Kapitel 67 - Träume ich?

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Pov Vincent

"Du bist unmöglich!" Genervt drehte ich mich auf meinem Stuhl zu Dag und funkelte ihn leicht angesäuert an.
"Maaan nun entspann dich mal, ich habs halt vergessen.", versuchte dieser das Ganze herunter zu spielen.
"Ich brauche den Stick aber jetzt, sonst können wir nicht mit dem neuen Song weitermachen."
Dag rollte mit den Augen und zündete sich dabei eine Zigarette an.
Das war definitiv das letzte Mal, dass ich ihm etwas mitgab, ohne vorher eine Kopie davon gezogen zu haben.
"Dann fahren wir eben jetzt schnell zu mir und holen den."
"Geht nicht, ich erwarte gleich noch ein wichtiges Paket, wir können nicht beide weg."
Grübelnd sahen wir einander an, bis Dag die zündende Idee hatte und mich breit angrinste.
"Dann fahr du zu mir und hol den. Mit dem Auto bist du doch schnell da. Und ich warte so lange hier auf das Paket.", schlug der dunkelhaarige Lockenkopf vor.
"Na schön.", grummelte ich vor mich her und schnappte mir meinen und seinen Schlüssel, um wenig später zu seiner Wohnung fahren zu können.

Obwohl wir Beide uns eine Pause vorgenommen hatten, kamen wir einfach nicht von der Musik los. Wir saßen zusammen und unsere Ideen sprudelten einfach nur so aus uns heraus. Es dauerte nicht lange und wir hingen über unseren Schreibblöcken und brachten unsere Ideen zu Papier. Es war für mich außerdem auch eine gute Abkenkung und ich schätzte es sehr, dass Dag sich die Zeit hierfür nahm, und das obwohl ich wusste, dass er eigentlich anderes zu tun hatte. Zum Beispiel seine neue Freundin, von der er mir einfach nichts erzählen wollte.
Seit dem Vorfall im Badezimmer, machte er ein riesen Geheimnis um die junge Dame und ich fragte mich, ob er sich vielleicht für sie schämte oder etwas anderes zu verbergen hatte. Lächelnd schüttelte ich meinen Kopf und hielt meinen Wagen an einer roten Ampel.
Als ich aus dem Fenster sah, erblickte ich ein junges Pärchen, welches Hand in Hand über den Zebrastreifen vor mir ging.
Da war es wieder, kurz, aber schmerzhaft. Diese Erinnerung an das Leben vor vier Monaten. Diese Hand, die in meiner lag, das strahlende Lächeln, welches mir ganz alleine galt. Und diese rehbraunen Augen, die jedes mal ein geheimnisvolles Leuchten in sich trugen. Was würde ich dafür geben, noch einmal in ihnen hinein sehen zu dürfen.

Ein Hupen, welches mir galt, weckte mich aus meinem kurzen Tagtraum und ich setzte meinen Weg zu Dag seiner Wohnung fort.
Ich musste sie endlich vergessen. Es gab keine zweite Chance für mich und das musste ich endlich akzeptieren. Ich hatte ihr zu sehr weh getan und ich konnte nicht einmal sagen, was mich damals geritten hatte, so etwas zu tun. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hatte geglaubt, ich wäre stark genug, mich von Maja nicht um den Finger wickeln zu lassen. Und dann war da dieser kleine schwache Moment, der alles zerstörte, was mir lieb war. Könnte ich die Zeit doch nur zurück drehen.
Vor Dag seiner Wohnung hielt ich mit meinem schwarzen Mercedes und nahm die Treppen bis ganz nach oben.
Die Wohnung war erstaunlich aufgeräumt, so sah es selten bei ihm aus, eigentlich nie. Ich schloss hinter mir die Tür und marschierte auf dem direkten Weg ins Wohnzimmer, wo der USB Stick sich laut seiner Aussage befand.
"Wo hat er ihn denn verdammt nochmal hingelegt.", fluchte ich und durchwühlte alles danach.
Unter den Zeitschriften war er nicht und auch auf seinem Schreibtisch war nichts zu finden.
"Vielleicht hatte er ihn doch woanders hingelegt.", überlegte ich laut und beschloss im Schlafzimmer nachzusehen.
Auf dem Weg dorthin ging ich an der Küche vorbei, aus der ich mit einem Mal Musik und ein lautes Singen vernahm.
Abrupt blieb ich stehen und lauschte an der Tür. War etwa Dag seine Freundin hier?
Mit einem verschwörerischen Grinsen betätigte ich die Türklinke und trat in den Raum hinein.

"Hast du mal ein Problem und kannst keine Rettung sehn', dann ruf SDP!!" Mit voller Elan und Freude erklang das Lied aus ihrer Kehle, während sie das Geschirr wusch. Wie in einer Art Schockstarre verharrte ich in meiner Position und wusste nicht, ob ich träumen würde oder nicht. Gerade noch eben befand sie sich in meiner Erinnerung und jetzt stand sie lebhaft vor mir - nur mit einem Hemd bekleidet. Ich schluckte schwer und versuchte etwas zu sagen, doch es kam nichts aus mir heraus.
Tänzelnd bewegte sie sich auf der Stelle und war dabei ganz in ihrer eigenen Welt, während sie unsere Lieder vor sich her sang.
Meine braunen Augen verfolgten jede noch so kleinste Bewegung von ihr. In mir wuchs der Drang, sie sofort in meine Arme zu schließen und nie mehr los zu lassen.
"Cause this looks like a job for ahhh!!!!!", schrie sie mit einem mal, als sie mich erblickte und ein Teller dabei zu Bruch ging. Deja-vū lässt grüßen.
Ich zuckte zusammen und schien nun auch meine Starre überwunden zu haben.
Mit aufgerissenen Augen und vollkommen schockiert starrte sie mich an - anscheinend wusste sie ebenfalls nicht, was sie sagen sollte.
So standen wir uns eine ganze Weile lang gegenüber. War das vielleicht doch nur ein Traum?

"Hi ...", brachte ich kaum hörbar nach einer gefühlten Ewigkeit heraus und räusperte mich kurz.
Meine Stimme schien sie zurück in die Realität geholt zu haben, denn sie stellte schnell die Musik aus und sammelte die Scherben vom Boden auf.
Ohne groß darüber nachzudenken, lief ich zu ihr und half ihr beim Zusammensuchen der Scherben.
"Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht so erschrecken.", entschuldigte ich mich aufrichtig bei ihr.
"Wie kommst du hier rein?", fragte sie mich, ohne auf vorherige Worte einzugehen.
"Dag hat mir seinen Schlüssel gegeben. Ich ... ich wollte nur einen USB Stick holen. Ich ... ich hatte ja keine Ahnung...", stammelte ich vor mich her und kratzte mich an meinem Hinterkopf.
Sie erhob sich vom Boden und warf die Scherben in den Mülleimer.
"Solltest du auch nicht...", seufzte sie leise und lehnte sich gegen die Küchenanrichte.
Vorsichtig erhob ich mich ebenfalls und musterte sie eine ganze Weile.
"Seit ... seit wann bist du hier?"
"Seit knapp zwei Wochen."
"Und du warst die ganze Zeit hier? Bei Dag?", fragte ich sie fassungslos.
"Ihn trifft keine Schuld. Ich wollte, dass er es für sich behält. Ich ..."
"Moment mal, dann warst du das im Badezimmer unter der Dusche?", fragte ich sie verwirrt.
"Du hast mich überrascht, ich musste schnell handeln..", sagte sie und blickte mir dabei direkt in meine Augen.
Ich konnte mir mit einem mal ein Grinsen nicht verkneifen, doch als ich sah, wie bedrückt sie aussah, verschwand es schnell wieder.
"Der USB Stick ist im Schlafzimmer, ich hole ihn dir eben.", sagte sie und ging an mir vorbei.
Sanft hielt ich sie an ihrem Handgelenk fest und bewegte sie dazu stehen zu bleiben.
"Es ... es ist schön, das du hier ... in Berlin bist...du hast mir gefehlt...", sagte ich leise und ließ sie dann wieder los.

Fiona drehte sich nicht noch einmal um, sondern holte den Stick aus dem Zimmer, um ihn mir dann wenig später übergeben zu können.
Anschließend fuhr ich wieder zurück zum Studio und hielt Dag eine Standpauke darüber, das er mir ihr Auftauchen verschwiegen hatte.
Er selbst schien nicht daran gedacht zu haben, dass sie ja bei ihm war - vermutlich würde er am Abend noch einmal eine weitere Standpauke von ihr erhalten.
Trotz alledem beschlich mich seit langer Zeit einmal wieder ein gutes Gefühl. Sie wiederzusehen und zu wissen, dass sie hier in Berlin war, ließ mich glauben, dass unsere Wege eventuell doch noch nicht endgültig getrennt waren.
Vielleicht war dies meine zweite Chance, unsere zweite Chance...

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