Kapitel 68 - Nein. Doch. Vielleicht!?

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"Du!!!" Wütend schnaubte ich und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
"Bitte hau mich nicht.", sagte Dag und warf mir einen wehleidigen Blick zu.
"Wie konntest du das zulassen?", fragte ich ihn verständnislos.
"Du hast gesagt, du willst dir Berlin etwas anschauen, wolltest doch in den Park gehen. Woher sollte ich wissen, dass du doch noch zuhause bist?"
Ich ging wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab, bis ich schließlich wieder direkt vor ihm stehen blieb.
"Ich hatte mich umentschieden...", seufzte ich und ließ mich auf dem Sofa fallen.
Dag fuhr durch sein dunkles Haar und nahm dann direkt neben mir Platz.
"Wars so schlimm?", fragte er nach einer gewissen Zeit und seine blau grünen Augen richteten sich dabei direkt auf mich.
"Ich weiß nicht, es war komisch... aber wars schlimm? Ich glaube nicht.", gab ich leise zu.
"Whynee wirkte wie ausgewechselt, als er zurück ins Studio kam und nachdem er mir eine Standpauke gehalten hatte."
Ich zuckte mit den Schultern und seufzte erneut. Dann ließ ich ein gequältes Stöhnen aus meiner Kehle erklingen und legte den Kopf zurück.
"Was soll ich denn jetzt machen?"
Der Berliner neben mir runzelte mit seiner Stirn und schien mich ein wenig perplex anzusehen.
"In was für einem Bezug denn?"
"Naja, jetzt wo Vincent weiß, das ich hier bin, da ... da muss ich doch was machen. Erwartet man das nicht von mir?", fragte ich ihn.
"Fiona, niemand erwartet etwas von dir. Und eigentlich solltest du wissen, dass das eh keine Rolle spielt. Es geht darum was du willst und machen möchtest und nicht was andere eventuell von dir erwarten."
"Aber du hast doch gesagt, er war wie ausgewechselt. Vielleicht erwartet er jetzt, dass ich auf ihn zugehe..."
"Whynee erwartet gar nichts. Er weiß ganz genau, was für eine Scheiße er gebaut hat und kennt dich gut genug, um zu wissen, dass du nicht angekrochen kommst. Natürlich ist er, denke ich, froh, dass du hier in Berlin bist, aber du brauchst dir darum keinen Kopf machen. Es wird nichts passieren, was du nicht möchtest.", versicherte mir Dag und zog mich sanft an seine Brust.

Am nächsten Morgen war Dag der Erste von uns beiden, der wach wurde und beschloss dies gleich auszunutzen, indem er eine Parkoureinheit startete. Ich war noch viel zu müde, um irgendetwas zu starten, weshalb ich mich noch einmal umdrehte und die Decke hoch über meinen Kopf zog.
Gerade, als ich meine Augen wieder schließen wollte, vibrierte mein Handy neben mir ununterbrochen. Genervt griff ich danach und hob ab.
"Hm?", nuschelte ich
"Bist du etwa immer noch im Bett?", fragte Dag's tiefe Stimme mich, gefolgt von einem lauten Lachen.
"Bist du nicht gerade erst aus der Wohnung gegangen? Was ist los? Ist etwas passiert?", fragte ich ihn und war mit einem mal hellwach.
"Nein, es ist alles gut. Mir ist nur gerade etwas eingefallen und bevor ich es wieder vergessen, wollte ich es dir sofort sagen."
"Du bist manchmal ganz schön komisch. Ne SMS hätte es auch getan."
"Du musst aber nicht immer den ganzen Tag im Bett faulenzen. Du wolltest doch etwas aus deinem Leben machen.", piesakte er mich.
"Ich leg sofort auf, wenn du jetzt mit ner Predig anfängst."
Erneut lachte Dag auf.
"Ganz ruhig Tiger, sowas bekommst du von mir nicht zu hören. Ich wollte dich nur fragen, was du davon hälst, nächstes Wochenende mit aufs Festival zu kommen."
Ungläubig blinzelte ich ein paar Mal auf und setzte mich im Bett aufrecht hin. "Wieso sollte ich?"
"Wieso nicht? Jetzt, da Vincent von deiner Anwesenheit weiß, kannst du doch problemlos mitkommen. Und so wärst du das Wochenende nicht alleine, was du ja auch nicht wolltest."
"Aber du weißt schon, dass ich Vincent eigentlich aus dem Weg gehen will, oder?"
"Überlegs dir, ein paar Tage hast du noch Zeit. Ich geh jetzt weiter trainieren und bring uns auf dem Rückweg Frühstück mit!"
Mit diesen Worten legte Dag auf und ließ mich vollkommen hin und her gerissen zurück.

Mit der kompletten Truppe ein Festival besuchen, klang im ersten Moment gar nicht so schlecht. Ich vermisste das Gefühl ein Konzert zu besuchen. Dieses Gefühl von absoluter Freude und Freiheit. Aber... Vincent würde ebenfalls dabei sein. Und ich musste mir einfach eingestehen, dass mich zwischenzeitlich noch immer ein gewisser Schmerz heimsuchte. Ihn um mich zu haben, seine Stimme zu hören und sein Lächeln zu sehen, könnte mich wieder in ein tiefes Loch reißen, aus dem ich es gerade so mit ach und krach vor einigen Wochen heraus geschafft hatte. Wollte ich riskieren, dass ich erneut den ganzen Schmerz von vorne durchlebte?
Klar, ich musste mich natürlich nicht ständig in seiner Nähe aufhalten. Ich konnte mich auf dem Festivalgelände frei bewegen und im Tourbus musste ich ja auch nicht unbedingt in seiner Nähe sitzen. Ich konnte mit Dag plaudern oder mit den anderen Jungs. Aber was sollte ich tun, wenn er das Gespräch mit mir suchen würde? Wenn er meine Nähe sucht?
"Das ist doch alles zum Mäuse melken!", stöhnte ich verzweifelt und drückte mir ein Kissen ins Gesicht. Konnte Dag nicht einfach mal auf klügere Ideen kommen und mich nicht vor solch einer dummen Wahl stellen? Er wusste ganz genau, wie sehr ich Festivals liebte und wie gerne ich die Musik der Jungs hatte. Er hatte doch mit Sicherheit einen Plan in seinem Kopf. Vielleicht steckte er ja mit Vincent unter einer Decke...

"Aber du musst ja nicht mit ihm reden und wenn bleibst du einfach höflich, aber distanziert.", meinte Jana, während wir beide uns über Skype ansahen.
"Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?", fragte ich sie skeptisch.
"Irgendwie schon. Ich meine, vielleicht war euer Treffen Schicksal gewesen. Und vielleicht ist das irgendwo auch eine zweite Chance für euch."
"Spinnst du? Er hat mich aufs tiefste verletzt. Das kann ich ihm nicht verzeihen!"
"Ach Fio, ich weiß ganz genau, dass du dir das einreden willst. Aber deine Gefühle für ihn sind niemals zu 100% verschwunden. Oder?"
Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und schüttelte dann ganz leicht den Kopf. Jana kannte mich einfach viel zu gut, als das ich ihr etwas vormachen könnte.
"Aber ich bin zur Zeit einfach viel zu durcheinander was meine Gefühle angeht. Da ist nicht nur Vincent..." Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, bereute ich sie auch schon wieder und hoffte, Jana würde nicht näher auf meine Äußerung eingehen.
Ich konnte auf dem Bildschirm jedoch ein verschwörerisches Grinsen auf ihren Lippen entdecken.
"Naja, verübeln kann ich es dir nicht.", zwinkerte sie mir zu.
"Lass uns nicht weiter drüber reden.", winkte ich das Thema schnell ab.
Dag und Vincent. Vincent und Dag.
Warum musste das zur Zeit einfach nur alles so kompliziert sein?

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