bitten?

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"Dag, verrätst du mir jetzt endlich, wo wir hingehen?", fragte ich ein wenig nörgelnd und trottete neben ihm her, während die Straßenlaternen langsam zu leuchten begannen.
"Einen Moment musst du dich noch gedulden.", versuchte Dag mich bei Laune zu halten und verschränkte seine Finger mit meinen, damit ich nicht doch noch den Anschluss an ihn verlor.
"Hör zu, ich weiß, du hast ein schlechtes Gewissen bezüglich gestern Abend, aber das musst du nicht haben. Wir hätten auch einfach heute den Netflixabend nachholen können."
Schnell schüttelte er den Kopf und zog mich sanft mit sich.
"Es war nicht in Ordnung von mir, dich zu versetzen. Ich weiß, dass du dich auf den Abend gefreut hast.", meinte er etwas leiser und warf mir dabei einen kurzen Blick zu.
Seine blau-grünen Augen strahlten eine gewisse Reumütigkeit aus und es schien ihm wirklich sehr leid zu tun, dass er unseren Abend 'ruiniert' hatte. Er und Vincent waren doch länger im Studio in Gange, als er es noch am Morgen vorher geplant hatte. Aber irgendwie war es nicht verwunderlich - wenn die beiden Berliner erst einmal in ihrem Element waren, dann konnte sie daraus auch nichts und niemand mehr heraus holen. Musik war ihr Leben, ihre Leidenschaft - alles andere war oftmals zweitrangig - zumindest kam es mir hin und wieder so vor.
Dag hatte sich tausendmal entschuldigt, nachdem er mich nachts aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich glaube auch, er hatte ein wenig getrunken und vielleicht einen Joint zu viel zu sich genommen.
Gleich am nächsten Tag wollte er es wieder gut machen, nach seinem mehrstündigen Schlaf, der sich bis in die Mittagsstunde zog.
Und nun war es bereits 21:30Uhr und ich hatte keine Ahnung wohin er mich führte.

"Gleich haben wir es geschafft.", sagte er voller Freude und schenkte mir dabei ein breites Grinsen, sodass seine perlweißen Zähne zum Vorschein kamen. Dieses Grinsen brachte mich dazu, meine miese Laune beiseite zu schieben und ihm ebenfalls ein Lächeln zu schenken.
"Kannst du mir wenigstens verraten, warum ich mich so anziehen sollte?", fragte ich und sah kurz dabei an mir herunter.
'Zieh dir etwas schickes an, aber es sollte dennoch bequem sein. Und wenn du hohe Schuhe hast, zieh sie an!', hatte er mir gesagt. Und ich tat was er sagte und entschied mich für ein Kleines Schwarzes mit passenden Pumps, auf denen ich mich anständig fortbewegen konnte und dies auch über einen längeren Zeitraum.
"Das hat mit unserer Location zu tun.", sagte er nur.
Nun gab ich es endgültig auf. Ich entschied mich dazu, mich einfach überraschen zu lassen und Dag in dieser Hinsicht zu vertrauen.
Irgendwann bogen wir in eine kleine Seitenstraße ein und landeten in einer Sackgasse.
"Okay jetzt weiß ich, was du vor hast. Das hier wird eine Entführung, kurz und schmerzlos mit anschließendem Mord."
Dag zog eine Augenbraue nach oben und sah mich skeptisch an.
"Du guckst zu viele Krimiserien, Kleines. Das hier ist nur ein Hinterhof.", meinte er und klopfte gegen eine Metalltür, die mir erst jetzt auffiel. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür und ein breit gebauter Typ mit Glatze stand uns gegenüber.
"Oh Gott!", murmelte ich und versteckte mich hinter Dag seinem Rücken.

"Hey Tony, danke fürs Aufmachen, hast was gut bei mir.", begrüßte Dag den stämmigen Typen, der ihm nur ein Grinsen erwiderte.
"Für nen Freund mach ich das doch gerne." Tony machte uns beiden Platz, sodass wir eintreten konnte. Noch immer klammerte ich mich an Dag und war ihm dicht auf den Fersen, als wir einen schier endlos langen Gang entlang liefen.
"Was ist das hier?", fragte ich ein wenig ängstlich und sah dabei um mich. Je weiter wir gingen, desto mehr vernahm ich den Klang von Musik, bis wir vor einer Art Vorhang stehen blieben.
"Das meine Liebe, ist einer der beliebtesten Tanzclubs in ganz Berlin. Und heute Abend gibt es ein Lateinamerikanisches Motto. Ich weiß doch, dass du das tanzen liebst.", grinste er und schob den Vorhang beiseite.
Vor uns erstreckte sich das Szenario eines Clubs, mit Tanzfläche, einer Bar und vielen, gemütlichen Sitzmöglichkeiten.
"Ja aber ... das ist ... und warum dann der Hintereingang?", fragte ich vollkommen verwirrt.
"Erstens ist die Schlange beim Vordereingang unglaublich lang. Und Zweitens, kenne ich hier ein paar Leute - ich dachte mir, so ist es einfacher."
"...und definitiv gruseliger.", fügte ich noch hinzu und warf ihm einen bösen Blick zu.
"Ach, nun hab dich nicht so. Als wenn ich dir was antun würde du Dummerchen.", lachte er und führte mich in den Saal hinein.
Wir legten unsere Jacken ab und nahmen in einer für ihn reservierten Lounge Platz.
Ich war noch ein wenig geflashed, von dem Ganzen Szenario hier. Dag ist wirklich mit mir zum Tanzen gegangen, obwohl ich ihn eigentlich nie für den besonders größten Tänzer gehalten habe. Aber schon auf meiner Abschlussfeier habe ich bemerkt, dass er definitiv Rhythmus im Blut hatte.
Es lief spanische Musik im Hintergrund und ich konnte spüren, wie mich die Musik mitnahm und ich nicht länger sitzen bleiben konnte.
"Na los du kleiner Flummi, lass uns tanzen.", lachte Dag, der meine Miserie beobachtete.

Hand in Hand gingen wir auf die Tanzfläche, auf der sich schon einige salsatanzende Paare befanden und mit einem Schwung zog Dag mich dicht an sich. Mein Herz klopfte mit einem mal schneller, als es sollte und etwas unsicher blickte ich in seine Augen.
"Hast du denn schon einmal Salsa getanzt?", fragte ich ihn vorsichtig.
"Lass dich überraschen.", hauchte er mir entgegen und fing passend zum Takt an mit mir eine Salsa aufs Parkett zu legen. Rhythmisch bewegten wir unsere Hüften zur Musik, drehten einander und waren dann beim nächsten Tanz wieder ganz eng beieinander.
Jedes mal, wenn ich ihm nahe war oder sein Becken an meinem spürte, bekam ich eine ungeahnte Gänsehaut, die ich mir einfach nicht erklären konnte. Dag war ein hervorragender Tänzer und ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß empfunden wie an diesem heutigen Abend.
Er wusste genau, was mich aufheiterte, was ich brauchte, damit ich ihm ein Lächeln schenken konnte - er kannte mich manchmal besser, als ich mich selbst.
Seine Hand legte sich beim nächsten Lied an meinen unteren Rücken, sodass ich ihm wieder ganz nahe kam.
Ich blickte zu ihm auf und lächelte, während wir tanzten.
"Danke.", kam es nur aus mir heraus.
"Wofür genau?"
"Für diesen Abend hier. Du weißt einfach, was zu tun ist, um mich bei guter Laune zu halten."
"Das ist mein Job.", grinste er und hauchte mir einen zarten Kuss auf meinen Scheitel.
Ein angenehmer Schauer fuhr über meinen Rücken und für einen kurzen Moment ließ ich mich fallen und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust.
Innerlich wusste ich, dass das hier keine gute Idee war - aus so vielen Gründen - aber ich wollte mich gerade nicht dagegen wehren. Denn ich genoss es, Dag so nahe zu sein und jemanden zu haben, der mir einen Ort von Sicherheit und Geborgenheit schenkte, vor allem nach dem Schmerz der letzten vier Monate

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